US-Wahlkampf:Obama diagnostiziert "Romnesie"

Barack Obama hat im US-Wahlkampf einen Coup gelandet - sehr zum Missfallen seines Herausforderers Mitt Romney. Der US-Präsident warf dem Republikaner vor, an "Romnesie" zu leiden, schließlich vergesse er dauernd seine wichtigsten Versprechen. Die Wortschöpfung wurde zum Selbstläufer - nur Mitt Romney ist alles andere als amüsiert.

Es sind nur noch zweieinhalb Wochen, bis in Amerika das Wahlvolk an die Urnen geht und entschiedet, ob Barack Obama im Amt bleibt oder der Republikaner Mitt Romney ins Weiße Haus einzieht. Höchste Zeit für den Amtsinhaber, den Ton zu verschärfen. Bei einer Wahlkampf-Veranstaltung in Virginia hat Obama seinem Rivalen politischen Wankelmut vorgeworfen und mit "Romnesie" ein neues Schlagwort in den US-Wahlkampf eingeführt.

Vor 9000 Anhängern sagte der Präsident, Romney sei von seinen konservativen Positionen im Vorwahlkampf der Republikaner inzwischen auf eine moderate Linie eingeschwenkt. "Er hat vergessen, was seine eigenen Standpunkte sind, und er setzt darauf, dass Sie das auch tun", rief er. "Wir müssen einen Namen finden für den Zustand, den er durchmacht. Ich glaube, er wird 'Romnesie' genannt", sagte Obama zum Jubel der Menschen.

Als Beispiel nannte Obama die Steuerpolitik. "Wer zuvor in diesem Jahr gesagt hat, er werde die Steuern für die oberen ein Prozent (der Bevölkerung) kürzen, und dann in einer Debatte sagt 'Ich weiß nichts von Steuererleichterungen für die Reichen', der braucht ein Thermometer und muss Fieber messen, denn er hat wahrscheinlich 'Romnesie'." Mitt Romney war alles andere als amüsiert. Er warf Obama bei einem Auftritt in Florida seinerseits "kleinkarierte Angriffe und dümmliche Wortspiele" vor.

Die Republikaner warfen Obama im Gegenzug vor, kein politisches Programm für eine zweite Amtszeit vorlegen zu können. "Dann greift man auf Angstmacherei zurück", hieß es in einer Erklärung. Das englische Wort "Romnesia" - gebildet aus "Romney" und "amnesia", auf Deutsch "Amnesie" - wurde im Laufe des Tages schnell zu einem der häufigsten Schlagworte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Es war zuvor bereits stellenweise in Zeitungskommentaren, auf Facebook und Pro-Obama-Blogs aufgetaucht.

Obama hat den Namen seines Rivalen schon in der Vergangenheit verballhornt. In Anlehnung an den englischen Volkshelden Robin Hood nannte er ihn "Romney Hood", der allerdings den Armen das Geld nehme, um es den Reichen zu geben. Wegen des starken Schutzes der Meinungsfreiheit in den USA haben Beleidigungsklagen von Personen des öffentlichen Lebens kaum Aussicht auf Erfolg.

Derweil macht das Wahlkampfmanagement von US-Präsident Obama dessen milliardenschweres Hilfsprogramm für die Autohersteller General Motors und Chrysler zum Thema. In dem heftig umkämpften Staat Ohio schaltete das Team Obamas am Freitag einen neuen Fernsehspot, der den damaligen Widerstand des republikanischen Herausforderers Romney gegen die Rettungsaktion thematisiert.

So tauchen mehrere Arbeiter der Automobilindustrie in dem Clip auf und berichten, dass sie ihre Arbeitsplätze der Entscheidung Obamas verdanken, den beiden Großkonzernen 2009 Bundesdarlehen zu gewähren. Romney hingegen hatte sich für einen strukturierten Konkurs ohne den Einsatz von Steuergeldern ausgesprochen. Hätte Obama damals nicht interveniert, wäre Ohio zusammengebrochen, sagt ein Arbeiter in dem Wahlwerbespot. Dieser endet mit dem Slogan: "Mitt Romney. Keiner von uns."

Weil "ungeduldige" Amerikaner noch nicht die wirtschaftliche Besserung im Land erkannt hätten, sehe Obama einer schwierigen Wiederwahl entgegen, sagte sein Vorgänger Bill Clinton am Freitagabend in Green Bay in Wisconsin, wo er auf Wahlkampftour für seinen Parteifreund Halt machte. Die Wähler sollten Obama anhand der letzten drei Jahre beurteilen, in denen der Arbeitsmarkt im Privatsektor einigen Boden gut gemacht hätte. Clinton hatte Wisconsin einst bei seinen beiden Präsidentschaftswahlen gewonnen. Nun hoffen die Republikaner auf eine Wende, schließlich kommt ihr Vizepräsidentschaftskandidat Paul Ryan von dort. Der Abgeordnete, der gemeinsam mit Mitt Romney als Präsident ins Weiße Haus einziehen möchte, hat dort in den vergangenen Monaten bereits jede Menge Wahlkampfauftritte absolviert.

Obama und Romney liegen in Umfragen eng beieinander. Eine Reuters/Ipsos-Erhebung vom Freitag sah den Amtsinhaber drei Prozentpunkte vor dem Herausforderer. Experten gehen davon aus, dass das Rennen bis zur Wahl am 6. November sehr knapp bleiben wird.

Obama diagnostiziert "Romnesie"

Bei seiner Rede an der George-Mason-Universität im US-Bundesstaat Virginia hat Präsident Barack Obama seinem republikanischen Herausforderer eine ganz spezielle Vergesslichkeit vorgeworfen: Romnesie.

(Foto: dpa)
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