Libyen-Krieg: Großbritanniens Rolle:Wie Cameron Obama zum Krieg trieb

Wie ein giftig kläffender Terrier hat David Cameron den zögerlichen Barack Obama von der Notwendigkeit einer Libyen-Intervention überzeugt. Ein Grund dafür ist so alt wie die Geschichte der Kriege - der britische Premier will von Nöten daheim ablenken.

Wolfgang Koydl, London

Das Bild eines britischen Premierministers, der Schulter an Schulter mit einem US-Präsidenten ein arabisches Land attackiert, ist nicht neu. Aber derweil Tony Blair wie ein braver Pudel George W. Bush in den Irak folgte, ist es im Fall von Libyen umgekehrt: Hier trieb David Cameron wie ein giftig kläffender Terrier einen zögernden Barack Obama vor sich her.

Britain's Prime Minister Cameron addresses delegates at the Scottish Conservative Party spring conference in Perth, Scotland

David Cameron: Beim Einsatz gegen Libyen gibt er den giftig kläffenden Terrier.

(Foto: REUTERS)

Die Wandlung des britischen Premiers vom innenpolitischen Isolationisten zum impulsiven Interventionisten ist vor allem wegen des Tempos bemerkenswert, mit dem sie sich vollzog. Schließlich ist es gerade vier Wochen her, seit Cameron verächtlich anmerkte, dass er "kein naiver Neocon" sei, der glaube, man könne Demokratie aus 40.000 Fuß Höhe auf ein Land herabregnen lassen.

Genau dies ist die Flughöhe, in der nun britische Tornado-Kampfflieger über Libyen operieren, und letzten Endes besteht ihr Auftrag darin, den Libyern zu Demokratie zu verhelfen.

"Kein naiver Neocon"

Trotz seiner ursprünglichen Vorbehalte war Cameron der erste führende westliche Politiker, der eine Flugverbotszone für Libyen forderte. Man weiß nicht, ob es Selbstverleugnung war oder Selbstvertrauen, die ihn an dem Vorschlag festhalten ließen, obwohl er einhellig abgelehnt wurde. Vor allem US-Verteidigungsminister Robert Gates verhehlte nicht, dass er den Briten für einen Grünschnabel hielt, der sich lieber zuerst bei Fachleuten erkundigen sollte, bevor er sich mit seinem "losen Gerede" blamiere.

Doch was hat den Wandel ausgelöst? Da ist zum einen die öffentliche Meinung, die in Großbritannien - anders als in Deutschland - grundsätzlich eher dazu neigt, den Underdog, in diesem Falle die romantisch als Rebellen verklärten Gegner von Muammar al-Gaddafi, zu unterstützen. Diesen Reflex konnte auch der umstrittene Irak-Krieg nicht auslöschen: In einer Umfrage hielten 69 Prozent der befragten Briten die Einrichtung einer Flugverbotszone für richtig.

"Muskulöser Liberalismus"

Außerdem bemüht sich Cameron darum, nicht in die Fußstapfen seines Vorgängers Blair zu treten. Anders als der Labour-Premier bestand der Konservative auf einer UN-Resolution; er band sein Kabinett in die Entscheidung ein, und er verkündete sie im Unterhaus mit dem Justizminister an seiner Seite. Niemand sollte ihm vorwerfen können, dass er die Legalität dieses Waffenganges nicht eingehend geprüft hätte.

Sorgfältig vermeidet Cameron auch die Blair'sche Floskel vom "liberalen Interventionismus" und zieht stattdessen den Begriff "muskulöser Liberalismus"vor . Diese Formulierung mag zwar, zumal im Hinblick auf Deutschlands Liberale unter Guido Westerwelle, wie ein Widerspruch in sich klingen; im britischen Kontext aber nickt Cameron damit seinem liberaldemokratischen Koalitionspartner Ermunterung zu. Denn die LibDems hat die Entwicklung in Nordafrika in ein neues Dilemma gestürzt.

Dies erklärt, weshalb sie seit Beginn der Luftangriffe in Schockstarre verfallen zu sein scheinen und sich in Schweigen hüllen. Schließlich hatte die Partei einen Großteil ihrer politischen Daseinsberechtigung zu Anfang des letzten Jahrzehnts aus ihrer prinzipientreuen Gegnerschaft zum Irak-Krieg bezogen; dass sie nun als Regierungsmitglied Militärattacken auf einen anderen arabischen Staat mittragen, muss zuerst einmal verdaut werden.

Nicht unwesentlich für Camerons Säbelrasseln ist ein anderer Grund, der so alt ist wie die Geschichte von Kriegen und Konflikten: die Ablenkung der öffentlichen Meinung von innenpolitischen Nöten. Am kommenden Mittwoch legt Finanzminister George Osborne seinen zweiten Haushalt vor, und er hat keine guten Nachrichten.

Die Sparmaßnahmen der Regierung beginnen zu greifen und der Verdruss an der Regierung wächst. Nichts kann die Bürger besser auf andere Gedanken bringen als Bilder tapferer Topgun-Piloten, die für eine gute Sache in den Kampf ziehen. Es funktioniert immer. Zumindest vorübergehend.

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