Fußball-EM in der Ukraine:Ablenkung von den wichtigeren Problemen

Vor der Fußball-EM empören sich Fans und Verantwortliche über den teils grausamen Umgang mit streunenden Hunden in der Ukraine. Alle geben sich empört, auch Vertreter des Fußballverbandes. Dabei dient die Debatte auch als Ablenkung von nicht weniger wichtigen Fragen - doch da hält sich die Uefa plötzlich zurück.

Johannes Aumüller

Zehntausende freilaufende Hunde gibt es in der Ukraine, und bisweilen scheint es, als habe der Gastgeber der bald beginnenden Fußball-EM keine größeren Probleme als freilaufende Hunde. Seit Monaten wird über einen teilweise grausamen Umgang mit den Tieren berichtet, die den Fußballsommer nicht stören sollen, in diesen Tagen intensiviert sich diese Debatte noch einmal.

Hunde-Tötungen in der Ukraine

Demonstration in der Ukraine gegen die Tötung von Straßenhunden: Es scheint bisweilen, als habe der Gastgeber der Fußball-EM keine größeren Probleme als freilaufende Hunde.

(Foto: dpa)

Da sind die ukrainischen Verantwortlichen, die stolz verkünden, dass es nun den ersten Prozess gegen einen "Doghunter" gebe, der Hunde mit brennenden Zigaretten malträtiert haben soll; da sind Tierschutzorganisationen, deren Recherchen zufolge sich das Problem noch verschärft; und da sind viele Einwohner, die tatsächlich Angst vor aggressiven und tollwutgefährdeten Hunden haben.

Es ist eine sehr emotionale Debatte, und wer sich die im Netz kursierenden Bilder von Hundetötungen anschaut, kann diese Emotionen auch verstehen. Doch zugleich ist es eine Debatte, die der Fußball-Öffentlichkeit als Ablenkung von nicht weniger wichtigen Fragen dient.

Als im vergangenen November anlässlich eines Testspiels der DFB-Elf in Kiew die Berichterstattung über das Thema anschwoll, gaben sich alle empört, von den Hundebesitzern unter den deutschen Spielern bis zu den Vertretern des Europäischen Fußballverbandes Uefa.

Dieser kontaktierte die ukrainische Behörden, spendete an Tierschutzorganisationen - und hatte sicher seinen Anteil daran, dass die Regierung in Kiew formal beschloss, das Töten streunender Hunde zu bestrafen. Auch die großen Sponsoren intervenierten: Sie fürchten, in die Hunde-Geschichte hineingezogen zu werden.

Dieser Protest war ja durchaus begrüßenswert. Doch umso mehr würde man sich einen solchen Einsatz auch bei anderen Problemen der Ukraine wünschen. Erst kürzlich gab es in diesem Land einen offenkundig politisch motivierten Prozess gegen die frühere Regierungschefin Julija Timoschenko, die seitdem unter unwürdigen Bedingungen im Gefängnis sitzt. Mit aller Macht unterdrückt die Regierung die Opposition, was schon zu scharfen politischen Reaktionen aus Europa und den USA führte. Für viele Beobachter ist die Pressefreiheit zusehends in Gefahr.

Das alles könnten die Funktionäre rund um die EM wunderbar thematisieren. Doch als Abgeordnete des Europäischen Parlamentes den Uefa-Chef Michel Platini kürzlich um eine Stellungnahme zur politischen Situation in der Ukraine baten, da lautete dessen Antwort nur: Die Uefa sei keine politische Organisation und könne demzufolge keine Bewertung zu diesen Themen vornehmen.

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