Linkspartei eröffnet Wahlkampf in NRW:Sechzig Leute und ein Hund

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Einst verhalf die NRW-Linke der SPD zu Mehrheiten, das rächt sich nun im Wahlkampf. Für die Partei um Spitzenkandidatin Katharina Schwabedissen geht es dieses Mal darum, ihre gesamtdeutsche Daseinsberechtigung zu verteidigen. Viel Optimismus versprüht sie dabei nicht.

Bernd Dörries, Bielefeld

"So ein Wahlkampf kann ganz viel Spaß machen", sagt Katharina Schwabedissen und verzieht dabei keine Miene, hält ihre Arme vor der Brust verschränkt. Die Spitzenkandidatin der Partei Die Linke sitzt am Mittwochabend in der Bürgerwache in Bielefeld, um den Wahlkampf in Ostwestfalen zu eröffnen.

"Die Krise wird Deutschland schon noch erreichen": Katharina Schwabedissen, Spitzenkandidatin der Linkspartei bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. (Foto: dapd)

Es ist eine interessante Taktik, die die Linken sich ausgedacht haben. Sie starten später als die Konkurrenz und tun dies fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die anderen Parteien haben Bühnen aufgebaut, im Zentrum des Landes, die Linken hingegen sind nach Bielefeld gegangen. Etwa sechzig Leute sind gekommen und ein Hund, es gibt Bier, das man sich aus einem Kasten nehmen kann, und Sprudel.

Also, sagt Katharina Schwabedissen. "Wie sieht es aus, ich könnte mich hier hinsetzen und sagen, dass wir ganz sicher sind, dass wir wieder in den Landtag einziehen." Das tut sie aber nicht. Dann fällt das große Banner der Partei vom Tisch.

Es ist ein schwieriger Wahlkampf, den die Linke da führt, sie kämpft dagegen an, der große Verlierer der Neuwahlen am 13. Mai zu sein. Als die Partei 2010 mit 5,6 Prozent erstmals in den Düsseldorfer Landtag kam, wertete sie dies als einen Beleg, nun endgültig auch im Westen angekommen zu sein, für die gelungene Fusion von WASG und PDS. Zwei Jahre später geht es nun darum, eine gesamtdeutsche Daseinsberechtigung zu verteidigen.

Hauptproblem der Linken ist, dass die Politik von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) von vielen Bürgern als sozial ausgewogen wahrgenommen wird. Die Studiengebühren wurden abgeschafft, ein beitragsfreies Kindergartenjahr eingeführt. Die Linke hatte bei ihrem Einzug in den Landtag die Stimmen vieler enttäuschter Gewerkschafter bekommen, Kraft konnte die Reihen wieder schließen, sie machte den ehemaligen DGB-Landeschef Guntram Schneider zum Arbeitsminister, die Koalition beschloss ein umfangreiches Personalvertretungsgesetz.

Auf den Veranstaltungen der anderen Parteien ist auch viel von den Problemen die Rede, bei den Linken bekommt man aber das Gefühl, in einer von Grund auf schlechten Welt zu leben. Verhungernde Kinder in Griechenland, Herrschaftsverhältnisse einer Klassengesellschaft, Politiker sind alle Verbrecher, Peter Hartz noch immer auf freiem Fuß. Das sind die Schlagworte des Abends, die Mundwinkel von Schwabedissen sinken immer weiter nach unten, die Augen werden immer größer. Es ist, als sei sie selbst erstaunt über das Ausmaß all dieser Ungeheuerlichkeiten. Es ist der Tag, an dem bekannt wird, dass die Wirtschaftsinstitute von einem guten Wachstum in Deutschland ausgehen.

"Die Krise wird Deutschland schon noch erreichen", sagt Schwabedissen trotzig. Dem Land geht es offenbar besser als den Linken lieb sein kann. In den Umfragen liegen sie derzeit zwischen drei und vier Prozent, weit hinter den Piraten, die auch in Nordrhein-Westfalen auf zweistellige Ergebnisse kommen.

"Das beste Mittel gegen die Piraten ist, dass ihr präsent seid ", sagt Schwabedissen. "Die Linke ist immer noch das beste Vehikel für den Protest." Andere Parteien wehren sich gegen den Vorwurf, nur eine Protestpartei zu sein. Die Linke wäre es gerne, hat aber Probleme, den Protest anzuziehen.

Das war anders, als die Linken in den Landtag einzogen, da waren sie das Zünglein an der Waage, der Mehrheitsbeschaffer der Minderheitsregierung. Die Abgeordneten, in der Partei auch der "Elferrat" genannt, galten selbst für Linke-Verhältnisse als "Hort des Wahnsinns". Stundenlang wurde in Sondierungsgesprächen mit der SPD über die DDR und die Mauer gesprochen.

Im Parlament aber machten sie dann gar keine schlechte Figur. Der mittlerweile schwer erkrankte Fraktionschef Wolfgang Zimmermann genoss auch den Respekt der anderen Parteien. Immer wieder verhalfen die Linken Rot-Grün zur Mehrheit. Und immer wuchsen bei den Linken die Sorgen, selbst der große Verlierer dieser Politik zu sein.

"Der Wähler findet unser Programm gut", ist Schwabedissen überzeugt. Manchmal ist der Wähler aber auch ein schwieriger Geselle. Am Mittwochabend in Bielefeld meldet sich "der Uli" zu Wort und berichtet, dass an den Infoständen Sachthemen keine Rolle spielen würden. "Man wird immer gefragt, was ist mit eurer Führung los, aber inhaltlich nix." Der Rücktritt von Gesine Lötzsch vom Bundesvorsitz hat die Stimmung nicht eben verbessert.

In Nordrhein-Westfalen hatten viele gehofft, Sahra Wagenknecht würde sich noch kurzfristig zu einer Spitzenkandidatur durchringen. Gewählt hat die Partei dann Schwabedissen, mit schwachen 70 Prozent. "Es wird ein harter Kampf", sagt sie am Ende des Abends. Die Anwesenden klatschen nicht euphorisch, sie klopfen mit den Handknöcheln auf die Tische.

© SZ vom 20.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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