Junge Republikaner schlagen neue Richtung ein:"Wir müssen aufhören, eine dumme Partei zu sein"

Latinos, Schwarze, Junge, Frauen, Schwule: Die Liste der Wähler, die das Programm der Republikaner abschreckt, ist lang. Die Partei hat sich abgeschottet, ist taub geworden für die Anliegen der Mehrheit im Land. Einige junge Republikaner haben das verstanden. Sie fordern eine Öffnung zur Mitte der Gesellschaft - und die Rückkehr der Intelligenz.

Nicolas Richter, Washington

File photo of placards and campaign stickers at the Latino regional headquarters for the Obama campaign in Milwaukee

"Latinos für Obama", steht auf einem Wahlprospekt. Das Programm der Republikaner schreckt viele Latinos und andere Wähler ab.

(Foto: REUTERS)

Manchmal in dieser Woche klang die amerikanische Rechte, als wolle sie so bleiben, wie sie ist. Ihr unterlegener Präsidentschaftskandidat Mitt Romney sagte, Barack Obama habe sich seinen Wahlsieg durch "Geschenke" an Schwarze und Latinos erkauft. Im Staat Maine erzählte der örtliche Parteichef von Betrug: Am Wahltag habe er "Dutzende" Schwarze gesehen an den Urnen, obwohl in Maine kaum Schwarze leben. Und im Fernsehen sagte der Fox-News-Moderator Sean Hannity voraus, bald werde eine neue Wirtschaftskatastrophe über das Land kommen, aber die Amerikaner hätten eben den Präsidenten, den sie verdienten.

Das hört sich ziemlich düster an, aber für Teile der Rechten auch schön vertraut. Es ist die Welt, in der sich die Republikaner eingerichtet haben: Präsident Obama ist demnach ein kenianischer Sozialist, der das Geld reicher Leute stiehlt. Diese übersichtliche Welt mag in den Köpfen etlicher Republikaner existieren, aber die Wahl am 6. November hat bewiesen, dass sie nun mal nicht der Vorstellung der wählenden Mehrheit entspricht.

Alte Feindbilder, neue Zukunft

Während Romney und Fox News ihre alten Feindbilder malten, saßen dieser Tage in Las Vegas die republikanischen Gouverneure zusammen, um über die Zukunft zu reden. Der Vorsitzende der Gouverneursrunde, Bobby Jindal aus Louisiana, fand Romneys "Geschenke"-Gefasel so spalterisch wie antiquiert. "Ich lehne das absolut ab", sagte er über den Mann, der eben noch Präsident werden sollte. Der indischstämmige Jindal, der selbst als künftiger Kandidat für das Weiße Haus gilt, sagte: "Wir müssen aufhören, eine dumme Partei zu sein, und das bedeutet mehr als nur aufzuhören, dummes Zeug zu reden." Romney, der die Gesellschaft gern in Gewinner und Versager aufteilt, soll demnach schleunigst die Bühne verlassen. Aber das wäre erst der Anfang der Neuerfindung.

Die Republikaner sind auf Fehler- und Sinnsuche. Viele ihrer Wortführer haben begriffen, dass es nicht reicht, die Niederlagen nur Romney und dem Wetter anzuhängen. Die Ergebnisse der Präsidenten- und Senatswahl waren so schlecht, dass sie von grundsätzlichen Schwächen zeugen. Die Partei spürt, dass sie zu viele Wähler abschreckt: Latinos, Schwarze, Junge, Frauen, Schwule. Die Republikaner haben sich zu sehr eingerichtet in einer kleinen Welt, in der nur die reine Lehre gilt. Eine Partei, die so denkt, öffnet sich nie für neue Gruppen, sondern verschließt sich vor immer neuen Feinden. Die Republikaner haben sich abgeschottet: Sie glauben nur noch sich und ihren Hausmedien, sie sind taub für die Anliegen jener Mehrheit im Land, die Präsidenten und Senatoren wählt.

Lernen, Amerika besser zu verstehen

Selbst alte Hitzköpfe wie Newt Gingrich sind jetzt entsetzt darüber, wie sehr sie sich getäuscht haben mit ihrer Prognose, Mitt Romney werde gewinnen. "Ich lag letzte Woche falsch, wie fast jeder Republikaner", sagte Gingrich, "also muss man innehalten und sich fragen, was man lernen muss, um Amerika besser zu verstehen". Es ist die Anweisung für eine Partei, die den Bezug zur Wirklichkeit verloren hat.

Immerhin haben so gut wie alle Wortführer auf der Rechten verstanden, dass sie ihr Latino-Problem lösen müssen. Die Bevölkerungsgruppe, die am schnellsten wächst, ist für die Republikaner am schnellsten geschrumpft. George W. Bush erhielt vor acht Jahren 44 Prozent ihrer Stimmen, Romney nur noch 27. Weil illegale Einwanderer den Latinos am Herzen liegen, sind viele Rechte nunmehr bereit, die Illegalen anzuerkennen.

Es reicht nicht, sich einen Sombrero aufzusetzen

Allerdings warnen konservative Aktivisten, dass es nicht reicht, sich einen Sombrero aufzusetzen, um wieder das Weiße Haus zu erobern. Viele der katholischen Latinos glauben zwar wie die Republikaner, dass Abtreibung verwerflich ist, aber sie teilen nicht den Glauben der amerikanischen Rechten, dass der Staat ein grundsätzliches Übel ist. Die Annäherung also wird schwierig, aber die Republikaner wissen: Wenn sie die Latinos nicht bald zurückgewinnen, fällt eines Tages sogar ihre Hochburg Texas den Demokraten in die Hände.

Aber die Probleme reichen auch weit in ihre weiße Stammwählerschicht hinein. Romney hat auch dort verloren, wo die Bevölkerung überwiegend weiß ist: Im Staat New Hampshire, in Iowa, in Wisconsin. Nicht einmal im Städtchen Janesville, der Heimat seines Vize-Kandidaten Paul Ryan, hat Romney gewonnen.

Die jungen Talente der Partei wie Bobby Jindal, 41, werden seit der Wahl sehr grundsätzlich. "Wir dürfen nicht die Partei des großen Business sein, der großen Banken, der großen irgendwas", sagte er dem Onlinedienst Politico und beklagte das primitive Niveau etlicher Kandidaten, die sich um Sitze im Kongress beworben und mit unwirklichen Bemerkungen etwa zur Vergewaltigung diskreditiert hatten. "Einige Republikaner haben unsere Marke mit anstößigen, seltsamen Kommentaren beschädigt, wir können das nicht mehr tolerieren. Wir müssen aufhören, simplistisch zu sein und die Intelligenz der Wähler zu beleidigen."

Eine konstruktive Botschaft fehlt

Programm und Kandidaten der Partei gelten seit Jahren als erschreckend einfältig: Die Republikaner haben sich nur dadurch definiert, dass sie Obama ablehnen, das Konjunkturpaket, die Gesundheitsreform, höhere Steuern. Eine konstruktive Botschaft fehlte meist. Und aus den Vorwahlen der Partei gingen regelmäßig Kandidaten hervor, die außerhalb der Partei nicht vermittelbar waren.

Amerikas Rechte lebte zuletzt in einer Blase; sie hielt die Dauerpropaganda von Fox News, rechter Radio-Talkshows und Blogs für die Wirklichkeit. Jetzt werfen auch rechte Kommentatoren wie David Frum diesem "conservative entertainment complex" vor, die Republikaner ausgenutzt und belogen zu haben: "Dieser Komplex hat die Idee verkauft, dass die Konservativen die wirkliche Mehrheit sind in Amerika." Der einflussreiche Fox-Moderator Sean Hannity gestand zwar, dass man bei den Latinos was machen müsse, ansonsten aber setzte er sein übliches Programm fort: Es besteht seit Monaten aus dem Versuch, den Terrorangriff auf das US-Konsulat in Libyen in ein zweites Watergate umzudeuten, das den Präsidenten stürzen müsste. Es ist jene Welt der schlichten Slogans, die Jindal beklagt.

Dabei hat die Partei genug junge, kluge Talente, vor allem unter ihren Gouverneuren. Neben Jindal sind dies Männer wie Chris Christie oder Frauen wie Nikki Haley und Susana Martinez. Sie alle betonen, dass sie konservativ sind, dass sie ausgeglichene Etats und Sozialkassen wünschen, dass sie auf Eigeninitiative setzen, aber sie tun es auf eine Weise, die für die Mitte der Gesellschaft akzeptabel ist. Es ist Bill Clintons dritter Weg, nur eben von rechts kommend. Die Führungskräfte also stehen bereit. Unklar ist, ob sich die Partei bis 2016 so ändern kann, dass gemäßigte Kandidaten wie diese auch die Vorwahl überleben.

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