Friedensnobelpreis:Die Rede von Barack Obama im Wortlaut

Wie US-Präsident Obama auf die Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo reagiert hat: Auszüge aus seiner Rede im Wortlaut.

US-Präsident Barack Obama hat bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises den Einsatz von Gewalt als notwendiges Mittel der Politik verteidigt. sueddeutsche.de dokumentiert Auszüge aus der Rede.

"Ich nehme diese Ehre mit tiefer Dankbarkeit und großer Demut entgegen. Es ist eine Auszeichnung, die unsere größten Hoffnungen anspricht, dass ungeachtet aller Grausamkeiten und Mühsal in der Welt unsere Handlungen doch von Bedeutung sind, dass wir nicht nur Gefangene unseres Schicksals sind. (...)

Ich wäre nachlässig, wenn ich die verständliche Kontroverse darüber nicht wahrnehmen würde, die Ihre großzügige Entscheidung erzeugt hat. Teilweise liegt das daran, dass ich noch am Anfang und nicht am Ende meiner Arbeit auf der Weltbühne stehe. Verglichen mit einigen Großen der Geschichte, die diese Auszeichnung erhalten haben - Schweitzer und King, Marschall und Mandela -, sind meine Verdienste gering. (...)

Doch die schwerwiegendste Tatsache, die meinen Empfang dieses Preises begleitet, ist die, dass ich der Oberbefehlshaber der Armee einer Nation bin, die in zwei Kriegen steckt. Einer dieser Kriege flaut gerade ab. Der andere ist ein Konflikt, den Amerika nicht gesucht hat; einer, in dem wir von 43 anderen Ländern - einschließlich Norwegen - begleitet werden, in dem Bestreben, uns und alle anderen Länder vor weiteren Angriffen zu schützen.

"Einige werden töten. Andere werden getötet werden"

Wir sind weiter im Krieg, und ich bin verantwortlich für die Stationierung Tausender junger Amerikaner, die in einem fernen Land kämpfen. Einige werden töten. Andere werden getötet werden. Und deshalb komme ich mit einem ausgeprägten Sinn dafür hierher, wie hoch die Kosten eines bewaffneten Konflikts sind - bewegt von den schwierigen Fragen über die Beziehung zwischen Krieg und Frieden und unser Bemühen, das eine durch das andere abzulösen. (...)

Die Welt erschauert nicht länger unter der Bedrohung eines Krieges zwischen nuklearen Supermächten, aber die Verbreitung von Waffen kann das Risiko der Katastrophe erhöhen. Terrorismus existiert seit langem, doch die moderne Technologie ermöglicht es einer kleinen Gruppe von Menschen in ihrer rasenden Wut, Unschuldige in einem erschreckenden Ausmaß zu ermorden. (...)

In den Kriegen von heute sterben mehr Zivilisten als Soldaten; sie säen die Saat künftiger Konflikte, schwächen die Volkswirtschaften, brechen Zivilgesellschaften entzwei, vermehren die Zahl der Flüchtlinge und versetzen Kinder in Angst und Schrecken.

Harte Arbeit

Ich bringe heute keine Lösung für die Probleme des Krieges mit. Was ich weiß, ist, dass es, um diesen Problemen zu begegnen, gleichermaßen einer Vision und harter Arbeit bedarf, damit wir das Handeln der mutigen Männer und Frauen der vergangenen Jahrzehnte fortführen.

Wir müssen die harte Wahrheit anerkennen, dass wir während unseres Lebens gewaltsame Konflikte nicht ausmerzen werden. Es wird Zeiten geben, in denen Nationen - allein oder gemeinsam - den Einsatz ihres Militärs nicht nur für nötig halten, sondern auch für moralisch gerechtfertigt. (...)

Ich sehe die Welt, wie sie ist, und ich kann die Augen nicht vor den Bedrohungen für das amerikanische Volk verschließen. Es steht fest: Das Böse existiert in der Welt. Eine gewaltfreie Bewegung hätte Hitlers Truppen nicht aufhalten können. Verhandlungen können die Anführer der al-Qaida nicht dazu bringen, ihre Waffen niederzulegen.

Zu sagen, dass der Einsatz des Militärs manchmal nötig ist, ist kein Aufruf zum Zynismus. Es ist die Wahrnehmung der Geschichte, der Unzulänglichkeiten der Menschheit und der Begrenztheit der Vernunft. (...)

Wo der Einsatz der Armee nötig ist, haben wir ein moralisches und strategisches Interesse, uns an einen Verhaltenskodex zu halten. Und selbst dort, wo wir auf einen teuflischen Feind stoßen, der sich an keine Regeln hält, glaube ich, dass die Vereinigten Staaten von Amerika die Fahnenträger in der Kriegsführung bleiben müssen. Das unterscheidet uns von unseren Gegnern. Das ist Quell unserer Stärke. Deshalb habe ich Folter verboten. Deshalb habe ich angeordnet, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen. Und deshalb habe ich Amerikas Verpflichtung bestätigt, sich an die Genfer Konventionen zu halten. (...)

Ein weiterer Punkt ist die Art des Friedens, den wir suchen. Denn Frieden ist nicht nur die Abwesenheit des sichtbaren Konflikts. Nur ein Frieden, der auf den unveräußerlichen Rechten und der Würde des Einzelnen beruht, kann ein wirklicher dauerhafter Frieden sein. (...)

Gerechter Frieden

Ein gerechter Frieden beinhaltet nicht nur zivile und politische Rechte - er muss wirtschaftliche Sicherheit garantieren. Wahrer Frieden heißt nicht nur, frei von Angst zu sein, sondern frei von Mangel.(...)

Es ist ohne Zweifel richtig, dass Entwicklung nicht ohne Sicherheit stattfinden kann. Es stimmt auch, dass es keine Sicherheit geben kann, wo Menschen nicht genug zu essen haben oder sauberes Wasser oder die Medizin, die sie zum Überleben brauchen.

Angesichts des schwindelerregenden Tempos der Globalisierung und der Modernisierung ist es keine Überraschung, dass die Menschen Angst haben, das zu verlieren, woraus sie ihre eigene Identität ziehen - ihre Rasse oder Ethnie und vielleicht am stärksten ihre Religion. An einigen Orten hat diese Angst zu Konflikten geführt. Und manchmal hat es den Anschein, als bewegten wir uns rückwärts. Wir sehen das im Nahen Osten, wo sich der Konflikt zwischen Arabern und Juden zu erhärten scheint. Wir sehen das in allen Ländern, die durch ethnische Grenzen entzweit sind. (...)

Lasst uns nach einer Welt streben, wie sie sein sollte - danach, dass der Funken des Göttlichen sprüht, der unsere Seelen nach wie vor berührt. Irgendwo heute, im Hier und Jetzt, sieht sich ein Soldat besiegt aber er setzt sich weiter hart für den Frieden ein. Irgendwo heute, in dieser Welt, sieht sich eine junge Demonstrantin mit der Brutalität ihrer Regierung konfrontiert, aber hat den Mut, weiterzumarschieren.

Irgendwo jetzt nimmt sich eine Mutter, die von Armut gestraft ist, die Zeit ihrem Kind beizubringen, dass die grausame Welt auch einen Platz für seine Träume hat."

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