Besuch in Atlantic City:Obama sagt Katastrophenopfern seine Hilfe zu

Barack Obama beim Rundflug über das Katastrophengebiet, Barack Obama zu Besuch in einer Notunterkunft, Barack Obama Arm in Arm mit Chris Christie: Der US-Präsident setzt wenige Tage vor der Wahl am 6. November voll auf die Karte des Krisenmanagers - ein Verhalten, das den Wahlausgang zu seinen Gunsten beeinflussen könnte.

Felicitas Kock

Barack Obama hat eine knappe Stunde Verspätung, als er am Flughafen von Atlantic City landet. Noch auf dem Rollfeld wird er von Chris Christie begrüßt, dem Gouverneur des von Hurrikan Sandy schwer getroffenen Bundesstaats New Jersey. Die Gesten, mit denen sich die beiden Männer begrüßen, wirken vertraut. Ein Händeschütteln, ein kurzes Innehalten, Obama legt seine Hand auf die Schulter des Republikaners - dann eilen sie zu einem Hubschrauber, von dem aus sich der Präsident einen Überblick über das Ausmaß der Schäden verschaffen will.

Der Präsident hat seine Wahlkampftour für den Besuch in Atlantic City den dritten Tag in Folge ausgesetzt. Nach dem knapp einstündigen Rundflug über das betroffene Gebiet, bei dem auch der oberste Katastrophenschützer der USA, Craig Fugate, mit im Helikopter saß, traf er in einer Notunterkunft Bürger, deren Häuser durch die Sturmflut überschwemmt wurden.

"Ich möchte, dass Sie wissen, dass der Gouverneur Überstunden macht", teilte Obama den Anwesenden mit. Oberste Priorität sei nun, die Stromversorgung wiederherzustellen. Die Betroffenen würden dabei nicht alleingelassen, sondern könnten mit langfristiger Hilfe durch die Regierung rechnen.

Obama präsentiert sich in Atlantic City als Helfer in der Not - und spielt damit einmal mehr den entscheidenden Vorteil aus, den er nach der Katastrophe gegenüber seinem Konkurrenten hat: Er ist der Präsident. Das Amt verleiht ihm die Autorität, sich um das Krisenmanagement zu kümmern, Vertreter lokaler Behörden zu treffen und Hilfen zuzusagen. Und die Wähler, das hat sich bei Naturkatastrophen in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, scharen sich in Krisenzeiten meist um die Regierenden und ihre Helfer.

Hinzu kommt die enge Bindung, die Obama und Gouverneur Christie in der Öffentlichkeit präsentieren. Der Republikaner Christie, der lange Zeit als Romneys möglicher Vize-Präsidentschaftskandidat gegolten hatte, lobte den Präsidenten bereits am Dienstag für seinen Einsatz: "Ich kann ihm nicht genug dafür danken", sagte er zu den zügigen Hilfsmaßnahmen der Regierung. Auch beim Besuch des Präsidenten äußerte er sich nun wieder positiv: "Es ist wirklich wichtig, den Präsidenten der Vereinigten Staaten hier zu haben." Demonstrativ setzen sich die Politiker über parteipolitische Grenzen hinweg. Das Gefühl, in der Krise mit gemeinsamer Kraft handeln zu können, dürfte auch den Wählern zusagen.

Vorwürfe, es könne sich bei dem Besuch im Katastrophengebiet insgeheim um einen Wahlkampfauftritt handeln, wies das Weiße Haus entschieden zurück. "Es ist völlig angemessen, dass der Präsident New Jersey besucht", sagte Regierungssprecher Jay Carney. "Dies ist keine Zeit für Politik". Auch der Wahlkampfberater des Präsidenten, David Axelrod, betonte, dass der Präsident lediglich seiner Verantwortung nachgehe.

Romney schaltet wieder auf Wahlkampf

Dem Obama-Herausforderer Mitt Romney hingegen fehlt die Autorität des Präsidenten - weshalb ihm kaum etwas anderes übrig bleibt, als sich wieder auf den Wahlkampf zu konzentrieren. Der Republikaner hatte für diesen Mittwoch drei Auftritte im Swing State Florida auf dem Programm. In Tampa, Miami und Jacksonville warb er um die Gunst der Wähler. Für Montag und Dienstag hatte Romney seine offiziellen Wahlkampfveranstaltungen zunächst abgesagt, dann aber einen für Dienstagabend in Ohio geplanten Wahlkampftermin zur Benefizveranstaltung für Sturmopfer umdeklariert.

Der Republikaner hatte bei dem Auftritt größtenteils auf Wahlkampfrhetorik verzichtet, wurde aber von Reportern mit kritischen Fragen konfrontiert. Dabei ging es vor allem um die Abschaffung der bundesweiten Katastrophenschutzbehörde Fema, die Romney bei einer Debatte der Republikaner 2011 ins Spiel gebracht hatte. Ob er nach den aktuellen Geschehnissen im Falle eines Wahlsiegs plane, die Institution aufzulösen, wollten die Reporter wissen. Eine Antwort erhielten sie nicht. Seine Sprecherin Amanda Henneberg erklärte lediglich: "Eine Regierung Romney-Ryan wird sicherstellen, dass es immer Unterstützung für Betroffene gibt. Punkt."

Die Stimmung im Land zeigt, dass Sandy längst zum Politikum geworden ist. Die Huffington Post wies auf zwei Flutkatastrophen in Massachusetts hin, die sich während Romneys Amtszeit als Gouverneur in dem Bundesstaat ereignet hatten. 2004 habe er aus Kostengründen ein Veto gegen Hochwasserschutzmaßnahmen in der Stadt Peabody eingelegt. Wenig später sei die Innenstadt des Ortes überflutet worden. Im Jahr 2005 sei er bei einer Überflutung in der Gegend um Greenfield für die örtlichen Verantwortlichen nicht erreichbar gewesen, weil er sich im Vorwahlkampf um die republikanische Präsidentschaftsnominierung befunden habe.

Die Lobbygruppe "Americans For Tax Reform" wiederum verteilte im von Sandy betroffenen US-Bundesstaat Virginia Flyer, auf denen Obama vor Sturmwolken zu sehen ist. "Wir kennen Stürme in Virginia - aber keinen wie diesen", heißt es dort, "Barack Obamas politische Entscheidungen haben dazu geführt, dass unsere Schulden jeden Tag um vier Milliarden Dollar steigen."

Ab Donnerstag werden beide Kandidaten wieder voll in den Wahlkampf einsteigen. Obama kündigte Auftritte in Wisconsin, Nevada und Colorado an - in den umkämpften Bundesstaaten liegt er mit seinem republikanischen Herausforderer weiterhin nahezu Kopf an Kopf. Zwischen Samstag und Dienstag wird sich der Wahlkampf dann größtenteils auf Ohio konzentrieren. In dem möglicherweise wahlentscheidenden Staat liegt der Präsident laut einer am Mittwoch veröffentlichten Erhebung des TV-Senders CBS und der Zeitung New York Times fünf Prozentpunkte vor Romney.

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