Nukleargipfel in Seoul:Mikrofon-Panne bringt Obama in Bedrängnis

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Peinliches Geplauder: US-Präsident Obama verrät beim Atomgipfel in Südkorea nicht nur seinem Amtskollegen Medwedjew, dass er nach seiner Wahl in Sachen Raketenabwehr "flexibler" sein werde. Ein versehentlich eingeschaltetes Mikrofon könnte nun den Wahlkampf in den USA beeinflussen.

Da führen die Präsidenten zweier Weltmächte vertrauliche Gespräche und die Welt hört mit: Durch eine Mikrofon-Panne beim Nukleargipfel in Seoul wurde ein Wortwechsel zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem russischen Amtskollegen Dmitrij Medwedjew öffentlich.

Dabei sagte Obama zu Medwedjew, nach der US-Präsidentschaftswahl im November werde er über mehr Flexibilität in Sachen Raketenabwehr verfügen. "Das ist meine letzte Wahl", sagte Obama zu Medwedjew - und fügte dann hinzu: "Nach meiner Wahl werde ich flexibler sein." Einer Aufnahme des US-Fernsehsenders ABC zufolge antwortete Medwedjew: "Ich verstehe. Ich werde diese Information an Wladimir (Putin) weitergeben."

Die oppositionellen US-Republikaner reagierten mit scharfer Kritik. Sie werfen Obama vor, eine geheime Agenda zu haben, die Zugeständnisse an Moskau umfasse, falls er im Herbst erneut ins Weiße Haus einziehen werde. Der frühere Gouverneur von Massachusetts und mögliche republikanische Herausforderer Obamas bei der Präsidentschaftswahl, Mitt Romney, forderte, dass Obama die US-Öffentlichkeit über seine "wahre Agenda" informieren müsse.

Obama wies die Vorwürfe zurück. Das Weiße Haus versicherte, es sei entschlossen, trotz russischer Widerstände das geplante Raketenabwehrsystem in Europa umzusetzen. Allerdings sei Zeit notwendig, um mit Russland zu einer Vereinbarung zu kommen. Obamas Wahlkampfsprecher Ben LaBolt sagte, Romney "untergräbt seine Glaubwürdigkeit durch die verzerrende Darstellung". In der Außenpolitik habe er lediglich "leere Worthülsen" anzubieten, "keine konkreten Pläne zur Verbesserung unserer Sicherheit oder Stärkung unserer Bündnisse".

Russland betrachtet den Nato-Raketenschild mit einem weitreichenden Radarsystem in der Türkei sowie US-Abfangraketen in Rumänien und Polen als Bedrohung eigener strategischer Interessen. Die US-Regierung versichert, dass der Raketenschild der Abwehr von Mittelstreckenraketen etwa aus Iran dienen solle.

Staatschefs wollen Nuklearmaterial besser sichern

Während Russland und die USA bilateral über die Raketenabwehr verhandelten, verständigten sich die Teilnehmer des Atomgipfels auf mehr gemeinsames Engagement, um Nuklearmaterial auf der Welt zu sichern und Missbrauch dieser Substanzen durch Terroristen zu verhindern. Obama warnte vor einer anhaltenden Gefahr durch nuklearen Terrorismus: "Die Bedrohung ist weiter da." Die Sicherheit der Welt hänge in dieser Frage vom Handeln der internationalen Gemeinschaft ab, mahnte Obama.

Außenminister Guido Westerwelle, der Bundeskanzlerin Angela Merkel vertrat, sprach von einer globalen Herausforderung. In Zeiten von Globalisierung und internationalem Terrorismus könne die mangelnde Sicherung von Nuklearmaterial in einem einzigen Land die Sicherheit vieler Staaten beeinträchtigen. Der deutsche Chefdiplomat mahnte dabei, das auch zivil genutzte Substanzen eine Gefahr seien und für "schmutzige Bomben" missbraucht werden könnten.

Staats- und Regierungschefs und Außenminister aus mehr als 50 Ländern bekennen sich in dem Entwurf des Abschlussdokuments zu dem bereits 2010 vereinbarten Ziel, bis 2014 jegliches atomwaffenfähiges Material auf der Welt zu sichern. Neben dem neuen Fokus auf zivil genutzte Substanzen soll auch der Schutz beim Transport von radioaktivem Material verbessert werden, ebenso die Instrumente der nuklearen Forensik, die es möglich machen, die Herkunft solcher Materialien nachzuverfolgen. Die beteiligten Staaten wünschen sich eine internationale Sicherheitsarchitektur und wollen ihre Bemühungen mit Hilfe der Internationalen Atomenergiebehörde besser koordinieren.

Mehr als Willensbekundungen liefert das Abschlussdokument aber nicht. Die Bemühungen sind ausdrücklich freiwillig. Laut Entwurf stehen bereits die Niederlande als Ort für den nächsten Nukleargipfel 2014 fest.

© Süddeutsche.de/dapd/AFP/sebi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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