Militäreinsätze unter Obama:Machtpolitik per Joystick

Isolation statt Invasion, Cyberangriffe statt Soldateneinsätze: Obamas Politik des Rückzugs ist ein Produkt der Kriegsskepsis, aber auch der finanziellen Erschöpfung. Nun sinken zwar die Kosten, doch die Kriegsführung des Präsidenten ist nicht weniger grausam als die seines Vorgängers.

Ein Kommentar von Nicolas Richter, Washington

Unter George W. Bush funktionierte Außen- und Sicherheitspolitik so: Der amerikanische Präsident lud den saudischen Botschafter auf seine Ranch ein, erzählte ihm vom gefährlichen Saddam Hussein und ließ dann seine Truppen im Irak einmarschieren. Barack Obama hingegen würde ausländische Verbündete auch dann nicht auf seine Ranch einladen, wenn er eine hätte; ihm reicht es, mit ihnen zu telefonieren. Vor allem aber möchte Obama keinen Krieg mehr führen, seine Soldaten sollen sich nicht mehr in fernen Wüsten und Bergen verkämpfen.

US-Drohne Typ Predator Bundeswehr

Krieg per Fernbedienung: Beim Drohnenkrieg, so das Kalkül, sterben Feinde, ohne dass Amerikaner sterben.

(Foto: dpa)

Obamas designiertes Trio für die Außen- und Sicherheitspolitik zeigt mehr denn je, wie viel Nüchternheit und Distanz in das Verhältnis Amerikas zum Rest der Welt eingekehrt ist. Der künftige Außenamtschef John Kerry und der Verteidigungsminister Chuck Hagel sind Vietnam-Veteranen; anders als Bush haben sie Krieg selbst erlebt und möchten das den Jüngeren ersparen. Der neue CIA-Chef John Brennan wiederum hat bisher im Weißen Haus am Krieg der Zukunft getüftelt und Amerikas Feinde mit ferngesteuerten Drohnen töten lassen. Mehr noch als in der ersten Amtszeit wird Obama seine Außen- und Sicherheitspolitik nun wie eine Drohnenflotte betreiben: mit dem Joystick.

Die Zeit des großen Geldes ist vorbei

Hagel wird es als Chef des Pentagons obliegen, die Verschlankung seines eigenen Ressorts zu moderieren. Er wird nicht nur die Truppen aus Afghanistan zurückholen, sondern Amerikas Militär erklären müssen, dass die Zeit des großen Geldes vorbei ist. Dem Volk ist der uferlos teure Gesundheitsschutz für Senioren wichtiger als die Stabilität Afghanistans - früher konnte es sich beides leisten, heute nur noch eines.

Das mag jene erfreuen, die jede Intervention der Amerikaner schon immer für imperialistisch hielten, aber es bedeutet eben auch, dass zum Beispiel die Syrer sich selbst überlassen bleiben. Konzepte wie die "Verantwortung zu schützen", einst auch unter US-Einfluss bei den Vereinten Nationen entwickelt, erweisen sich heute als Luxus, den sich Amerikaner und Europäer nicht mehr leisten können. Obama und seine Neuen im Kabinett sind überzeugte Kriegsskeptiker, aber ihre Politik des Rückzugs ist auch ein Ergebnis psychischer und finanzieller Erschöpfung.

Bedauerlich, aber unvermeidlich

Statt ihre Ressourcen in großen Feldzügen zu verschleudern, werden die USA sie künftig klüger, präziser einsetzen und dabei weniger Risiken eingehen. Brennan dürfte die CIA von einer Anti-Terror-Kriegsmaschine zur Spionageagentur zurückbauen. In der Außenpolitik hat Hillary Clinton, die Noch-Außenministerin bereits den Weg der "soft power" gepriesen: Amerika nimmt weniger Einfluss durch sein Militär als durch Entwicklungshilfe, Kooperation und Sanktion. Kerry wird dies als reisender Diplomat fortsetzen, vor allem in Asien wird er an neuen Bündnissen und Allianzen arbeiten. Die Feinde der USA, vor allem Iran, müssen keine Invasion fürchten, wohl aber wachsende Isolation, Cyber-Angriffe und im äußersten Fall ein paar bunkerbrechende Raketen auf ihre Atomanlagen.

Es wäre naiv, Amerikas Machtpolitik mit der Fernbedienung nicht für interessengeleitet - und oft auch grausam - zu halten. Das Kalkül hinter Brennans Drohnenkrieg ist eben ein Kalkül mit positivem Ergebnis aus US-Sicht, weil Feinde sterben, ohne dass Amerikaner sterben. Kommen Unschuldige ums Leben, oder selbst Übeltäter ohne jeden Prozess, so gilt dies in Washington zwar als bedauerlich, aber im Sinne der eigenen Sicherheit als leider nicht zu vermeiden. Ähnlich verhält es sich mit Entführungen von Terrorverdächtigen im Ausland, die auch unter Obama noch andauern. So gesehen ist auch dieser Präsident zuweilen skrupellos. Anders als Bush aber ist er dabei leise und achtet darauf, dass die Kosten überschaubar bleiben.

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