Sport im US-Wahlkampf:Der Präsident muss ein Athlet sein

Die Wirtschaftslage ist wichtig für die Wahl in den USA. Auch. Viele Amerikaner schauen bei den Präsidentschaftskandidaten Obama und Romney aber auf ganz andere Qualitäten. Zum Beispiel: Kann ich mir vorstellen, mit dem Präsidenten bei einem Bier ein Footballspiel anschauen? Und da hat Romney ein Problem.

Gökalp Babayigit

Barack Obama, Bruce Bowen

"Das improvisierte Kreative, die Fluidität des Spiels, der Teamgedanke - das alles passt zu Obamas Regierungsstil": Barack Obama und der ehemalige NBA-Spieler Bruce Bowen beim jährlichen "White House Easter Roll" am 9. April, bei dem der Präsident seinen Lieblingssport ausübte.

(Foto: AP)

Weiß irgendjemand, welche Chancen Angela Merkel dem FC Bayern beim DFB-Pokalfinale einräumt? Oder wen sie bei der Fußball-EM in der "Todesgruppe" B - neben Deutschland natürlich - in die K.o.-Runde einziehen sieht? Man kann sich zwar ungefähr vorstellen, mit welcher diplomatischen Oberflächlichkeit Steffen Seibert diese Fragen beantworten würde ("Die Kanzlerin wünscht allen beteiligten Mannschaften viel Glück"). Aber: Nein, man will es im Grunde gar nicht wissen.

In Amerika ist das anders. Ganz anders. Mag es doch kein großes Geheimnis mehr sein, dass Sport in den USA eine irgendwie wichtigere Rolle einnimmt als hierzulande, so ist es doch erstaunlich, wie nachhaltig und vollständig der Sport - und das Reden über Sport - alles, wirklich alles durchdringt: das Büro, das Fernsehen, die Nachrichten, das Bildungswesen, und ja, auch die Politik und den aktuellen Wahlkampf.

Das Duell zwischen Obama und Romney, das nach dem Rückzug von Rick Santorum praktisch feststeht, wird ein Gefecht auf mehreren Ebenen, das beiden Kontrahenten unterschiedliche Qualitäten abfordert. Klar wird es vor allem die US-Wirtschaft sein, die den Wähler am meisten beschäftigen wird: Behalte ich meinen Job, wenn Obama Präsident wird? Traue ich Romney zu, Jobs für mich zu schaffen? Vor allem die wirtschaftliche Situation - sollte sie sich nicht signifikant verbessern - wird Romney für seine Zwecke instrumentalisieren.

Ein anderes Narrativ wird der Herausforderer aber wohl nicht nutzen können, um Obama zu schaden: jenes, das die Geschichte des Intellektuellen Obama erzählt, des abgehobenen Elitisten und Professoren, mit dem der Durchschnittsamerikaner einfach nicht warm wird. Womit wir wieder bei Merkel und dem DFB-Pokalfinale wären: Denn für Obama ist es der Sport, mit dessen Hilfe er Volksnähe beweisen will und beweist - und einen klaren Punktsieg gegen Romney landet.

Kann ich mit dem Mann im Wohnzimmer sitzen und bei einem Bier ein Footballspiel anschauen? Das mag nicht mehr die Frage sein, die sich der Wähler in der Wahlkabine stellt. Und doch: Spin Doktoren beider Wahlkampflager räumen diesem Thema große Wichtigkeit ein. Es soll also die Wahl mitentscheiden, dass Obama zu bester Sendezeit beim Sportkanal ESPN das beim amerikanischen Volk sehr beliebte Turnier der College-Basketballmannschaften durchgetippt und dabei seine Tipps faktensicher begründet hat? (Dass er dabei vor allem Teams aus umkämpften Swing States weit kommen sah, überraschte die politischen Kommentatoren kaum). Der amerikanische Kommunikationswissenschaftler Mike Butterworth beschäftigt sich viel mit dem Zusammenspiel von Sport und Politik. Er sagt auf meine Frage beinahe zähneknirschend: "Es sollte wahrscheinlich nicht wichtig sein, aber wahrscheinlich wird es wichtig."

Für den einstigen Harvard-Studenten Obama gibt es keinen besseren Zugang als sein eigenes Hobby Basketball, um sich mit der Verwendung von Rhetorik, Fachbegriffen und sporteigenem Jargon für einen Platz auf der Wohnzimmercouch zu qualifizieren. Wer Obama in gar nicht staatsmännischer Sprache, sondern mit der lockeren Beiläufigkeit eines echten Kenners über die Stärken und Schwächen von College-Basketballteams parlieren hört, ertappt sich selbst bei dem Gedanken: Das ist kein auswendig gelerntes Skript, mit dem Mann im Weißen Haus kann man tatsächlich über Sport reden.

Basketball und Obama, das passt

Obama nutzt seine Vorliebe für den Teamsport gleich für zwei Dinge. Michael Butterworth, der einige kluge Aufsätze über die Symbolik und Mythologie der amerikanischen Sportarten geschrieben hat, sieht Stilelemente im Basketball, mit denen sich Obama nur allzu gerne assoziiert sähe: "Das improvisierte Kreative, die Fluidität des Spiels, der Teamgedanke - das alles passt zu Obamas Regierungsstil."

Und Romney? Versucht es auch, scheitert aber in etwa so kläglich, wie Merkel wohl bei der Todesgruppenfrage scheitern würde. Als er gefragt wurde, auf welche College-Basketballteams er tippe, wiegelte er ab. Er sei da nicht so drin, liebe aber Sport und habe auch einige Freunde, denen Nascar-Rennställe oder Profifootballteams gehörten. Stockcar-Rennen wie die Daytona 500 erfreuen sich in den für Republikaner so wichtigen Südstaaten zwar enormer Beliebtheit. Aber ausgerechnet darauf zu verweisen, mit den superreichen Besitzern befreundet zu sein, unterstrich eher Romneys Probleme mit der so wichtigen Volksnähe.

Zu sehr Establishment

Wie fatal ein tollpatschiger Auftritt vor sportverrückten Amerikanern sein kann, hat nicht zuletzt der Demokrat John Kerry beim Wahlkampf 2004 erfahren müssen. Während einer Rede in Wisconsin, dem Heimatstaat der unfassbar beliebten Green Bay Packers, nannte Kerry das Stadion der Footballmannschaft beim falschen Namen. Der Aufschrei war unvergleichlich: Den Medien war fast egal, worüber Kerry eigentlich gesprochen hatte. Der Demokrat hatte Lambeau Field als Lambert Field bezeichnet, mehr mussten die Menschen in Wisconsin nicht wissen.

Die Episode um den Oststaaten-Intellektuellen Kerry deutet das an, was laut Butterworth das überwölbende Problem darstellt: "Der Anti-Intellektualismus hat lange Tradition in Amerika. Man darf als Politiker ja nicht als zu intelligent, als 'zu sehr Establishment' wirken", sagt er. "Das Motto ist: 'Wenn Du der smarteste Typ im Raum bist, dann können wir Dir nicht trauen.'"

Diesen Anti-Intellektualismus hätte Rick Santorum gut gegen Obama nutzen können. Romney kann das nicht. Er ist wie Obama Harvard-Absolvent. Und im Vergleich zum Präsidenten kennt er sich kaum im College-Basketball aus.

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