Reserven der Bundesbank:Warum die Deutschen ihr Gold im Ausland lagern

Die Bundesbank lagert ihre milliardenschweren Goldreserven im Ausland - und hat sie seit Jahren nicht gesehen. Warum liegt das deutsche Gold eigentlich im Ausland? Und warum holt die Bundesbank es nicht einfach zurück?

Oliver Hollenstein

Kaum ein Land besitzt so viel Gold wie Deutschland. Doch die meisten Barren lagern im Ausland - weit weg von der Bundesbank-Zentrale in Frankfurt, fern ab von deren Aufsicht. Nun hat der Bundesrechnungshof diese Praxis scharf gerügt - und eine Debatte ausgelöst. Süddeutsche.de beantwortet wichtige Fragen.

Wie viel Gold besitzt Deutschland und wo ist es?

Die Bundesbank hält Goldreserven von 3396 Tonnen, die derzeit rund 133 Milliarden Euro wert sind. Damit besitzt Deutschland nach den USA den weltweit zweitgrößten Goldschatz. Offiziell bestätigt die Bank nur, dass der größte Teil des Goldes bei der amerikanischen Zentralbank Fed in New York gelagert wird, kleinere Teile jeweils in Frankfurt, London und Paris. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung liegen 1500 Tonnen der Goldreserve in New York, 800 Tonnen in London und Paris sowie 1100 Tonnen in Frankfurt.

Warum ist so viel Gold im Ausland?

Das hat historische Gründe. Zunächst sind die Goldreserven im Ausland "entstanden", was mit dem Währungssystem der Nachkriegszeit, dem Bretton-Wood-System, zu tun hatte. Der Dollar war damals die Leitwährung, die in einem festen Kurs zu allen anderen Währungen stand. Um den Geldwert stabil zu halten, versprachen die Amerikaner jeder anderen Notenbank, ihre Dollars in Gold umzutauschen.

In den Jahren des Wirtschaftswunders exportierte die deutsche Wirtschaft viel in die USA. Dafür bekamen sie Dollar, bei der Bundesbank entstanden so Forderungen an die Fed - in Gold. Anders als die frankzösische Zentralbank ließ die Bundesbank die Reserven aber nicht nach Deutschland bringen.

Das hatte auch mit dem Kalten Krieg zu tun. Nach dem Zusammenbruch des Bretton-Wood-Systems war es ein wichtiges Argument, die Goldreserven vor dem Zugriff der Warschauer-Pakt-Staaten zu schützen. Die Zentrale der Bundesbank in Frankfurt, nur Hundert Kilometer von der Grenze zu Ostdeutschland entfernt, erschien damals nicht als der geeignetste Ort zum Aufbewahren riesiger Staatsvermögen.

Warum gibt es jetzt Streit?

Die Bundesbank verlässt sich darauf, dass die anderen Notenbanken die Goldreserven sachgemäß lagern und beaufsichtigen - kontrolliert aber nicht. Seit Jahren haben die Banker die Barren nicht mehr gesehen, bemängeln Kritiker.

Der CDU-Abgeordnete Philipp Mißfelder versuchte im Frühjahr, die deutschen Reserven in New York zu besichtigen. Er wurde zwar in den Bunker der Fed gelassen - das deutsche Gold durfte er allerdings nicht sehen.

Auch der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler hatte sich mehrfach kritisch geäußert. Ein von ihm beauftragter Gutachter kam zu dem Schluss, dass die Bundesbank ihre Reserven nach Bilanzrecht regelmäßig in Augenschein nehmen müsse. Nun forderte auch der Bundesrechnungshof, die Barren müssten auf Vollständigkeit, Echtheit und Gewicht überprüft werden.

Die Kritik beflügelt aber auch viele Skeptiker, die deutlich weiter gehen. Sie stören sich dabei an zwei Punkten: Die einen kritisieren, dass Deutschland gerade in Krisenzeiten, für die es ja die Goldreserven gebe, nicht schnell genug zugreifen könnte - und eventuell von den Partnerländern gerade dann daran gehindert werden könnten. Radikalere Kritiker bezweifeln, dass das Gold überhaupt noch da ist.

Warum prüft die Bundesbank die Reserven nicht?

Warum prüft die Bundesbank die Reserven nicht?

In ihren Reaktionen gibt sich die Bundesbank (PDF hier) relativ schmallippig. Es gebe für die Lagerstellen Barrenlisten mit Nummern des aktuellen Bestandes. Diese Form der Bilanzierung entspreche den Usancen der großen Notenbanken und sei von Wirtschaftsprüfern immer wieder bestätigt worden.

Gerade im Bereich der Notenbanken spielt Vertrauen eine große Rolle. Offensichtlich fürchten die Banker, mit Kontrollen ihre langjährigen Partner zu düpieren. Die anderen Notenbanken seien von "einwandfreier und unzweifelhafter Integrität", schreibt die Bundesbank (PDF). Jegliche Zweifel würden "jeder Grundlage entbehren".

Nach der Rüge des Rechnungshofes will die Bundesbank nun 50 Tonnen Gold aus New York nach Frankfurt holen. Die Bestände sollen dort eingeschmolzen, auf ihre Qualität geprüft und dann in neue Barren gegossen werden.

Was ist an den Vorwürfen der Skeptiker dran?

Seit einigen Jahren fasst die Bundesbank in ihrer Bilanz "Gold und Goldforderungen" in einem Posten zusammen. Einige Kritiker sehen darin den Beleg, dass die Bundesbank das Gold physisch gar nicht mehr besitze - sondern nur noch in Form von Schuldverschreibungen.

Die Bundesbank bestreitet das: Die Barren würden nach wie vor physisch in den Safes der Partnerbanken existieren. Die Änderung der Formulierung in der Bilanz habe lediglich mit den Rechnungslegungsgrundsätzen der Europäischen Zentralbank zu tun. Der neue Bilanzposten sei mit dem alten Bilanzposten "Gold" identisch.

Einige Kritiker sagen, dass Deutschland sich verpflichtet habe, die Goldreserven niemals aus den USA abzuziehen. Stimmt das?

Fakt ist, dass Frankreich im Gegensatz zu Deutschland zu Zeiten des Bretton-Woods-Abkommen seine Goldreserven nicht in New York belassen, sondern nach Paris geholt hat. Er wolle das Gold Frankreichs nicht "dem Zugriff einer fremden Macht preisgeben", soll Frankreichs Präsident Charles de Gaulle damals gesagt haben.

Der damalige Bundesbankpräsident Karl Blessing (der Großvater des heutigen Commerzbank-Chefs) schrieb dagegen einen Brief an seinen amerikanischen Kollegen: Die Bundesbank plane nicht, die Goldreserven abzuziehen. Jahre später bestätigte er in einem Interview mit dem Spiegel, dass dieses Versprechen auf Druck der USA erfolgt sei. Das Versprechen aus dem Brief als Verpflichtung für alle Zeiten abzuleiten, klingt allerdings eher nach Verschwörungstheorie.

Warum holt Deutschland die Goldreserven dann nicht einfach jetzt zurück?

Aus den dürren Äußerungen der Notenbanker sind zwei Argumente zu hören, warum das Gold im Ausland bleibt: Zum einen sei es betriebswirtschaftlich sinnvoll, das Gold direkt an den Orten der großen Handelsplätze zu lagern. Zum anderen sei es zu teuer, das Gold nach Deutschland zu transportieren.

Darüber hinaus dürften sich die Verantwortlichen aber auch Gedanken darüber machen, wie ein Zurückholen der Goldreserven in Zeiten der Eurokrise gedeutet werden könnte: Als Vorbereitungsschritt eines möglichen Euroaustritts Deutschlands beispielsweise. Man kann davon ausgehen, dass die Verantwortlichen diesen Eindruck unbedingt vermeiden wollen, um keine Panik an den Finanzmärkten auszulösen.

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