Tabakkonzern Philip Morris verklagt Uruguay:Nikotin für die Nation

Die Tabaklobby fühlt sich übermächtig - und glaubt, dass sie sich alles erlauben kann. Der Konzern Philip Morris verklagt den Staat Uruguay auf zwei Milliarden Dollar Schadenersatz, weil er so rabiat gegen Zigarettenkonsum vorgeht. Doch der linke Staatschef bekommt unerwartete Unterstützung aus den USA.

Peter Burghardt

Überzeugte Nichtraucher und die Weltgesundheitsorganisation sind begeistert von Uruguay. Die kleine Republik in Südamerika gehörte 2006 zu den ersten Ländern, die den Qualm aus öffentlichen Räumen verbannten, die Regierung bekam Preise für ihren Vorstoß. Oberster Antreiber der Frischluftoffensive war der vormalige Präsident Tabaré Vázquez, von Beruf Onkologe und als solcher mit den Folgen der Sucht vertraut.

Die Adjektive "light" oder "mild" auf Zigarettenschachteln sind verboten. Außerdem müssen auf 80 Prozent der Päckchenfläche die Risiken sichtbar werden, weshalb dort jetzt auffällige Bilder von Mundgeschwüren, schwangeren Bäuchen und ausgezehrten Patientinnen zu sehen sind. Im Zentrum der Hauptstadt Montevideo wurden obendrein kippenförmige Pfosten mit Aufschriften wie "Blei" und "Arsen" aufgestellt. Und nun steht der Staat für seine Gesundheitsinitiative vor einem Pariser Schiedsgericht.

Der Tabakkonzern Philip Morris International hat Uruguay verklagt und fordert zwei Milliarden Dollar Schadenersatz. Die Firma findet, einige Maßnahmen seien geschäftsschädigend, die Politiker vom Rio de la Plata hätten Verträge gebrochen. Darüber befindet jetzt das Weltbank-Tribunal Ciadi - ein Schiedsgericht in Wirtschaftsfragen.

Das Verfahren begann kurz vor dem Weltnichtrauchertag an diesem Dienstag. Seit 1987 weisen Mediziner und Institutionen zu diesem Termin darauf hin, dass die Gifte aus den glimmenden Stängeln viele Millionen Menschen töten, noch mehr als Unfälle, Aids, Alkohol und Drogen. Diesmal ist aber auch dieser bisher einzigartige Rechtsstreit ein Thema, denn erstmals zerrt ein Unternehmen der Nikotinindustrie eine Nation vor den Kadi.

Gegenüber stehen sich ein wirtschaftliches Schwergewicht und ein flaches Land mit 3,5 Millionen Einwohnern, guten Fußballern, dem Jetset-Seebad Punta del Este, vielen Kühen und dem Ruf, die Schweiz des südlichen Amerikas gewesen zu sein. Philip Morris setzt jährlich mehr Geld um als die uruguayische Volkswirtschaft - Zeitungen entdecken eine ungewöhnliche Form des Duells von David gegen Goliath. Für Newsweek ist dies "die Mutter asymmetrischer Schlachten". Doch es geht um mehr.

"Die Welt ist auf der Seite"

Philip Morris wolle mit dem Prozess Herausforderer einschüchtern, erläuterte der uruguayische Kardiologe und Berater Eduardo Blanco der BBC. Denn in entwickelten Staaten geht die Zahl der Raucher deutlich zurück, in Deutschland wurden 2010 täglich 229 Millionen Zigaretten abgebrannt, 40 Prozent weniger als 2000. Auch Uruguayer rauchen dank der Kampagne viel weniger. In ärmeren Gebieten wird dagegen mehr denn je gepafft, allein 21 Millionen indonesische Kinder greifen zum Tabak. Kritiker glauben, solchen Regionen solle die Klage gegen Uruguay als Warnung dienen.

Die Verklagten bekommen jedoch viel Beistand, inklusive Spenden für die Anwaltskosten. Sogar New Yorks konservativer Bürgermeister Michael Bloomberg unterstützt den linken Staatschef José Mujica, einen einstigen Guerillero. "Die Welt ist auf der Seite Uruguays", sagt auch der Aktivist Armando Peruga.

Und die Regierung in Montevideo bleibt hartnäckig. Als kürzlich der spanische Sänger Joaquín Sabina bei einer Pressekonferenz im Sheraton-Hotel von Montevideo einen Aschenbecher entdeckte und rauchte, da wurde es teuer: Wegen Verstoßes gegen das Nichtrauchergesetz soll das Hotel bis zu 11.000 Dollar Strafe zahlen.

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