Gerd Baumann im Porträt:Musiker, Komponist und bald Clubbetreiber

Gerd Baumann schreibt Filmmusik für Marcus H. Rosenmüller und Helmut Dietl, spielt live bei der Munich Summer Jazz Week in der Unterfahrt und eröffnet demnächst mit dem Sportfreunde-Stiller-Sänger ein Künstler-Lokal im Glockenbachviertel.

Ralf Dombrowski

Unlängst wurde wieder gedreht. "Wer's glaubt, wird selig", eine Papst-Komödie um einen aus der Mode gekommenen Skiort, der sich durch eine Heiligsprechung den großen Wallfahrts-Boom erhofft. Ein typischer Rosenmüller-Stoff, witzig, turbulent, mit hintersinnigem Blick auf das Land und die Eigenheiten seiner Eingeborenen. Kinostart des neuen Streifens ist am 16. August 2012.

Gerd Baumann

Gerd Baumann: Musiker, Filmmusikkomponist und bald Betreiber eines Clubs im Glockenbachviertel.

Für Gerd Baumann bedeutete das sechs Monate Arbeit, am Set, vor allem aber im Studio. Denn seit "Wer früher stirbt, ist länger tot" ist der Münchner Gitarrist in musikalischen Fragen die rechte Hand von Marcus H. Rosenmüller. Das bedeutet auch, während des Drehs ein Teil der Familie zu sein, ein eher ungewöhnliches Vorgehen. "Bei uns beiden ist das insofern ganz speziell, weil wir uns gut genug kennen, dass ich meistens schon ahne, was ihm musikalisch gefällt", so Baumann. "Da ist die Schnittmenge recht groß, und das ist ein sehr angenehmes Arbeiten. Überhaupt ist er nicht der Typ, der den Chef raushängen lässt. Er hat sein Team, und da gehört eben der Komponist und Musiker dazu."

Selbstverständlich ist das nicht. Im Laufe der vergangenen Jahre hat Gerd Baumann auch andere Produktionen erlebt. Manchmal bekommt er einen fertigen Film präsentiert und hat drei Wochen Zeit, irgendetwas dazu zu schreiben. Bei anderen Gelegenheiten muss er mit Regisseuren umgehen, die nicht wissen, was sie wollen. Am schlimmsten überhaupt war der allererste Fernsehfilm, für den er den Soundtrack komponieren sollte, mit einem klischeehaften Selbstdarsteller hinter der Kamera, der ihm fast den Beruf vergällt hätte.

Aber dann kam es doch anders, auch weil es Baumann selbst im Kern nicht um Geld oder Eitelkeiten, sondern um Leidenschaften geht: "Die Liebe zum Theater war für mich das Ausschlaggebende. Da wollte ich schon als Schüler dabei sein, und zwar völlig egal, ob das ein kleines Off-Theater oder ein großer Kinofilm ist. Manche sagen, ich sei ein Workaholic. Manchmal muss ich mich auch einbremsen. Aber auf der anderen Seite wir man mit zunehmendem Alter auch präziser. Man kommt einfach schneller auf den Punkt."

Das wiederum ist die Grundlage, damit Gerd Baumann überhaupt all das machen kann, was ihm vorschwebt. Denn Soundtracks sind nur eine, wenn auch eine sehr wichtige Option. Darüber hinaus hat er zusammen mit dem Münchner Impresario Till Hofmann und dem musikbegeisterten Fußballprofi Mehmet Scholl vor eineinhalb Jahren das Label Millaphon gegründet, um Gruppen wie Moop Mama oder der Keller Steff Band ein Forum für Musik zu bieten.Neuer Club mit dem Sänger von den Sportfreunden Stiller

Im Herbst wird er außerdem mit dem gleichen Team und Peter Brugger von den Sportfreunden Stiller einen Club namens "Milla" im Glockenbachviertel in den Räumen des ehemaligen "Bachbetts" eröffnen: "Kurz bevor die Anfrage kam, ob wir den Laden übernehmen wollten, hatte ich im Flugzeug ,Midnight in Paris' gesehen. Das ist zwar alles Phantasie, was Woody Allen da inszeniert hatte. Trotzdem war ich fasziniert von der Stimmung, die ganzen Künstler, die sich treffen, hier spielt einer, da sitzen ein paar schräge Typen, dort diskutieren spannende Leute. So etwas kam mir dann für München in den Sinn. Denn hier gibt es auch viele spannende Menschen, aber es fehlen mir etwas die Treffpunkte."

Neue Abenteuer

Ein neues Abenteuer also, aber keines, das ihm Angst macht. Denn irgendwie ist Gerd Baumann mit seiner Mischung aus Talent, Begeisterung und Beharrlichkeit immer weiter gekommen. Das war schon in den späten Achtzigern so, als ihm Gunnar Petersen im Neuperlacher Studiotheater die musikalische Leitung für eine Revue übergab und damit die Tür in die Szene aufstieß: "Ich war hin und weg und hatte das Gefühl, bereits angekommen zu sein. Schließlich hatte ich erst kurz vorher mein Abitur gemacht. Dann aber wurde mir klar, dass Theatermusik mir doch etwas zu wenig war. Denn da kann man mit ein paar Kniffen viel Eindruck schinden, ohne wirklich sein Instrument zu beherrschen. Also bin ich nach Los Angeles, auf die Grove School, zwei Jahre Studium, habe ein paar Studentenfilme vertont und bin dann zurück nach München."

Wieder hatte Baumann Ausdauer genug um durchzuhalten, bis die spannenden Angebote kamen. Im Jahr 1996 schrieb er die Oper "Nyx", unterstützt vom Kulturreferat. Zwei Jahre später rief Konstantin Wecker beim ihm an, Resultat war eine Handvoll Platten und zahlreiche Konzerte. Währenddessen baute Baumann sein kleines Studio aus, produzierte Soundtracks, bis 2005 der entscheidende Anruf von Marcus H. Rosenmüller kam. Seitdem kann er sich die Produktionen aussuchen, hat sich mal von der türkischen Klangwelt in "Almanya", mal von Helmut Dietls "Zettl" herausfordern lassen.

Dabei geht es um die Intensität, mit der er sich auf seine Aufgaben einlässt, und da legt Gerd Baumann die produktive Sturheit des Überzeugungstäters an den Tag und investiert ein Höchstmaß an Herzblut. Dieses Arbeitsethos setzt ihm allerdings auch Grenzen: "Live spiele ich im Moment nur bei Enders Room. Mehr ist leider nicht drin, denn 90 Prozent meiner Zeit verbringe ich im Studio. Mit Johannes Enders zu arbeiten, ist mir allerdings eine große Ehre. Der Mann ist genial."Live bei den Munich Summer Jazz Weeks

Fünf Tage lang ist Enders Room nun bei den Munich Summer Jazz Weeks im Jazzclub Unterfahrt zu Gast. Für den Weilheimer Saxofonisten, der inzwischen als Professor in Leipzig lehrt und zu den vielseitigsten Musikern des Landes zählt, ist das Sextett ein ebensolches Laboratorium der Stilexperimente wie für die übrigen Beteiligten. Neben Soundspezialist Baumann gehört der Trompeter Micha Acher aus dem Notwist-Umfeld zur Band.

Der Bassklarinettist Stefan Schreiber ist sonst schon mal im Orchestergraben des Münchner Volkstheaters oder als Mitglied es Tied & Tickled Trios zu hören, Pianist Jan Eschke ist eine Konstante der Münchner Szene, und Schlagzeuger Gregor Hilbe trommelt nicht nur für die zurzeit wegweisende Jazz Bigband Graz, sondern ist auch einer der Electronic-Pioniere im improvisierenden Zirkel. So ist diese Band für Gerd Baumann quasi die Live-Fortsetzung seiner Arbeit für Bilder. Denn auch Enders Room ist ein Laboratorium der Texturen, geführt von Individualisten mit Sinn für Grenzgänge in Sachen Hörerfahrung.

Munich Summer Jazz Week: Enders Room "Zen Tauri", Di. 31.07. bis Sa 04.08., jeweils 21 Uhr, Jazzclub Unterfahrt, Einsteinstraße 42.

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