Geplantes Attentat auf Flugzeug:Agent der CIA vereitelte Al-Qaida-Terroranschlag

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Die Terroristen hatten dem falschen Mann vertraut: Offenbar hat al-Qaida einen Mitarbeiter des US-Geheimdiensts CIA ausgewählt, um eine Bombe an Bord eines in die USA fliegenden Flugzeugs zu zünden. Der Coup zeigt auch, wie gefährlich das Terrornetzwerk in Jemen inzwischen ist. Die Bombe war so raffiniert in einer Unterhose versteckt, dass sie bei Kontrollen nur schwer zu entdecken gewesen wäre.

Matthias Kolb, Washington

Der Mann muss seinen Hass auf Amerika glaubwürdig gespielt haben. Bei einem Treffen des Al-Qaida-Netzwerks auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) hatte er sich als Selbstmordattentäter gemeldet und war von Terrorchefs ausgewählt worden. Sein Auftrag: Aus dem Jemen ausreisen und mit einer speziellen Bombe am Körper ein Linienflugzeug auf dem Weg nach Amerika zum Absturz bringen.

Explosive Wäsche: Das FBI veröffentlichte bereits im Jahr 2009 ein Bild einer mit einer Bombe präparierten Unterhose. (Foto: dpa)

Doch der leidenschaftliche Gotteskrieger war in Wahrheit ein Maulwurf: Nach Berichten verschiedener US-Medien arbeitete er als Agent für die CIA und andere Geheimdienste. Die Sprengvorrichtung übergab er in den Vereinigten Arabischen Emiraten den Amerikanern. Die Geschichte erinnert nicht nur ABC News an den "Mission Impossible"-Film mit Tom Cruise in der Hauptrolle. "Es ist eine ziemliche Leistung, bei den Al-Qaida-Leuten als Terrorist durchzugehen, wenn man in Wahrheit für die Amerikaner und deren verbündete Geheimdienste arbeitet", sagt Richard Clarke, einst Anti-Terrorberater von Bill Clinton und George W. Bush, dem TV-Sender voller Anerkennung. Die New York Times spricht von einem "Coup".

Der Agent hatte mehrere Wochen unter den Dschihadisten im Jemen gelebt und lieferte neben der Bombe wertvolle Informationen über die Führungsstruktur des Al-Qaida-Ablegers. Sie führten unter anderem zur Tötung von Fahd al-Quso durch einen gezielten Drohnenangriff. Al-Quso wurde von den USA seit Jahren wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an dem Anschlag auf das Kriegsschiff USS Cole gesucht, bei dem im Jahr 2000 im Golf von Aden 17 US-Marinesoldaten getötet worden waren.

Der New York Times zufolge unterstand der V-Mann nicht den Befehlen der CIA, sondern wurde von Saudi-Arabien aus geführt. Die Amerikaner hätten den Mann, dessen Nationalität unbekannt ist, auch nicht rekrutiert. Bisher ist nur bekannt, dass sich der Agent und seine Familie "an einem sicheren Ort" in Saudi-Arabien aufhalten. Das Wall Street Journal deutet an, dass der Mann ein ehemaliges Al-Qaida-Mitglied sein könnte, das nun mit den saudischen Behörden kooperiert - dies könnte sein glaubwürdiges Auftreten erklären. Zu den vielen ranghohen saudischen AQAP-Mitgliedern gehört auch der Bombenbauer Ibrahim Hassan-Asri, der bereits für den ersten in einer Unterhose versteckten Sprengsatz verantwortlich war.

Die Berichte über den Maulwurf stützen nach Ansicht des Wall Street Journal die Glaubwürdigkeit der Aussagen von US-Behörden, dass sie die Situation stets unter Kontrolle hatten und niemals Flugzeuge oder gar deren Passagiere in Gefahr waren. Ein weiterer Hinweis: Die nach dem gescheiterten Anschlag des Unterhosen-Bombers 2009 gegründete High Value Detainee Interrogation Group, deren Mitglieder geschult sind, Verdächtige zu Terrorplänen zu befragen, wurde nicht losgeschickt. Dies ließe sich damit erklären, dass man den Mann bereits gut kennt.

Weitere Details über Sprengsatz

In die Zufriedenheit über den vereitelten Anschlag mischen sich bei Politikern, Terrorexperten und Kommentatoren jedoch auch sorgenvolle Stimmen. Demnach war die Bombe, die nun in einem FBI-Labor in Quantico analysiert wird, technisch äußerst raffiniert konstruiert. Da sie noch intakt ist, lasse sich ihre Wirkungsweise sehr gut nachvollziehen. Die Washington Post zitiert einen Beamten mit den Worten: "Der Sprengsatz war aus einer chemischen Verbindung gemacht, mit der es hätte gelingen können, die amerikanischen Sicherheitsvorkehrungen zu umgehen."

Der New York Times zufolge hätte der Sprengsatz auf zwei verschiedene Arten gezündet werden können, falls ein Mechanismus beschädigt worden wäre. Auch die anonymen Quellen der NYT sind von der Vorrichtung beeindruckt: Die Bombe sei passgenau in eine Unterhose eingenäht gewesen und selbst bei "sehr genauem Abtasten" schwer zu entdecken gewesen. Die Sprengkraft hätte ausgereicht, um ein Flugzeug zum Absturz zu bringen.

Die jüngsten Ereignisse stützen die Erkenntnis der amerikanischen Behörden, dass momentan die größte Terrorgefahr für Amerika und den Westen von der arabischen Halbinsel und dem dortigen Al-Qaida-Ableger ausgeht. Im Weißen Haus, so das Wall Street Journal, wolle man alles daran setzen, dieses "Krebsgeschwür" zu entfernen. Außenministerin Hillary Clinton warnte bei einem Besuch in Indien vor "immer perverseren" Terrormethoden.

Peter T. King, der Vorsitzende des Ausschusses für innere Sicherheit im Repräsentantenhaus, will noch wegen einer anderen Angelegenheit Nachforschungen anstellen: Wie bereits berichtet, hatte die Nachrichtenagentur AP in der vergangenen Woche von dem möglichen Anschlag erfahren und diese Informationen auf Wunsch der CIA bis zum Montagnachmittag zurückgehalten. King, der herausfinden möchte, wer den AP-Reportern den Tipp gegeben hat, nannte die Aktion "eine der geheimsten Aktionen, die ich in meinen Jahren als Abgeordneter" erlebt habe. Der Republikaner sorgt sich, dass Geheimdienste künftig nicht mehr mit den Amerikaner kooperieren würden, wenn Details vorab den Medien gesteckt würden.

Doch in den letzten Wochen hat die Zusammenarbeit der US-Agenten mit ihren Partnern aus anderen Diensten offenbar ziemlich gut geklappt.

© Süddeutsche.de/mati/mit Material von AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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