Grundsatzurteil: Fahrradwege:Gemeinsame Sache

Wer den Radweg ignoriert und lieber direkt neben den Autos radelt, findet Unterstützung beim Bundesverwaltungsgericht.

Helmut Dachale

Immer die Radfahrer, diese Desperados des Straßenverkehrs. Tauchen aus dem Nichts auf, fahren, wo sie wollen. Gern auch auf der Fahrbahn, obwohl sich doch gleich daneben ein schöner Radweg anbietet.

Radfahrer dürfen Radweg wählen

Zwei Welten: Nur wenige Zentimeter zwischen Radfahrer und Autos - das nervt viele und sieht oftmals auch gefährlich aus.

(Foto: Johannes Simon)

Immerhin: Einer dieser Desperados, Klaus Wörle, ist kürzlich mit dem "best for bike Sonderpreis" ausgezeichnet worden - dem "bedeutendsten Preis im Bereich der deutschen Fahrradpolitik", so heißt es beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, dessen Haus Mitausrichter der Ehrung ist.

Hintergrund für diese Auszeichnung ist, dass Wörle, nachdem er bereits über Jahre verschiedene Gerichte bemüht hatte, es geschafft hat, dass sich schlussendlich gar das Bundesverwaltungsgericht mit einem eigentlich ganz normalen Fuß- und Radweg in Regensburg zu beschäftigen hatte.

Dort ist Wörle Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Und einen nur ein paar hundert Meter langen Sonderweg im Stadtgebiet gemeinsam mit Fußgängern benutzen zu müssen, hielt er für eine Schikane der Straßenverkehrsbehörde. Zudem für gefährlicher, als auf der parallel verlaufenden Fahrbahn zu radeln - gewissermaßen in Augenhöhe mit den motorisierten Verkehrsteilnehmern.

Jetzt darf Wörle auf die Straße. Und nicht nur er. Denn schließlich, so triumphiert die Bundeszentrale des ADFC, sei ja jetzt höchstrichterlich geklärt, dass Radfahrer grundsätzlich nicht zu Randfiguren des Verkehrsgeschehens degradiert werden dürfen.

Tatsächlich haben die Bundesverwaltungsrichter die Radwegebenutzungspflicht nicht nur auf der umkämpften Regensburger Passage aufgehoben, sie haben ein Grundsatzurteil gesprochen (AZ.: BVerwG 3 C 42.09).

Demnach dürfen Radfahrer nur in bestimmten Fällen auf abseitige Wege verwiesen werden. Nämlich nur dann, wenn ihnen im allgemeinen Straßenverlauf "ein besonderes Gefährdungspotential" droht.

Illegale Verkehrszeichen?

"Nach diesem Urteil sind alle Verwaltungen gefordert, sich an geltendes Recht zu halten", stellt der ADFC-Bundesvorsitzende Ulrich Syberg fest. Er erwartet, dass jetzt in vielen Kommunen die Schilder mit dem weißen Rad auf blauem Grund abmontiert werden.

Wird auch Zeit, meint Dietmar Kettler. Der Rechtsanwalt und Autor des Ratgebers "Recht für Radfahrer" geht seit längerem davon aus, dass es sich vielerorts um "illegale Verkehrszeichen" handelt. Weil damit Radfahrern die Straße verboten wird, obwohl sie dort keiner übermäßigen Gefahr ausgesetzt wären.

Doch trotz des Machtwortes des obersten Gerichts in Leipzig ist die Benutzungspflicht der Radwege nicht völlig ausgehebelt. Nach wie vor ist sie in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) festgeschrieben; allerdings seit 1997 in einer modifizierten Fassung, die zwischen "müssen" und "dürfen" unterscheidet.

Soll heißen: Auch wenn am Radweg das StVO-Verkehrszeichen schon entfernt ist, braucht kein Radfahrer ihn meiden. In solchen Fällen kann er ihn benutzen, muss es aber eben nicht. Vielmehr darf er sich hier auch völlig legal für die Fahrbahn entscheiden.

Allerdings: Das hierzulande gültige Rechtsfahrgebot ist überall zu beachten, auch auf den sogenannten Angebotsradwegen. Sie sind nur dann für den Gegenverkehr freigegeben, wenn ein Zusatzzeichen ("Radverkehr frei") aufgestellt ist.

Sowohl der ADFC als auch Rechtsanwalt Kettler weisen darauf hin, dass es häufig rechtens sein kann, selbst Radwege, die noch ausgeschildert sind, zu ignorieren. Etwa dann, wenn sie unbenutzbar sind oder die Benutzung unzumutbar ist. Parkende Autos, Mülltonnen oder andere Barrieren, vereist, mit Scherben überhäuft - Gründe gäbe es reichlich.

Der Blick auf den alltäglichen Verkehr in deutschen Städten zeigt aber anderes: Die allermeisten Radler bevorzugen nach wie vor den Radweg. Ob ausgeschildert oder nicht, ob zugewuchert oder glatt asphaltiert. Und auch sonst geben sie sich nonchalant: ob in der richtigen Richtung oder als Geisterradler im Gegenverkehr - was soll's.

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