Bundestagswahl 2013:Was Merkel aus der Kandidatenkür der SPD lernt

Angela Merkel weiß aus eigener Erfahrung als Parteichefin, wie schwierig die Suche nach einem Kanzlerkandidaten sein kann. Im Gerangel der SPD-Troika sieht sie deshalb vor allem ein politisches Lehrstück. Und sie weiß, dass die eigene Rechnung nicht immer aufgeht.

Nico Fried, Berlin

Eine der Fragen, die Angela Merkel von Journalisten oft gestellt werden, lautet: Frau Bundeskanzlerin, wen erwarten Sie 2013 als Gegenkandidaten? Meistens begegnet sie dieser Frage mit einem spöttischen Lächeln, von dem natürlich niemand glauben soll, es gelte dem Gerangel der politischen Konkurrenz. Man verrät nicht zu viel aus solchen vertraulichen Runden, wenn man den Kern der wenigen Sätze, die Merkel danach fallen lässt, so zusammenfasst: Es kommt, wie es kommt.

Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank Walter Steinmeier

Drei sind einer zu viel: SPD-Troika Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank Walter Steinmeier (v.l.). Das weiß auch Angela Merkel.

(Foto: dpa)

Man darf dennoch getrost annehmen, dass im innersten Machtzirkel Merkels sehr wohl über die Sozialdemokraten und ihre Suche nach einem Kanzlerkandidaten gesprochen wird - und zwar nicht nur aus absehbarer persönlicher Betroffenheit. Merkel faszinieren politische Prozesse und die Kanzlerin hat eine Schwäche für Klatschgeschichten. Nichts anderes als eine Mischung aus beidem ist aber die Suche nach einem Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten.

In ihrem politischen Denken ist Merkel mehr Parteivorsitzende als in der öffentlichen Wahrnehmung. Um Entscheidungen anderer Parteichefs zu beurteilen, versucht sich Merkel, ausgerüstet mit eigenen Erfahrungen, in die Lage des Kollegen zu versetzen. Auch als wichtigsten Ansprechpartner in der großen Koalition nannte sie stets den SPD-Vorsitzenden, nicht den Vizekanzler. Und die Probleme des jetzigen SPD-Chefs Sigmar Gabriel kann sie besonders gut verstehen: Vor zehn Jahren erlebte die CDU-Vorsitzende Merkel mit Edmund Stoiber selbst, was es heißt, als Vorsitzende einer Volkspartei formal den Zugriff auf die Kanzlerkandidatur zu haben, aber vor der Entscheidung zu stehen, ob man zugunsten eines anderen verzichtet. Merkel gab damals nach.

Gabriel, Steinmeier, Steinbrück - alle drei kennt Merkel gut aus Zeiten der großen Koalition. Das beste persönliche Verhältnis hat sie mittlerweile, bei aller gebotenen Distanz und gelegentlichen Friktionen, vermutlich zu Sigmar Gabriel. Beide können Politisches und Menschliches auch und gerade in schwierigen Zeiten voneinander trennen. Sie und er neigen zudem zu Frotzeleien im Umgang: In die letzte Verhandlungsrunde zwischen Regierung und Opposition um den Fiskalpakt brachte Gabriel als Gastgeschenk eine Karikatur mit, in der das Feilschen um die Finanztransaktionssteuer auf die Schippe genommen wurde - ein Erinnerungsstück fürs Regal der Kanzlerin, extra in einen schönen Holzrahmen gefasst.

An Frank-Walter Steinmeier schätzt Merkel inhaltliche Substanz und politische Verlässlichkeit, sie dürfte aber wissen, dass beides nicht zu den Eigenschaften zählt, die Steinmeier umgekehrt ihr vorbehaltlos zurechnet. Der frühere Außenminister und Vizekanzler war schon in der großen Koalition stets argwöhnisch, dass Merkel vor allem auf den eigenen Vorteil bedacht sei. Und nach der Wahl von 2009 dürfte Steinmeier keinen Anlass gesehen haben, diese Einschätzung zu revidieren.

Das Verhältnis zu Peer Steinbrück, mit dem Merkel in der Finanzkrise eng kooperiert hatte und mit dem sie 2009 noch kurz vor der Bundestagswahl einträchtig zum G-20-Gipfel nach Pittsburgh gereist war, ist wohl nicht besser oder schlechter geworden - man hat nach dem Abgang des Ministers in die hinteren Reihen der Fraktion einfach wenig miteinander zu tun.

Wer ist der beste Wahlkämpfer?

Merkel ist keine gute Wahlkämpferin, und das weiß sie auch. In dieser Hinsicht hatte sie stets Respekt für ihren Vorgänger Gerhard Schröder, der das Ding gegen Stoiber 2002 noch umbog und auch ihr 2005 beinahe noch die Kanzlerschaft vermasselt hätte. Der Einschlaf-Wahlkampf 2009 war auch dieser Selbsterkenntnis geschuldet. Merkels härtester Widersacher damals war allerdings nicht der Gegenkandidat Steinmeier, sondern Gabriel. Wie kein anderer prominenter Sozialdemokrat scherte sich der damalige Umweltminister in den letzten Wochen vor der Wahl nicht mehr um großkoalitionäre Loyalitäten. Stattdessen griff er die Kanzlerin und ihre damals noch auf Verlängerung der Laufzeiten zielende Atompolitik vehement an.

Der Respekt, den sich Gabriel damit in den eigenen Reihen verdiente, war später ein Stück des Teppichs, auf dem er zum Parteivorsitz lief. Die pointierte, bisweilen polemische Rede liegt dem SPD-Chef. Gegen ihn kann Merkel sich zwar am leichtesten als seriöse Krisenmanagerin mit Übersicht inszenieren. Von ihm aber hätte "Frau Kanzlerin", wie Gabriel gerne sagt, auch die härtesten Attacken zu erwarten. Die größte Portion Schröder, das weiß auch Merkel, steckt in Gabriel.

Das könnte für Steinmeier und Steinbrück zum Problem werden - auch dann, wenn Gabriel einem von beiden die Kandidatur überlässt. Steinmeier wäre nach vier weiteren Jahren Wandel vom Beamten zum Politiker und einem beachtlichen Zugewinn an Sympathiepunkten in den Umfragen ein gefährlicherer Herausforderer als 2009. Aber wenn er Kandidat wird, dürfte Merkel mit Interesse verfolgen, ob er diesmal auch einen echten Machtanspruch gegenüber dem Parteivorsitzenden formuliert. 2009, als Steinmeier nach dem Abgang von Kurt Beck Kandidat geworden war, sagte die Kanzlerin ihrem Herausforderer auf den Kopf zu, dass es ein Fehler von ihm gewesen sei, nicht auch den SPD-Vorsitz übernommen zu haben. Tatsächlich belasteten Differenzen zwischen dem neuen Parteichef Franz Müntefering und Steinmeier den SPD-Wahlkampf.

Auch Peer Steinbrück wäre für Merkel und ihr Image als Euro-Retterin wegen der besonderen Kompetenz des Ex-Finanzministers eine Herausforderung. Umfragen zufolge könnte Steinbrück auch im Lager der Union wildern, das weiß man auch im Kanzleramt. Schon seit den Tagen, in denen eine mögliche Kandidatur Steinbrücks erstmals ventiliert wurde, nimmt man dort allerdings auch an, dass ein Gutteil der Arbeit gegen diesen Herausforderer womöglich dessen eigene Partei erledigen würde. An dieser Einschätzung dürfte sich durch das wechselhafte Echo auf Steinbrück innerhalb der SPD wenig geändert haben. Die CDU-Vorsitzende kennt die Mechanismen einer großen Partei gut genug, um zumindest plausible Zweifel daran zu hegen, dass die SPD mit einem Individualisten wie Steinbrück glücklich würde - und umgekehrt.

Vor einigen Jahren hatte Merkel noch einen weiteren Sozialdemokraten mit auf der Rechnung, den sie aus den Konferenzen mit den Ministerpräsidenten kannte. Er soll sie bisweilen mit dem fröhlichen Ausruf begrüßt haben: "Ah, meine Kanzlerin!", anschließend aber auch bemerkenswert unnachgiebig verhandelt haben. Diese Kombination aus Charme und Hartleibigkeit hat Merkel damals an Berlins Regierendem Bürgermeister durchaus imponiert. Und da sie offenbar einen ähnlichen Machtwillen wie den ihren auch in Klaus Wowereit vermutete, zählte er für sie zu ihren möglichen Herausforderern.

Die Episode zeigt vor allem, dass auch Angela Merkel sich mal täuschen kann.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: