Fragwürdiger Dokumentarfilm über Obama:Wie Batman ohne Muskeln

Ein freundlicher Film war nicht zu erwarten. Auch kein sachlicher. Aber dass es auf eine als Dokumentation getarnte Variante von "Batman" hinauslaufen würde, erstaunt dann doch: Die erzkonservative Rechte in den USA hat einen Film über Barack Obama gedreht und feiert damit immer größere Erfolge.

Peter Richter

Das also soll jetzt der Überraschungserfolg des Wochenendes sein. Der Film, von dem man bis vor Kurzem allenfalls dann etwas mitbekommen hatte, wenn man durch den Mittleren Westen fuhr. "Sehen Sie den Film, von dem das Weiße Haus nicht will, dass Sie ihn schauen!", raunte es dort aus den Talk-Radios, in denen sie 24 Stunden am Tag über Barack Obama reden.

Barack Obama

Der amtierende US-Präsident als linksradikaler Träumer und Unglücksbote für die USA - der Film "2016 - Obama's America" prophezeiht den Untergang.

(Foto: dpa)

Immer mehr Leute wollten "2016 - Obama's America" offenbar dann auch tatsächlich sehen, immer mehr Kinos nahmen ihn ins Programm, und am vergangenen Wochenende - pünktlich zum Auftakt des Krönungsparteitags der Republikaner in Tampa - kam er dann eben zu dem Einspielergebnis von 6,5 Millionen Dollar. Das ist im Vergleich zur Vorwoche ein Plus von, Achtung!, 423 Prozent. Und reicht für Platz sieben in den Box Office Charts. Es ist das beste Ergebnis, das ein Dokumentarfilm je hatte, der nicht von Michael Moore stammt, sondern von der Gegenseite.

Der Michael Moore der Konservativen heißt Dinesh D'Souza. Aktuell ist er der Präsident des King's College in New York, als junger Mann war er auch einmal Referent bei Ronald Reagan. Der Produzent des Films ist Gerald Molen ("Schindlers Liste"), einer der wenigen bekennenden Republikaner in Hollywood.

Es war daher nicht unbedingt zu erwarten, dass ausgerechnet diese beiden einen freundlichen Film über Barack Obama drehen würden. Oder wenigstens einen sachlichen. Aber dass es auf eine als Dokumentation getarnte Variante von Christopher Nolans Batman-Filmen hinauslaufen würde, erstaunt angesichts des Renommees der beiden schon ein bisschen: die gleiche ideologische Botschaft, sogar ähnlicher Action-Sound, nur weniger Muskeln auf den Hauptdarstellern. Der Böse ist natürlich Obama. Den Batman spielt D'Souza selbst.

Im ersten Teil seines Films erzählt er erst einmal nur über sich. Wie er in Bombay aufwuchs und nach Amerika ging. Wie ihm am Dartmouth College ein Kommilitone sagte, dass er Indien faszinierend finde. Und wie er dem entgegnet habe, was daran bitte faszinierend sein soll - die Zwangsheiraten oder das Kastensystem? Die Botschaft ist simpel: Da komm ich her, hier will ich hin, und so wunderbar weit habe ich es gebracht.

Entrüstung über Nebensächlichkeiten

So hätte das mit Obama auch laufen können. Im selben Jahr geboren wie D'Souza, im selben Jahr den Abschluss gemacht, beide an Elite-Universitäten, beider Hände haben sogar fast die gleiche Farbe. Aber dann hat Obama irgendwie alles falsch gemacht. Es fängt damit an, dass er gleich nach seinem Regierungsantritt eine Churchill-Büste an die Engländer zurückschickt. Auf die Sache mit der Churchill-Büste wird D'Souza dann noch einmal zurückkommen. Das bizarre Detail hat Symbolwert für ihn. Es bleibt geradezu als pars pro toto für die bis dahin noch gar nicht näher spezifizierten Verfehlungen von Obamas Politik stehen. Denn dann wird schon, und zwar für den überwiegenden Teil des Films, nach den psychologischen Ursachen dafür gegraben.

Am Grab von Obamas Vater in Kenia sagt D'Souza: "Das ist der Ausgangspunkt von allem." Ab hier erzählt er dann noch einmal breitflächig sein Buch "The Roots of Obama's Rage" aus dem Jahr 2010 nach: Der Vater, der seine amerikanische Frau mit dem kleinen Barack früh verlassen hat, andere Kinder mit anderen Frauen hatte, in Nairobis Kneipen herumpolitisierte und schließlich bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. In D'Souzas psychologischer Deutung hat die Abwesenheit von Obamas Vater eine Art Überidentifikation bewirkt: Obamas Traum sei nicht der Amerikanische Traum, sondern der Traum seines Vaters, stellt D'Souza mit Entrüstung in der Stimme fest.

Obama als linksradikaler Träumer

Dieses Konglomerat von Traumdeutereien ist eine Folge der bemerkenswerten amerikanischen Sitte, wonach die nüchternsten gesellschaftspolitischen Vorstellungen entweder als Nachtmahr oder als quasireligiöse Vision verklärt werden können. Hier wendet D'Souza Barack Obamas Hang, seine politische Agenda als international verzweigten Familienroman zu verkaufen, durchaus boshaft gegen diesen. Es war schließlich Obama, der sein Buch damals "Dreams from my father" betitelt hatte. Und das, so D'Souza, seien halt die typisch linksradikalen Träume der postkolonialistischen Bewegungen gewesen.

Er zitiert sehr zusammenhanglos aus einer Schrift von Barack Obama Sr., in der sich dieser über einen Steuersatz von 100 Prozent Gedanken macht. Und die Aussage ist, dass Barack Obama Jr. den Willen seines Vaters schon noch umsetzen wird. Oder es kommt ein alter Freund von Obamas Vater zu Wort: er nennt Israel - im linken Jargon der frühen Siebzigerjahre - ein trojanisches Pferd des Imperialismus im Nahen Osten. Die Aussage: Liebe jüdische Wähler der Demokraten, überlegt es euch doch noch einmal.

Die seit Obamas Erstkandidatur zu Stichworten des Vorwurfs erstarrten Namen aus dessen Vergangenheit fliegen dann noch einmal mit großem Getöse über die Leinwand, als seien es Geschosse: Frank Davis, der linke Mentor. Edward Said, der proarabische Professor. Roberto Unger, der brasilianische Sozialist. Die Bilanz von Obamas erster Amtszeit ist für D'Souza: Der amtierende US-Präsident will die Churchill-Büste weghaben, er hat die Nasa verkleinert, er will die Falklandinseln den Argentiniern geben, er befürwortet Ölförderung in Südamerika.

Es ist eine skurrile Liste. Ihre alarmierende Aussage soll sein: Obama will die USA aus seinem ererbten antikolonialen Reflex heraus nur noch zu einem Land unter vielen machen. Erst nach ungefähr einer Stunde Spielzeit taucht der Begriff "Health Care" auf, zum ersten Mal ein wirklich relevantes politisches Thema, verschwindet dann aber sofort wieder.

Orwells 1984 war ein Picknick dagegen

Die letzte Viertelstunde imaginiert dann das Jahr 2016, das Ende einer möglichen zweiten Amtszeit von Barack Obama. Orwells 1984 war ein Picknick dagegen: "Israel isoliert, die USA wehrlos, die islamischen Länder vereinigt." Aber: "Amerika wird dann immer noch ein reiches Land sein. Wie will er das ändern?" Antwort: "Er wird Schulden machen!"

Der monströse Schuldenberg der USA wird vorgeführt. Der Anteil, den George W. Bushs Regierung daran hat, spielt keine Rolle. Kinder singen bedrohlich von "Change". Aus der Dolby-Surround-Anlage fegen noch apokalyptische Winde. Dann das Finale: Düstere Wolken ziehen im Zeitraffer über ein Amerika, das aussieht wie ein Slum, wie die Dritte Welt mit Erstweltpreisen. Dinesh D'Souzas Stimme sagt aus dem Off noch, die Zukunft liege nicht in seinen Händen, auch nicht in denen von Obama. Sondern in unseren! Abspann.

Wird der Film mit dem spektakulären Kassenerfolg die US-Wahl beeinflussen? Nach allem, was man von Michael Moores Anti-Bush-Film lernen konnte: nein. Wer Bush hasste, hasste ihn anschließend noch mehr, wer ihn wählte, saß eher nicht im Kino. So ist das bei "Obama's America" auch. In den Abspann hinein hustet ein alter Mann: "Fuck Obama!" Man muss es deutlich sagen: Bei den meisten, die da saßen und sich wütend um Amerikas Zukunft sorgten, konnte man nicht die Hand dafür ins Feuer legen, dass sie das Jahr 2016 noch erleben werden.

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