Interview mit Tote-Hosen-Sänger Campino:"Mit Gewalt hatte das nichts zu tun"

Tote-Hosen-Sänger Campino ist seit Jahrzehnten Fan des Fußballklubs Fortuna Düsseldorf. Mit dem Song "Tage wie diese" hat er die Hymne zum Aufstieg seines Vereins in die erste Bundesliga geliefert - und selbstverständlich das Relegationsspiel am Dienstag live im Stadion verfolgt. Im Gespräch schildert er seine Sicht der Dinge.

Titus Arnu

SZ: Wie haben Sie das chaotische Spiel erlebt, Campino?

Fortuna Düsseldorf - Hertha BSC

Beim Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC Berlin stürmten Fans das Spielfeld.

(Foto: dpa)

Campino: Die Hektik ging los, als Fortuna das 2:1 gelang, da haben sich die Berliner Fans wohl aufgegeben und mit Leuchtkörpern und Böllern geschossen. Unschön, aber das hat man auch schon in anderen Stadien gesehen. Daraufhin musste das Spiel erst einmal gestoppt werden, der Schiedsrichter wartete ab, bis sich die Lage beruhigt hatte und setzte deswegen eine siebenminütige Nachspielzeit an. Das Problem war dann, dass den Fans im Stadion nicht klar war, wann genau die Zeit abgelaufen war. Die Ansagen des Stadionsprechers waren sehr schlecht zu verstehen, es gab keine korrekte Anzeige dazu. Ein falsch ausgelegter Pfiff wurde dann von 20 Leuten missverstanden, und plötzlich waren 200 oder 300 Menschen auf dem Platz.

SZ: Haben Sie die Atmosphäre im Stadion als bedrohlich empfunden?

Campino: Überhaupt nicht. Das war die pure Euphorie. Mit Gewalt hatte das nichts zu tun, es gab keine einzige Ohrfeige, kein blaues Auge, keine Verletzungen. Vielleicht haben Leute Beleidigungen gerufen, aber Hooliganismus ist wirklich etwas anderes. Alle sprechen jetzt von einem Skandalspiel, vom "Düsseldorfer Chaos", aber die ersten Leuchtkörper kamen doch direkt aus dem Berliner Block!

SZ: Das sieht Hertha BSC anders. Nach dem Spiel hieß es, die Spieler hätten Angst um ihr Leben gehabt.

Campino: Todesangst? Das ist doch Demagogie. Und mit solchen Aussagen kippt man zusätzlich Öl ins Feuer. Es wäre wirklich schlecht, wenn die Leute, die so etwas behaupten, Gehör finden. Und es wäre schlimm, wenn das Spiel im Nachhinein von Rechtsanwälten entschieden würde.

SZ: Überwiegt bei den Fans jetzt die Freude über den Aufstieg oder der Ärger über die Art, wie das Spiel zu Ende ging?

Campino: Die sportliche Leistung der Fortuna muss auf jeden Fall gewürdigt werden. Aber ein Teil der Fans hat der großen Mehrheit im Stadion wirklich den Spaß verdorben. Leider haben ein paar Trottel, die sich nicht beherrschen konnten, das Chaos ausgelöst. Während der 20-minütigen Unterbrechung war ich schon ziemlich besorgt und genervt.

SZ: Im Fernsehen gab es bizarre Szenen zu sehen, Fans haben den Elfmeterpunkt rausgerissen und sind entfesselt auf dem Rasen herumgerannt. Wie ist das zu erklären?

Campino: Ein Relegationsspiel bedeutet immer: alles oder nichts. Da ist die Gefahr, total enttäuscht zu werden, weil der Verein absteigt, und da ist da die grenzenlose Euphorie über den Aufstieg. Im Fall von Fortuna Düsseldorf haben die Fans 15 Jahre lang auf diesen Moment gewartet, und dann ist die Freude blöderweise ein paar Minuten zu früh ausgebrochen.

SZ: Bei Entscheidungsspielen ist immer öfter zu beobachten, dass Fans nach dem Schlusspfiff den Platz stürmen und dort die Sau rauslassen. In Düsseldorf haben Fortuna-Fans solange auf den Toren geschaukelt, bis diese auseinanderbrachen. Was soll das eigentlich?

Campino: Keine Ahnung. Es ist wirklich eine Unsitte, nach einem wichtigen Sieg den Platz zu stürmen. Es ist zu einem Ritual geworden, ohne jeden Hintergedanken. Klar, dabei geht einiges kaputt, aber keiner will etwas Böses.

SZ: Finden Sie, eine Strafe für Fortuna wäre angemessen?

Campino: Gewalt ist durch nichts zu rechtfertigen. Und es ist in Ordnung, wenn es eine Strafe gibt für die Disziplinlosigkeit der Fans - ob Geisterspiel oder Geldstrafe, das werden wir sehen.

SZ: Die geplante Aufstiegsfeier mit einem Konzert der Toten Hosen findet jetzt wohl nicht mehr statt, oder?

Campino: Zunächst mal war gar nichts geplant, wir waren uns mit dem Verein einig, dass wir erst nach dem Abpfiff darüber reden, ob und wo die Toten Hosen bei einer Aufstiegsfeier spielen würden. Aber nachdem das Klima nun so vergiftet ist, hat keiner mehr Interesse an einer Aufstiegsparty - ob mit oder ohne Tote Hosen.

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