Romney attackiert Obamas Sicherheitspolitik:Gefährliche Causa Bengasi

Nach der Tötung des Staatsfeindes Osama bin Laden galt US-Präsident Obama als erfolgreicher Außen- und Sicherheitspolitiker. Doch der Nimbus bröckelt, weil seine demokratische Regierung den Anschlag auf die Botschaft in Libyen lange nicht als "terroristischen Angriff" deutete. Die Republikaner werfen der demokratischen Regierung vor, die Öffentlichkeit getäuscht zu haben.

Christian Wernicke, Washington

Streng genommen zielt Mitt Romney nur auf Joe Biden, den Stellvertreter. Aber der Republikaner übt schon für sein TV-Duell mit Barack Obama, Amerikas Oberbefehlshaber. Obamas Vize, so wettert der Herausforderer, habe "Amerikas Öffentlichkeit getäuscht" und leugne, was wirklich passiert sei an jenem 11. September 2012, als im fernen Libyen eine Gruppe islamistischer Kämpfer das US-Konsulat in Bengasi erstürmte und vier Landsleute, darunter Washingtons Botschafter Christopher Stevens, ums Leben kamen. "Wir müssen genau wissen, was passiert ist", wettert der Herausforderer, "Amerikas Bürger haben ein Recht zu wissen, was vor sich geht!"

Romney schürt den Eindruck, das Weiße Haus habe etwas zu verbergen in der Causa Bengasi. Dieser Verdacht lodert seit Wochen unter Republikanern - und Joe Biden goss nun gleichsam Öl ins Feuer. Zwar hatten Mitte voriger Woche hochrangige Vertreter des Außenministeriums vor einem Kongressausschuss einräumen müssen, die US-Botschaft in Tripolis habe Monate vor dem Anschlag wiederholt um mehr Sicherheitskräfte zum Schutze der Diplomaten gebeten. Doch Biden, herausgefordert in der TV-Debatte mit seinem Widerpart Paul Ryan, schien dies zu bestreiten: "Uns hat niemand gesagt, dass sie mehr Sicherheit wollten. Wir wussten nicht, dass sie mehr Sicherheit wollten."

Prompt sah sich Jay Carney, der Sprecher des Weißen Hauses, genötigt, Bidens Worte umzudeuten: Mit dem Wörtchen "wir" habe Biden nicht die gesamte Regierung gemeint: "Der Vizepräsident sprach über sich selbst, den Präsidenten und das Weiße Haus." Carney klärte die Zuständigkeit, verwies aufs Außenministerium, aber das klang, als habe Obama keinen Schimmer von der brisanten Lage in Libyen gehabt.

So wird der Fall Bengasi für die Republikaner zur Munition. Paul Ryan, Romneys Vize, hat es in der Debatte mit Biden bereits vorgemacht. Die Tragödie in Libyen sei "typisch für ein größeres Problem", argumentierte Ryan: "Was wir im Fernsehen sehen, ist der Zusammenbruch von Obamas Außenpolitik, die die Welt chaotischer und uns weniger sicher macht." Das ist der alte Vorwurf der Rechten, wonach Amerikas Linke zu naiv oder schlicht zu schwach sei, mit den Gefahren der wirklichen Welt umzugehen.

Obamas Umfragewerte sinken

Tatsächlich muss sich die Obama-Regierung vorwerfen lassen, die Tragödie in Bengasi falsch eingeschätzt zu haben. Neun Tage lang deutete die Regierung den brutalen Angriff auf das US-Konsulat als Akt eines empörten Mobs, der seine Wut über ein widerwärtiges, anti-muslimisches Video ausgetobt habe. Dann schickte die Regierung einen Beamten vor, der erstmals öffentlich einräumte, die vier Amerikaner seien "einem terroristischen Angriff" zum Opfer gefallen.

Obama, der im Wahlkampf mit seinem Nimbus wirbt, Staatsfeind Osama bin Laden getötet zu haben, scheint um eine seiner Stärken zu bangen - die beim Wähler unterstellte Kompetenz in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Werte bröckeln: Laut einer Umfrage von NBC und Wall Street Journalist die Zufriedenheit der Amerikaner mit Obamas Außenpolitik gesunken, von 54 Prozent im August auf 49 Prozent nach dem Fall Bengasi. Mitt Romney wird am Dienstag versuchen, diese Zweifel am Amtsinhaber mit neuen Angriffen zu nähren.

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