Rekordzahlen bei VW:Kampf um die Vorherrschaft in der Autoindustrie

VW Auto

Verkauft viele Autos: VW

(Foto: AFP)

Erstmals hat Volkswagen die Marke von neun Millionen verkauften Fahrzeugen geknackt. Damit rückt das Unternehmen in große Nähe zu den Rivalen General Motors und Toyota, die durch Wirtschaftskrise und Managementfehler Terrain eingebüßt haben. Warum Volkswagen der erfolgreichste Automobilkonzern der Welt werden kann.

Von Artur Lebedew und Sascha Gorhau

Europa steuerte gerade mit viel Schwung auf die Krise zu, als für Volkswagen plötzlich alles möglich zu werden schien: In den Jahren 2009/2010 wurde erstmals deutlich, dass Volkswagen es tatsächlich schaffen könnte, bis 2018 die absolute Nummer eins in der Automobil-Welt zu sein.

Verkündet hatte VW-Chef Martin Winterkorn diese Marschroute kurz nach seinem Amtsantritt im Jahr 2007. Seinerzeit schienen es allerdings eher die Allmachtsträume eines Managers zu sein, zu mächtig war der große Rivale Toyota.

Doch als die Japaner wenig später Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten zurückrufen musste und General Motors kollabierte, wusste man in Wolfsburg: Vorteil Volkswagen.

Die Auto-Riesen in Japan und den USA haben sich zwar inzwischen erholen können, doch Volkswagen hat den Vorsprung verkleinert. Im Jahr 2012 wurden gut neun Millionen Fahrzeuge ausgeliefert - das war ein Plus von elf Prozent und bedeutete: Absatzrekord. Gleichwohl liegen GM und Toyota noch vorne: Denen trauen Experten einen Absatz von voraussichtlich 9,2 (GM), beziehungsweise 9,7 Millionen (Toyota) verkaufte Autos zu.

"VW steckt nicht zurück, wir bleiben auf der Überholspur", sagt ein angriffslustiger Konzernchef Winterkorn bei der Bekanntgabe der aktuellen Zahlen.Trotz der positiven Ergebnisse, versucht die VW-Führungsriege die Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben - die Lage ist zu unsicher.

Acht Prozent weniger Absatz in Europa

Zum Beispiel in Europa: Hier brach der Absatz 2012 mit 3,7 Millionen verkauften Autos wohl um acht Prozent ein. Etwa drei Millionen Autos würden hier zu viel produziert, bestätigte Winterkorn. Man sei dennoch zuversichtlich, die Fabriken in Zukunft auszulasten. Wie das gehen soll, verschwieg jedoch der VW-Chef.

Außerordentlich positiv hingegen entwickelte sich das vergangene Jahr für VW in den USA. Dort überflügelten die Autobauer ihren alten Rekord aus den 70er Jahren, als der Käfer einen Verkaufsboom auslöste. Nun heißen die Verkaufsschlager Jetta und Passat. Der US-Absatz stieg um satte 34 Prozent auf 596.000 Exemplare.

Dennoch hat VW auf dem stark umkämpften amerikanischen Markt weiterhin Probleme. Nur vier Prozent der in den USA verkauften Autos trugen 2012 das Emblem von VW. Am Dienstag will VW deshalb im mexikanischen Silao sein nun weltweit hundertstes Werk eröffnen und von dort verstärkt in die USA exportieren. In Silao sollen Motoren für die verschiedenen Modelle zusammengeschraubt werden, ab 2016 soll dann ein sportlicher Geländewagen vom Band rollen.

Ob die Strategie der günstigen Produktion in Mexiko aufgeht, muss sich zeigen. Die Amerikaner kaufen lieber Autos, die in den USA gefertigt worden sind.

China bleibt wichtigster Absatzmarkt

China bleibt wichtigster Absatzmarkt

Der wichtigste Absatzmarkt für VW auf dem Weg zur Nummer eins bleibt aber China. Auch hier legte der Konzern 2012 um ein Viertel auf 2,8 Millionen zu. VW profitiert von guten Beziehungen im Land, doch China-Chef Jochen Heizmann äußerte Bedenken, dass es in Zukunft so weiter geht.

Man wolle zwar die führende Position behalten, "aber wir erwarten künftig schwierige Bedingungen für die Autoindustrie", sagte Heizmann. Wo diese liegen, sagte er nicht. Doch die Konkurrenz aus China selbst dürfte VW in Zukunft zu schaffen machen: Die Zeiten, als die Chinesen die Märkte mit billigen Kopien zu erobern versuchten, sind vorbei.

Als Großangriff auf die Autobranche bewerten Experten etwa die Verhandlungen um einen möglichen Einstieg des chinesische Staatsfonds China Investment Corporation (CIC) bei Daimler. Rund zehn Prozent von Daimler sollen nach China gehen. Das brächte dann deutlich mehr Qualität ins Land, ein Sprung, der sich nicht mit den bereits erfolgten Käufen von Saab oder Volvo vergleichen ließe. In den nächsten Jahren will China die Welt selbst mit Autos beliefern und eine Handvoll Konzerne auf Augenhöhe mit Toyota oder VW aufbauen.

Doch kein anderer Konzern ist inzwischen im Automobilbereich so breit aufgestellt wie die Wolfsburger - das kommt dem Unternehmen nun zugute. Vom Kleinstwagen (VW Up) bis zum Luxusschlitten (Bentley oder Bugatti), vom Edelmotorrad (Ducati) bis zum Lastwagen (MAN oder Scania): Alles ist dabei.

Das schafft Synergien, etwa durch das Baukastenprinzip in der Fertigung. Aggregate und Plattformen können konzernübergreifend verbaut werden und straffen so Entwicklungs- und Fertigungskosten. Der Kunde weiß das. Und schätzt das Vertraute, das er auch in anderen Marken des Konzerns vorzufinden weiß. Wer einen Golf gefahren hat, findet sich auch in einem Audi zurecht. Und wer einen Seat besessen hat und irgendwann über mehr Geld verfügt, der kann sich, auch ohne sich groß umstellen zu müssen, in einen Golf GTI oder einem Porsche setzen.

Die zahlreichen Technologien und Antriebe wiederum durchlaufen auf verschiedenen Märkten unterschiedliche Lebenszyklen. In Brasilien beispielsweise baut VW noch heutzutage nahezu unverändert den alten VW Bus des Typs T2. In Deutschland lief das letzte Exemplar des Bullis 1979 vom Band - in Brasilien immer noch jeden Tag 120 Stück. Die Technik in Europa hat sich weiterentwickelt, doch auf dem brasilianischen Markt sind robuste und leicht zu wartende Fahrzeuge noch immer stark gefragt. Und während die Europäer erst langsam wieder Limousinen mit Stufenheck als schick empfinden, sind sie im Rest der Welt schon lange ein Renner - also verkauft Volkswagen sie als Jetta oder Classico eben in den USA oder Mexiko. Jede Marke spielt im Konzern ihre Rolle.

Der Markenkern: VW.

Vom Kleinstwagen bis zur Luxuskarosse

Der meistverkaufte Kleinstwagen war in Deutschland 2012 der VW Up. Der meistverkaufte Kleinwagen war hingegen der VW Polo, bei den Kompaktwagen stand der VW Golf ganz oben und in der Mittelklasse der VW Passat.

Sogar in der Kategorie der Geländewagen weist das Kraftfahrtbundesamt (KBA) den VW Tiguan als erfolgreichsten seiner Klasse aus. Volkswagen ist nicht nur im Stammland Deutschland das Rückgrat des VW-Konzerns, auch international steht die Marke für Tradition und deutsche Wertarbeit. Kritiker bemängeln allerdings, dass ein VW inzwischen zu teuer für die kleinen Leute geworden sei.

Emotionen made in Germany: Audi und Porsche.

Als kühl, technokratisch und fast schon klinisch perfekt gelten Audis. Zudem hat es die Ingolstädter VW-Tochter geschafft, Kompetenz im Bereich der Allradfahrzeuge fest in die Außenwahrnehmung der Marke zu integrieren. Bekanntheit und Reputation der Marke unterscheiden sich weltweit jedoch stark: In China genießt Audi hohes Ansehen, in den USA hingegen ist die Marke einem Drittel der Bevölkerung völlig unbekannt. Ganz im Gegensatz zu Porsche. Die Autos aus Zuffenhausen sind weltweit ein Mythos. Dabei sind es eben nicht die Sportwagen aus dem Hause Porsche, die der Marke international das Überleben sichern, sondern das SUV Cayenne. Jeder zweite verkaufte Porsche weltweit ist ein Cayenne. Deshalb soll der Pseudo-Geländewagen bald einen kleinen Bruder erhalten, den Macan. Technik und Plattform soll ein bekanntes Modell aus dem VW-Konzern spenden: der Audi Q5.

Brot und Butter: Seat und Skoda.

Günstig und sportlich sollen Fahrzeuge aus dem Hause Seat sein. Der Kleinwagen Ibiza ist das meistverkaufte Modell der Marke. Doch manche Modell der Spanier fielen in der Vergangenheit mit Qualitätsmängel negativ auf. Seat schreibt trotz einer guten Entwicklung aktuell noch immer Verluste - nicht zuletzt, weil fast nur in Spanien, Portugal und Deutschland eine Rolle auf dem Automobilmarkt spielt. Ganz im Gegensatz zu Skoda. 2012 haben die Tschechen so viele Autos verkauft wie nie zuvor in der Unternehmensgeschichte, 939.200 Stück. Dabei legte Skoda - bekannt für günstige und praktische Automobile - vor allem in wachstumsstarken Märkten wie Osteuropa oder Indien zu. Die Chancen stehen gut, dass die VW-Tochter 2013 die Millionen-Marke knacken kann. Dazu wurde das Kernmodell der Marke, der Octavia, komplett überarbeitet.

Handwerksgesellen: MAN, Scania und VW Nutzfahrzeuge.

Auch im Geschäft mit Nutzfahrzeugen ist der VW-Konzern präsent. MAN und Scania verkaufen LKW, Volkswagen Nutzfahrzeuge bietet Kleinlaster und Transporter an. Lastwagen hatten im Jahr 2012 allgemein einen sinkenden Absatz, davon waren auch die VW-Marken betroffen. 2013 allerdings sollen die Verkäufe wieder steigen, auch weil verschärfte Emissionsgrenzen das Geschäft beleben sollen. Volkswagen Nutzfahrzeuge verdient viel Geld mit Klassikern wie dem Bus oder dem Caddy. Überraschungssieger war 2012 der Pickup Amarok. Er konnte allein in den ersten sieben Monaten des Jahres um mehr als 20 Prozent zulegen.

Exotische Träumereien: Ducati, Lamborghini, Bentley, Bugatti.

Marken wie Ducati, Lamborghini oder Bentley verleihen dem biederen niedersächsischen Konzern Extravaganz und Exklusivität. Viel Wirbel verursachte vor allem der Kauf der italienischen Motorradschmiede Ducati im April 2012. Die Übernahme soll vor allem der motorradbegeisterte Firmenpatriarch Ferdinand Piëch forciert haben. Immerhin wissen die Italiener, wie man mit zwei Zylindern 200 PS Leistung generiert. Das kann sehr nützlich sein im Anbetracht der Downsizing-Strategie im aktuellen Motorenbau. Downsizing ist aktuell bei Bentley, Bugatti oder Lamborghini kein Thema. Zwar versprechen auch die Luxuxswagenbauer sinkende Verbräuche für ihre Modelle - doch Leistungswerte von deutlich mehr als 700 PS und Zwölfzylindermotoren sorgen eher für Sportwagengefühle denn ein sauberes Ökogewissen.

Der Kampf um die Spitze in der Automobilbranche wird in den kommenden Jahren mit großer Härte geführt werden. Volkswagen wird es schwer haben - immerhin: das Unternehmen ist gut gerüstet.

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