Reden wir über Geld: Christoph Kuckelkorn:Einmal im Jahr König

Der Karnevalist und Bestatter Christoph Kuckelkorn über Feiern und Sterben, billige Särge - und die Gemeinsamkeiten von Totengräbern und Clowns.

Caspar Dohmen

Christoph Kuckelkorn verdient sein Geld als Totengräber. In fünfter Generation führt er in Köln eine Bestattungsfirma. Doch daneben hat der 45-Jährige noch eine ganz andere Identität: Karnevalist. Seit vier Jahren leitet er den Rosenmontagszug, in Köln ein zentrales Amt. Ein Gespräch über Tod, Karneval und die Inszenierungen in beiden Fällen.

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Hat immer von der Leitung des Rosenmontagszugs geträumt: Christoph Kuckelkorn.

(Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr Kuckelkorn, reden wir über Geld. Sie sind als Bestatter ständig mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert. Wirkt sich dies auf Ihren Umgang mit Geld aus?

Kuckelkorn: Ich lebe sehr bewusst und mache viele Dinge sofort.

SZ: Sagen Sie uns ein Beispiel.

Kuckelkorn: Wenn ich heute Abend in den Schrank greife und da liegt die teuerste Flasche Wein vorne, dann trinke ich die und warte nicht bis Weihnachten. Außerdem ergreife ich die Chancen, die sich mir im Leben bieten.

SZ: So wie die Leitung des Kölner Rosenmontagszugs...

Kuckelkorn: Ja. Vielleicht kam das Angebot ein wenig früh - ich war erst 41 Jahre, aber ich hatte immer davon geträumt. Schließlich ist es das schönste Ehrenamt, welches man in Köln ausüben kann.

SZ: Schöner als der Präsidentensessel beim 1. FC Köln?

Kuckelkorn: Klar, zumal das Amt des Zugleiters rein positiv besetzt ist. Ich bin Zeremonienmeister für das wichtigste Fest der Stadt und kann es gestalten. Gleichzeitig kann ich helfen, der Gesellschaft den Narrenspiegel vorzuhalten und politische Anstöße geben.

SZ: Was investiert jemand, um beim Rosenmontagszug mitzugehen?

Kuckelkorn: Jeder bezahlt sein Kostüm, die Versicherung gegen einen möglichen Unfall beim Zug sowie die Kamelle und sonstiges Wurfmaterial - da kann einiges zusammenkommen: Geht jemand zu Fuß, sind es vielleicht 200 Euro. Auf einem Wagen kostet es locker 5000 Euro.

SZ: Wer leistet sich dies?

Kuckelkorn: Manager genauso wie der Fließbandarbeiter von Ford. Mancher will eben einmal im Jahr König sein.

SZ: Und dafür sparen die Menschen?

Kuckelkorn: In unserer als egoistisch verschrienen Zeit verzichten einige auf den Sommerurlaub, um beim Zug mitzugehen und Süßigkeiten und Blumen an wildfremde Menschen zu verschenken.

SZ: Was bedeutet es, einmal im Jahr König zu sein?

Kuckelkorn: Sie stehen oben auf dem Wagen und die Menschenmasse jubelt ihnen zu - so stelle ich es mir ein bisschen vor, wenn die Feldherren früher nach einer gewonnenen Schlacht nach Rom zurückkamen. Neben dem Feldherrn stand dabei immer ein Sklave, der ihn ermahnte: "Bedenke, du bist nur ein Mensch". Die Begeisterung und die Erwartung der eineinhalb Millionen Menschen zu spüren ist ein einmaliges Gänsehaut-Gefühl.

SZ: Sie sind Bestatter. Tagsüber Tod und Trauer, abends Clowns und Schunkeln. Geht das?

Kuckelkorn: Ja, weil ich sehr schnell umschalten kann. Grundsätzlich sehe ich auch mehr Verbindendes als Trennendes zwischen meinem Beruf und meinem Hobby. Es geht doch immer um Inszenierungen, mit denen Emotionen geweckt werden.

SZ: Sie haben schon verschiedene Prominente beerdigt, den Volksschauspieler Willy Millowitsch, den SPD-Politiker Hans-Jürgen Wischnewski. Was kostet ein großes Begräbnis?

Kuckelkorn: Da gibt es große Unterschiede, je nachdem worauf die Hinterbliebenen Wert legen. Es gibt hinsichtlich des Arrangements heute praktisch keine Mittelschichten- oder Oberklassenbeerdigungen mehr, bei denen sich alle Leistungen auf gleichhohem Niveau befunden haben, zum Beispiel teurer Sarg, aufwendigste Dekorationen, opulentes Essen nach der Beerdigung und so weiter.

SZ: Sondern?

Kuckelkorn: Die Menschen verhalten sich bei Beerdigungen genau wie beim Einkauf, da greifen sie im Feinkostladen beim Fisch zu und kaufen die Nudeln im Discounter.

SZ: Was bedeutet das?

Kuckelkorn: Manch einer legt viel Wert auf einen teuren Sarg und spart an der Trauerfeier. Jemand anders kauft einen billigen Kiefernsarg und bezahlt einem Streichquartett für eine halbe Stunde 1200 Euro.

SZ: Was kosten die teuersten Särge?

Kuckelkorn: Bei Serienfertigung bis zu 15.000 Euro. So viel kostet etwa ein Sarg aus Wurzelhölzern, der mit wertvollen Stoffen ausgekleidet ist. Aber es geht durchaus noch teurer, wenn Sie eine Sonderanfertigung machen lassen.

SZ: Und was kostet der Kiefernsarg?

Kuckelkorn: Zwischen 500 und 600 Euro.

SZ: Jedes Jahr sterben in Deutschland 840.000 Menschen. Bleibt Ihr Geschäft immer gleich?

Kuckelkorn: Nein. Es gibt eben immer mehr mittellose Menschen, dies zeigt sich gerade in der Wirtschaftskrise. Seitdem die Krankenkassen die Beerdigung nicht mehr bezahlen, fehlt in manchem Haushalt schlicht das Geld dafür.

5000 Arbeitsplätze hängen am Karneval

SZ: In den vergangenen zehn Jahren sanken die Umsätze der Bestatter um ein Fünftel. Ist das Geschäft härter?

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In der fünften Jahrezeit: In Köln sind seit Mittwoch wieder die Jecken los.

(Foto: Foto: dpa)

Kuckelkorn: Ja. Wenn bei einem älteren Ehepaar ein Partner stirbt, wird der Hinterbliebene kaum die Preise der Bestatter vergleichen. Aber es gibt sicher einen Enkel, der im Internet schaut und der Oma oder dem Opa sagt, wo es am günstigsten ist.

SZ: Profitieren Sie als Unternehmer von Ihrer Rolle im Karneval?

Kuckelkorn: Wir haben als Mitglieder des Festkomitees einen Ehrenkodex, der verbietet Geschäfte mit dem Karneval. Vielleicht kommt der eine oder andere Kunde in mein Bestattungsunternehmen, weil er meinen Namen wiedererkennt. Viele kommen aber auch gerade nicht, weil ich im Karneval engagiert bin.

SZ: Gibt es nicht Menschen, die gerade wegen der geschäftlichen Beziehungen Mitglied eines Karnevalsvereins werden, so wie andere zum Tennisverein gehen?

Kuckelkorn: Sicher gibt es die. Aber nehmen Sie mein Korps, die Blauen Funken. Neue Mitglieder müssen erst einmal ein Jahr nebenher laufen. Wenn man erkennt, der ist nur hinter den Kontakten her, dann wird er isoliert.

SZ: Die Kölner Karnevalsband Bläck Fööss spricht wegen der zunehmenden Kommerzialisierung von einer Ballermannisierung des Karnevals.

Kuckelkorn: Es gibt eine ziemliche Geschäftemacherei. Da versuchen Firmen vom Karneval zu profitieren, der erst durch das ehrenamtliche Engagement vieler Menschen in dieser Stadt möglich ist. Wir versuchen gegenzusteuern.

SZ: Wie zum Beispiel?

Kuckelkorn: Es gibt etwa Vereine, deren Sitzungen schlecht besucht sind und die in finanziellen Nöten sind. Gleichzeitig gibt es im gleichen Viertel eine Firma, die ihnen Konkurrenz mit einer Firmensitzung macht. Wir bringen beide zusammen, so dass es nur eine Sitzung gibt.

SZ: Wie wichtig ist der Karneval als Wirtschaftsfaktor?

Kuckelkorn (zieht eine Studie aus dem Schreibtisch): Daran hängen etwa 5000 Arbeitsplätze und Millionen Steuereinnahmen. Außerdem führt jeder Verein soziale Projekte wie Sitzungen in Altenheimen oder Krankenhäusern durch.

SZ: Sie haben den Kölner Rosenmontagszug bisher frei von Werbung gehalten. Wie wichtig ist das?

Kuckelkorn: Nur so sind wir frei in unserer Themenwahl. Stellen Sie sich vor, eine große Bank wirbt. Dann müssten wir uns Gedanken machen, dass wir den Sponsor mit einem bestimmten Motiv über die Finanzkrise verärgern.

SZ: Gab es schon einmal Angebote von Sponsoren, die man kaum ablehnen kann, weil sie so lukrativ sind?

Kuckelkorn: Häufig. Firmen wollen beispielsweise Wurfmaterial stiften, um für ihre Produkte zu werben - wir haben das immer abgelehnt. Es gibt aber auch viele Firmen, die sich als Mäzen vorbildlich verhalten. Ford stellt seit 40 Jahren die Fahrzeuge für den Zug, die werden aber so verkleidet, dass man die Marke kaum erkennen kann.

SZ: Tod oder Geld - was ist das größere Tabu in unserer Gesellschaft?

Kuckelkorn: Immer noch der Tod. Über Geld reden die Leute gerade derzeit viel. Deswegen kann man mit dem Tod auch immer noch am meisten provozieren.

SZ: Auch im Karneval...

Kuckelkorn: Ja, schauen Sie auf den Totenkopf mit den beiden gekreuzten Schädelknochen, der war beim letzten Zug an meinem Wagen befestigt.

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