Fahrgastverband:Eklat bei Pro Bahn

Eigentlich ist Pro Bahn ein kritischer Verband, der die Interessen von Fahrgästen vertritt. Nun schmeißt einer der drei stellvertretenden Vorsitzenden hin - weil er die Unabhängigkeit von Pro Bahn in Gefahr sieht.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Es sind zwei Aussagen, über die man normalerweise gar nicht groß stolpern würde: Als die Deutsche Bahn im September vergangenen Jahres wieder einmal ankündigte die Preise zu erhöhen, da zeigte der Ehrenvorsitzende des eigentlich kritischen Fahrgastverbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann, in der Welt Verständnis für die Maßnahme: "Wenn man die gestiegenen Energiekosten zugrunde legt, ist die Anhebung nachvollziehbar. Zumal wenn man sie mit der der Verkehrsverbünde vergleicht, die überwiegend höher ausfallen."

Derselbe Naumann äußerte sich vor wenigen Tagen im Handelsblatt kritisch über den privaten Fernzug HKX, der der Bahn seit einem halben Jahr zwischen Hamburg und Köln Konkurrenz macht. "Leider hat der HKX nicht gehalten, was er zu Beginn versprochen hat", sagte Naumann. Beides Aussagen, die die Bahn sicher gern vernommen hat, waren sie doch ganz in ihrem Sinne.

Beides zudem Aussagen, die natürlich völlig legitim sind. Und doch machen sie spätestens dann stutzig, wenn man weiß, dass Naumann, 62, gerade kurz davorsteht, mit einer Aufgabe betraut zu werden, die seinen Lebensunterhalt bis zur Rente sichern würde - und die indirekt von der Bahn bezahlt wird.

Im Verband ist es deshalb zu einem Eklat gekommen. Nach einer Sitzung des Bundesausschusses warf jetzt einer der drei stellvertretenden Vorsitzenden hin: der Trierer Verkehrswissenschaftler Heiner Monheim. Er warf dem Vorstand vor, "durch Annahme von Geldern aus dem Bahnumfeld", die Unabhängigkeit von Pro Bahn preiszugeben.

Unabhängigkeit von Pro Bahn gefährdet?

Hintergrund ist eine Entwicklung, die bereits vor einem Jahr ihren Lauf nahm: Damals verhandelte Naumann, nachdem er seinen Job in einem Chemielabor verloren hatte, mit Bahnchef Rüdiger Grube über eine Art Beratervertrag. Als es jedoch in und außerhalb von Pro Bahn Kritik an dem Seitenwechsel gab, brachen die Verhandlungen ab.

Wie Monheim jetzt in einer Presseerklärung mitteilte, hatte Naumann daraufhin eine neue Idee, seine berufliche Zukunft abzusichern. Demnach will sich Naumann, der bisher wie fast alle Verbandsmitglieder ehrenamtlich gearbeitet hatte, nun für drei Jahre von Pro Bahn fest anstellen und bezahlen lassen. In dieser Zeit soll er untersuchen, was genau getan werden muss, damit Bahnkunden und -personal sich sicherer fühlen, also beispielsweise nachts im Zug oder in dunklen Unterführungen.

Finanziert werden soll das 360.000 Euro teure Projekt aber extern, nämlich vom "Fonds für soziale Sicherung", den Gewerkschaft und Bahn-Unternehmen vor Jahren eingerichtet hatten, um Bahnmitarbeiter finanziell abzusichern. Das Geld in dem Fonds - und das ist in den Augen von Kritikern wie Monheim das Heikle an der Sache - stammt fast komplett von der Deutschen Bahn. Naumann selbst war am Dienstag nicht zu erreichen, doch Pro-Bahn-Vize Winfried Karg bestätigte, dass es solche Pläne gebe, die Verhandlungen mit dem Fonds liefen noch.

Monheim hält deshalb die Unabhängigkeit von Pro Bahn für gefährdet und sieht "Parallelen zu früheren Verhaltensweisen" der Bahn unter Hartmut Mehdorn, der Kritiker durch lukrative Angebote habe stillstellen wollen. Ein Sprecher der Bahn wies das als "absurd" zurück. Pro-Bahn-Vize Karg betonte, dass die Bahn den Fonds zwar finanziere, über die Verwendung der Mittel aber nicht mitbestimme. Selbstverständlich könne sich Naumann weiter kritisch äußern, im Übrigen sei die Sicherheit bei der Bahn ein wichtiges Anliegen, und überhaupt: Es sei Unsinn, wenn Monheim behaupte, bei dem Projekt gehe es "vor allem" um Naumanns Absicherung. Es gehe nur "auch" darum.

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