Offene Bestatter-Rechnungen:Bis zum letzten Euro

Bestatter warten immer häufiger auf ihr Geld: Die Zahlungsmoral vieler Hinterbliebener wird schlechter. Die Beerdingungsunternehmer verkaufen ihre Forderungen - ein Geschäft mit der letzten Rechnung.

Stefan Weber

Die Beisetzung des Ehemannes war würdevoll, doch die Rechnung gesalzen: Das Bestattungsunternehmen wollte von der alten Dame 7200 Euro. Viel Geld für die Witwe. Da traf es sich gut, dass der Bestatter eine Ratenzahlung anbot - über zwölf Monate, gegen eine Gebühr in Höhe von vier Prozent der Rechnungssumme. Die Seniorin hätte den Betrag aber auch über sechs Jahre abstottern können - "mit einem günstigen effektiven Jahreszins von 7,99 Prozent".

Gebüren fürs Grab werden immer teurer

Der Ostfriedhof in München.

(Foto: dpa)

Solche Finanzierungsangebote gehören inzwischen zum Standard im Bestattungsgewerbe. Sonst wären manche Hinterbliebene nicht in der Lage, die Kosten für ein Begräbnis zu tragen. Die Verstorbenen haben oft nicht finanziell vorgesorgt, und aus öffentlichen Kassen gibt es schon lange keine Unterstützung mehr. Seit 2004 zahlen die Krankenkassen kein Sterbegeld mehr. Damit hatten die Angehörigen früher zumindest einen Teil der Beerdigungskosten begleichen können.

Doch die bundesweit etwa 3800 hauptberuflich tätigen Bestatter sorgen sich nicht nur um die schwindende Finanzkraft der Hinterbliebenen. Viel ärgerlicher für sie ist, dass die Zahlungsmoral stark nachgelassen hat. Mehr als 850.000 Tote haben sie im vergangenen Jahr auf den Weg zur letzten Ruhe gebracht. Doch die Zeiten, in denen ihre Rechnung als Ehrenschuld galt und oft noch am selben Tag beglichen wurde, sind lange vorbei.

Zwar sprechen die Bestattungsunternehmen, die meist seit Generationen familiengeführt sind, ungern über Außenstände. Und auch Rolf Lichtner, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter, betont, dass die "offenen Forderungen nicht höher sind als in anderen Branchen". Aber im Kreis der Finanzunternehmen, die mit Beerdigungsfirmen zusammenarbeiten, fallen klare Worte. "Eine in der Tendenz abnehmende Zahlungsmoral ist auch in der Bestattungsbranche erkennbar", betont Günther Piff, Vorstandschef der Adelta Finanz AG. Die Firma bietet den Bestattern eine Dienstleistung, die unter Ärzten schon lange üblich ist: Gegen einen Abschlag bezahlt sie einen Teil der Außenstände in bar und versucht, die Schulden dann selbst einzutreiben. "Factoring" nennen Fachleute dieses Geschäft. Für die Bestatter kann das viele Vorteile haben: Sie erhalten kurzfristig Geld, müssen sich nicht um das Mahnwesen kümmern und haben keine Forderungsausfälle. Nach Schätzung von Verbandsmann Lichtner arbeiten etwa 600 Bestatter mit solchen Finanzdienstleistern zusammen.

Adelta ist seit elf Jahren in diesem sehr speziellen Geschäft aktiv und gilt als Marktführer. Als starke Nummer zwei hat sich die BF Bestattungsfinanz GmbH etabliert. Die Firma aus Hagen hat nach Schätzung von Marktkennern etwa 200 Kunden in der Bestattungsbranche. Seit kurzem ist BF Bestattungsfinanz Teil des Mischkonzerns der Neusser Familie Werhahn, die sonst mit Baustoffen, Schneidewaren ("Zwilling"-Messer), Immobilien und Bankgeschäften Geld verdient. Seinem Vorbesitzer, der Familie Kreke, zu deren Einflussbereich der Douglas-Konzern gehört, hatte die Bestattungsfinanz wenig Freude bereitet. Gut im Geschäft mit der letzten Ruhe ist auch Crefo Factoring, eine Tochter der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Sie alle setzten darauf, dass schon bald noch mehr Bestatter auf ihre Dienste zurückgreifen - aus Sorge, dass Rechnungen unbezahlt bleiben.

Verbandsmann Lichtner sagt dagegen, die Factoring-Firmen hätten zuletzt kaum noch Zulauf gehabt: "Deren Boomzeiten sind vorbei." Er glaubt, künftig würden mehr Menschen Vorsorge treffen - etwa indem sie Geld treuhänderisch anlegen. Sein Wort in Gottes Ohr.

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