Führungspersönlichkeiten im Job:Achtung, gefährlicher Kollege!

Sie sind zielstrebig, charmant, machtbewusst - und wirken wie die geborenen Chefs. Doch hinter der Fassade besonders alerter und extrovertierter Menschen können sich narzisstische oder sogar psychopathische Neigungen verbergen - mit verheerenden Folgen.

Barbara Galaktionow

Auf den ersten Blick wirken sie sehr überzeugend: Sie sind zielstrebig, gewandt im Umgang, charmant, können für ihre Sache begeistern - und scheinen damit über wesentliche Eigenschaften zu verfügen, die sie für eine Führungsposition prädestinieren.

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Manche Menschen überzeugen auf den ersten Blick durch ein sehr selbstsicheres und gewandtes Auftreten, doch hinter ihrer Fassade lauert ein Abgrund an Egoismus oder Ignoranz gegenüber den Gefühlen anderer, der das normale Maß bei Weitem übersteigt.

(Foto: iStockphoto.com)

Doch oft lohnt ein zweiter Blick: Denn hinter der Fassade extrem extrovertierter und brilliant wirkender Menschen kann eine ausgeprägte narzisstische oder psychopathische Neigung stecken. Und die kann zum Problem werden, für Kollegen und Mitarbeiter, aber auch für Unternehmen und Geldgeber.

"Führung bedeutet zu fünfzig Prozent, dass man kommuniziert. Menschen, die sich ohne Hemmungen in Diskussionen stürzen, Beziehungen anbahnen und Small Talk beherrschen, sind hier natürlich im Vorteil", sagt Professor Hans-Werner Bierhoff von der Ruhr-Universität Bochum. Und Narzissten könnten das sehr gut.

Hinzu komme ein ausgeprägtes Machtstreben. "Für Narzissten haben Macht, Erfolg und Ansehen einen hohen Wert", stellt der Sozialpsychologe fest, der sich seit Jahren mit dem Phänomen beschäftigt und unter anderem zusammen mit Psychologe Michael Jürgen Herner das Buch "Narzissmus - die Wiederkehr" veröffentlicht hat.

Narzisstische Menschen strebten nach leitenden Positionen - und erhielten sie auch oft. "Wenn Führungspositionen verteilt werden, werden sie eher von narzisstischen Personen übernommen", stellt Bierhoff fest. Zwar gebe es hierzu keine große repräsentative Studie, doch eine Vielzahl kleinerer Untersuchungen weise deutlich in diese Richtung.

Selbstüberschätzung und Gewissenlosigkeit

Eine interdisziplinäre Untersuchung der Uni Hohenheim, der Hochschule Reutlingen und der Deutschen Hochschule der Polizei zeigt nun zudem, dass Narzissten auch eine größere Neigung dazu haben, eigene Unternehmen zu gründen - ebenso wie Menschen mit psychopathischen Anlagen. In der dritten untersuchten Gruppe der sogenannten Machiavellisten, also manipulativ agierenden Machtmenschen, zeigte sich hingegen kein besonders ausgeprägter Wunsch nach einem eigenen Unternehmen.

Gemein sei diesen drei Persönlichkeitstypen, für die in der Psychologie der Begriff der "dunklen Triade" geprägt wurde, ihre starke Selbstfixiertheit und die Bereitschaft, eigene Ziele auf Kosten anderer durchzusetzen, sagt Dominik Schwarzinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Psychologie an der Universität Hohenheim.

Während Narzissten vor allem ihr überzogener Selbstwert kennzeichne, lägen zusätzliche Hauptmerkmale psychopathischer Neigungen in emotionalen Defiziten: der Gewissenlosigkeit und fehlenden Empathie gegenüber den Gefühlen anderer. Machiavellisten besäßen zwar eine sehr zynische Sicht auf den Menschen, unterschieden sich jedoch von den beiden anderen Gruppen darin, dass sie durchaus in der Lage seien, sich selbst und andere realistisch einzuschätzen.

Auch im Bereich von Unternehmensgründungen scheinen die problematischen Persönlichkeiten Charakterzüge mitzubringen, die Erfolg begünstigen. "Es gibt klassische Eigenschaften, die bei Existenzgründern immer wieder genannt werden: Selbstvertrauen, eine Neigung zu kalkulierten Risiken, geistige Unabhängigkeit, ein Streben nach Erfolg und der Glauben an die eigene Durchsetzungsfähigkeit", sagt Matthias Kramer, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Reutlingen im Bereich Entrepreneurship, der gemeinsam mit Schwarzinger sowie Petra Gelléri und Beate Cesinger von der Deutschen Hochschule der Polizei bzw. der Universität Hohenheim die Gründerstudie durchgeführt hat. "Einige dieser positiv besetzten Merkmale werden in übersteigerter Form auch mit Dunklen-Triade-Eigenschaften assoziiert."

Ihre Untersuchung an einer Gruppe von grundsätzlich gründungsinteressierten Studenten zeige überdies, dass sich vor allem Menschen mit narzisstischen, aber auch mit psychopathischen Anlagen selbst für besonders geeignet halten, eine eigene Firma zu leiten: Je höher die Narzissmus- bzw. Psychopathie-Werte bei Tests ausfielen, desto stärker war der Wunsch nach einem eigenen Unternehmen und desto mehr hatten die Testteilnehmer auch bereits unternommen, um ihrem Ziel näherzukommen.

Streben nach Macht - mit allen Mitteln

In der Gründerstudie zeigte sich allerdings auch die Kehrseite der problematischen Persönlichkeiten: So gaben sich Menschen mit höheren Narzissmus-Werten und der damit verbundenen übertrieben positiven Selbsteinschätzung allenfalls durchschnittlich viel Mühe bei der Erstellung eines Businessplans. Ähnlich sah es bei Menschen mit erhöhten psychopathischen Neigungen aus. Die machthungrigen, aber realistischeren Machiavellisten fertigten im Vergleich dazu die besseren Businesspläne.

Hier zeigte sich ein Phänomen, das auch aus anderen Studien bekannt ist: "Narzissten sind in der Arbeit grundsätzlich genauso gut wie andere Menschen, sie sind nicht dümmer, aber sie überschätzen sich - und die Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung und Realität ist riesig", sagt Kramer.

Die Forschergruppe entwickelt deshalb ein berufsbezogenes Testverfahren, mit dem Dunkle-Triade-Eigenschaften diagnostiziert werden können. Das könne Organisationen dabei helfen, die richtigen beziehungweise falschen Menschen für Positionen zu identifizieren, bei denen Chancen oder Risiken dunkler Persönlichkeitseigenschaften eine Rolle spielen, sagt Schwarzinger.

Zwar ist der Bevölkerungsanteil von Menschen mit massiven Persönlichkeitsstörungen eher gering - unterschiedliche Studien schätzen die Zahl dringend behandlungsbedürftiger Psychopathen auf Werte zwischen zwei und fünf Prozent der Bevölkerung. Extreme Narzissten machen Sozialpsychologe Bierhoff zufolge etwa sechs Prozent der Bevölkerung aus. Doch treten narzisstische und psychopathische Neigungen schon vorher in unterschiedlichen Abstufungen auf. So weisen laut Bierhoff immerhin 15 Prozent der Bevölkerung in Tests schon sehr ausgeprägte Narzissmus-Werte auf.

Und das besonders selbstüberzeugte Auftreten von Narzissten und subklinischen Psychopathen kann zum Problem werden - wenn nämlich Investoren dadurch darüber hinweggetäuscht werden, dass Geschäftsideen gar nicht so brilliant sind, wie sie zunächst scheinen. Aber auch auf Chefposten innerhalb bestehender Konzerne können Menschen mit deutlichen narzisstischen und psychopathischen Neigungen Schaden anrichten.

Hunger nach Kontrolle und Macht

So zeigte eine Untersuchung der Universität Amsterdam, dass Narzissten zwar für die besseren Chefs gehalten werden, die Leistungen von Gruppen mit Narzissten an der Spitze aber dadurch beeinträchtigt wurden, dass diese nicht alle relevanten Informationen auch weitergaben.

Hinzu kommt ein anderes Problem, dessen negative Folgen meist erst auf längere Sicht deutlich werden: Narzisstische Chefs, aber auch Kollegen reklamierten Erfolge für sich und neigten dazu, andere abzuwerten, sagt Sozialpsychologe Bierhoff. "In Gruppen mit narzisstischer Leitung führt die Überbetonung der eigenen Leistung dazu, dass sich Unzufriedenheit aufbaut", so Bierhoff. Denn wenn der Vorgesetzte nicht in der Lage sei, seine Mitarbeiter zu würdigen, werde dadurch auch die Förderung der Mitarbeiter beeinträchtigt.

Noch verheerender scheint sich die Beschäftigung von Menschen mit psychopathischen Neigungen auf Unternehmen auszuwirken. Einem Forschungsüberblick des Marketing-Experten Clive R. Boddy zufolge führt der unersättliche Hunger von psychopathisch veranlagten Menschen nach Macht, Kontrolle und Reichtum wie bei den Narzissten dazu, dass sie Erfolge für sich beanspruchen und Misserfolge anderen in die Schuhe schieben.

Doch damit nicht genug: Ihre völlig Gewissenlosigkeit, Angstfreiheit und Gefühlskälte gegenüber anderen lassen sie Boddy zufolge auch vor härteren Mitteln nicht zurückschrecken, so zum Beispiel dem gezielten Ausspielen unterschiedlicher Personen gegeneinander oder sogar Betrug.

Abstand? Empfehlenswert!

Doch was kann man tun, um sich im Berufsumfeld gegen Menschen mit solch dunklen Persönlichkeitsmerkmalen zu wehren? Was Psychopathen angeht, fällen von Boddy zitierte Wissenschaftler hier ein einhelliges Urteil: Man sollte die Firma verlassen. Es sei gefährlich, sich auf Machtkämpfe einzulassen, da psychopathisch veranlagte Menschen einen immer herzloser und strategischer attackieren könnten als man selbst im Gegenzug dazu in der Lage sei.

Ähnliche, wenn auch nicht ganz so drastische Maßnahmen empfiehlt Hans-Werner Bierhoff für den Umgang mit Narzissten: Es sei auf alle Fälle empfehlenswert, nur das für den Beruf Notwendige an Kontakt zu pflegen, denn es bestehe immer die Gefahr, dass narzisstische Vorgesetzte oder Kollegen einen ausnutzten. Und um das zu vermeiden, gäbe es nur eine Lösung - "möglichst große Distanz".

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