Auftakt des Republikaner-Parteitags:Krönung im Angesicht des Sturms

Nach sechs Jahren ist er am Ziel: Die Republikaner küren Mitt Romney in Tampa zum Herausforderer von US-Präsident Obama. Doch der Parteitag steht unter gefährlichen Vorzeichen. Tropensturm "Isaac" erreicht bald das Festland - und weckt bei den Republikanern ungute Erinnerungen an "Katrina" im Jahr 2005.

Matthias Kolb, Tampa

Mitt Romney reist nach Tampa, um live dabei zu sein, wenn ihn die 2286 Delegierten zum Präsidentschaftsbewerber der Republikaner küren - einige andere Berühmtheiten packen allerdings schon wieder ihre Koffer. Der Kabelsender CNN schickt Anderson Cooper und Soledad O'Brien nach New Orleans: Die Star-Moderatoren sollen von dort aus berichten, was der Tropensturm Isaac an der Küste Louisianas anrichtet. Auch Fox News und NBC ziehen Journalisten ab, denn nun sagen die Meteorologen voraus, dass sich Isaac über dem Golf von Mexiko zum Hurrikan auswachsen und am Mittwoch das Festland erreichen wird.

Für die konservativen Planer kann nun ihr Nominierungsparteitag endlich beginnen und soll mit Reden von Romney-Gattin Ann und New Jerseys Gouverneur Chris Christie seine ersten Höhepunkte erleben. Romney wird erst am Donnerstagabend die mit 13 Videobildschirmen ausgestattete Bühne im Tampa Bay Times Forum betreten, wo die Republikaner zwei Schuldenuhren angebracht haben: Eine zeigt, wie viel Geld sich die USA insgesamt geliehen haben, während die zweite zählt, wie die Verbindlichkeiten während Romneys Krönungsmesse wachsen.

Hinter vorgehaltener Hand fürchten Amerikas Konservative jedoch offenbar, dass es ihnen auch in den nächsten Tagen nicht gelingen wird, die schwächelnde US-Wirtschaft zum Hauptthema des aufkommenden Wahlkampfs zu machen. Sollte Isaac schlimme Schäden anrichten, hätte dies nicht nur zur Folge, dass die TV-Sender abwechselnd über beide Ereignisse berichten.

Es könnten auch Erinnerungen an den Hurrikan Katrina wach werden, der am 29. August 2005 New Orleans traf. Viele Amerikaner brauchen nicht einmal Archivbilder, um sich erneut über das katastrophale Krisenmanagement der Regierung von George W. Bush aufzuregen. Das Insiderblatt Politico sieht den "Geist von Katrina" schon über Tampa wehen - wohl als Schreckgespenst mit grässlicher Fratze.

Bereits zuvor hat die Natur die wochenlang geplante Choreographie des Parteitags über den Haufen geworfen. Die in Blogs und bei Twitter kursierenden Gerüchte um Absagen, Verkürzungen und Ablauf-Änderungen haben viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Damit könnte die Wirkung der sorgsam abgestimmten Medien-Offensive verpufft sein, mit der Mitt Romney am Wochenende begonnen hatte, seinem Image als "Kandidat ohne Eigenschaften" etwas entgegenzusetzen. Im Interview mit Politico erzählte er nicht nur, dass er gern Wirtschaftsfachleute wie Hewlett-Packard-Chefin Meg Whitman in sein Kabinett holen würde, sondern gestand ein, dass es das Obama-Lager geschafft habe, ihn als "wenig sympathisch" darzustellen.

Romney - ein Mensch mit Ecken und Kanten

Um das Bild des kühl kalkulierenden Kapitalisten zu korrigieren, ließ er ein Kamerateam der Sendung Fox News on Sunday in seinem Ferienhaus in New Hampshire filmen und berichtete, dass ihn die 18 Enkel "Papa" rufen. Er schwärmte von Ehefrau Ann, die nicht nur die "Liebe seines Lebens" sei, sondern auch sein bester Freund und wichtigster Berater. In einer CNN-Dokumentation erzählte die 63-Jährige mit Tränen in den Augen, wie ihr Mann ihr half, mit der Diagnose Multiple Sklerose zurecht zukommen und die Krankheit zu überwinden. Er sei ihr nie von der Seite gewichen.

USA Wahlkampf

Alles wartet auf Mitt Romney.

(Foto: dpa)

Das Ziel der Krönungsmesse von Tampa ist klar: Der von der Basis ungeliebte Mitt Romney muss als liebevoller Mensch mit Ecken und Kanten präsentiert werden, die Amerikaner sollen seinen Charakter kennen lernen und zumindest ahnen, welche Werte ihn im Weißen Haus leiten könnten. Nicht nur der Economist wünscht sich eine Antwort auf die Frage: "Woran glaubst du wirklich, Mitt Romney?" Mark McKinnon, der George W. Bush zu zwei Wahlsiegen verhalf, wünscht sich Kontext: "Die Leute wollen wissen, wo Mitt Romney herkommt. Sie haben in den Obama-Clips die dunkle Seite gehört, nun müssen sie das Licht sehen."

Seit Tagen spekulieren die US-Medien darüber, ob der Republikaner selbst in seiner Rede viel über sich erzählen oder ob die Parteitagsregie es anderen überlassen wird, ihn in ein wärmeres Licht zu tauchen. Es sind viele Video-Einspielungen geplant, in denen neben dem Familienmenschen und dem Geschäftsmann auch der Glaube des fünffachen Vaters thematisiert wird: Mehrere Mormonen werden über ihre Erfahrungen mit Romney als bishop (eine Art Gemeindevorstand) einer Gemeinde bei Boston sprechen. Bisher hatte es Romney vermieden, seine Religion zu thematisieren, da viele evangelikale Christen - eine wichtige Gruppe in der Grand Old Party - Mormonen für Anhänger eines Kults halten.

Schon jetzt ist es Romney gelungen, den Abstand im Swing State Florida zu verkürzen: Er liegt mit 46 Prozent nur vier Prozent hinter Obama. Wer die 29 Wahlmänner des Sunshine State für sich gewinnt, wird mit großer Wahrscheinlichkeit ins Weiße Haus einziehen. Während Romney im Norden deutlich vorn liegt, ist Obama in den Regionen um Miami, Fort Lauderdale und Palm Beach äußerst beliebt. Die Entscheidung wird nach Einschätzung vieler Experten im Gebiet entlang des Interstate 4 fallen, der Orlando und Tampa verbindet.

Dies ist wohl der wichtigste Grund, weshalb es die Republikaner gewagt haben, ihren Parteitag in der Hurrikan-Saison in Tampa abzuhalten. Die Stadt liegt im Bezirk Hillsborough, in dem 2004 mehr als 50 Prozent für Bush stimmten, während 2008 Obama knapp gewann. Für die Washington Post steht fest: "Wenn Romney hier vorne liegt, dann ist ihm der Sieg in Florida kaum mehr zu nehmen". Ob sich die Angst vor dem "Geist von Katrina" gelohnt hat, werden die Republikaner erst am 6. November wissen.

Der Autor twittert unter @matikolb vom Nominierungsparteitag der Republikaner in Tampa.

Linktipp: Die Washington Post hat Mitt Romneys "Weg nach Tampa" in einem langen, stimmungsvollen Porträt nachgezeichnet.

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