Obamas Verteidigungsminister-Kandidat:Hagel im Kreuzverhör

Senate Holds Confirmation Hearing For Chuck Hagel For Secretary Of Defense

Chuck Hagel verteidigt sich vor einem Ausschuss des US-Senats für seine Haltung zu Israel und Iran.

(Foto: AFP)

Kritik an Israel, Haltung zum Irak-Krieg: Die Republikaner werfen Chuck Hagel vor, als US-Verteidigungsminister ungeeignet zu sein. Der 66-Jährige kann die Angriffe im Streitkräfte-Ausschuss kaum entkräften. Die Chancen für Obamas Kandidat sinken.

Von Matthias Kolb, Washington

Seit US-Präsident Barack Obama Anfang Januar Chuck Hagel als neuen Verteidigungsminister nominierte, bläst dem früheren republikanischen Senator aus der eigenen Partei ein scharfer Wind entgegen. Die Konservativen werfen ihm mangelnde Solidarität mit Israel und zu große Nachgiebigkeit gegenüber Iran vor. Am Donnerstag traf der 66-Jährige seine Kritiker bei einer Anhörung im Senat - und die Skepsis bei führenden Republikanern blieb. Anders als bei Obamas neuem Außenminister John Kerry ist die Bestätigung der Personalie Hagel kein Selbstläufer - er braucht die Ja-Stimmen einiger Republikaner.

In der mehrstündigen Anhörung versuchte der frühere Senator aus Nebraska zunächst, sich als Verfechter von US-Sicherheitsinteressen zu profilieren. "Mein Weltbild hat sich nie verändert", sagte er. Die USA müssten die stärkste Militärmacht der Welt bleiben und in der internationalen Gemeinschaft eine Führungsrolle einnehmen. Dagegen zweifelte Senator Jim Inhofe, der oberste Republikaner im Streitkräfteausschuss, an Hagels Eignung. Dieser habe in den vergangenen Jahren "einen Mangel an standfester Opposition zu einer Politik gezeigt, die Macht und Einfluss der USA in der Welt verringert", sagte der Senator aus Oklahoma.

Wie groß die Vorbehalte der Konservativen sind, zeigte die heftige Auseinandersetzung zwischen dem ehemaligen republikanischen Präsidentschaftskandidat John McCain und Hagel über den Irakkrieg. McCain warf dem designierten Pentagon-Chef vor, im Jahr 2007 die US-Truppenaufstockung im Irak abgelehnt zu haben.

Dass Hagel diese Entscheidung damals als "den größten außenpolitische Missgriff seit Vietnam" bezeichnet hatte, verärgert McCain noch immer. Bissig fragte er nach: "Glauben Sie das noch immer? Ja oder Nein?" Hagel reagierte ausweichend und sagte: "Ich werde Ihnen keine Ja- oder Nein-Antwort geben. Die Geschichte wird dies entscheiden." Der einflussreiche McCain, der Hagel früher als "Freund" bezeichnet hatte, wertete dies als Verweigerung einer klaren Antwort und donnerte: "Die Geschichte hat ihr Urteil längst gesprochen. Sie stehen auf der falschen Seite."

Die Fronten in der mehrstündigen Anhörung waren klar: Die Demokraten versicherten Hagel, dem Wunschkandidaten des Präsidenten, ihre Unterstützung und akzeptieren dessen Klarstellungen. Die Republikaner ließen Hagel ihre Ablehnung spüren. Noch während der Anhörung erklärte Marco Rubio aus Florida, der nicht dem Gremium angehört, er werde gegen Hagels Entsendung in das Pentagon stimmen. "Ihre Ansichten sind noch extremistischer als die der Regierung", urteilte Deb Fischer, die wie Hagel aus Nebraska stammt.

Hagel war bemüht, sich als Freund Israels darzustellen. In einem Interview hatte er einmal den Einfluss pro-israelischer Gruppen heftig kritisiert und dabei von der "jüdischen Lobby" gesprochen, die auf US-Politiker in Washington "einschüchternd" wirke und diese dazu bringe, "dumme Sachen" zu beschließen. Lindsey Graham, Senator aus South Carolina, forderte Hagel auf, Beispiele zu nennen. Er kenne keinen Politiker, der von der Israel-Lobby bedrängt worden sei, sagte Hagel kleinlaut. Und auch auf die Bitte, Beispiele für "dumme Politik" zu nennen, konnte der 66-Jährige nur sagen: "Ich kenne keine."

Hagel betonte zudem, dass im Atomstreit mit Iran "alle Optionen" auf dem Tisch bleiben müssten - also auch ein Militärangriff. Immer wieder erklärte er, in seinen zwölf Jahren im Senat nie gegen die Interessen Israels gestimmt zu haben. Ted Cruz, ein Tea-Party-Liebling aus Texas, warf Hagel vor, den Ausschuss nicht ausreichend über seine Finanzen informiert zu haben - und auch nicht alle Redemanuskripte aus den vergangenen fünf Jahren vorgelegt zu haben: "Sie haben uns vier Texte gegeben, dabei haben Sie allein 2012 für zwölf Reden Honorar erhalten."

"Ein amerikanischer Patriot"

Danach spielte Cruz Ausschnitte aus einem Interview ein, das Hagel dem TV-Sender Al-Dschasira 2009 gegeben hatte. Cruz' Vorwurf: Der 66-Jährige habe nicht widersprochen, als eine Anruferin davon sprach, dass Israel "Kriegsverbrechen" begangen habe. Dies, so Cruz, lasse Zweifel an der Eignung des Multimillionärs für das Amt des Verteidigungsministers erkennen. In dieser wie in anderen Situationen wirkte Hagel nicht ausreichend vorbereitet - dabei hatte er stundenlang für die oft als "Grillen" bezeichnete Anhörung geübt und in den letzten Wochen Gespräche mit mehr als 50 Senatoren geführt.

Charles Timothy Hagel wurde 1946 in Nebraska geboren und wuchs in schwierigen Verhältnissen auf. Sein Vater war Alkoholiker, die Familie hatte kaum genug Geld zum Leben. Ende der 60er Jahre kämpfte er in Vietnam, in derselben Infanterieeinheit wie sein jüngerer Bruder Tom. Im Dschungel des Mekong-Deltas wurde er zwei Mal verletzt. Nach seiner Rückkehr aus Vietnam arbeitete Hagel als Radiomoderator, ehe er als Mitarbeiter eines Abgeordneten aus Nebraska in die Politik nach Washington ging.

Unter Präsident Ronald Reagan wurde Hagel Anfang der 80er Jahre Vizechef des Veteranenministeriums, trat aber aus Protest gegen Kürzungen bei den Bezügen für ehemalige Soldaten wieder zurück. Hagel gründete darauf eine Firma für Mobiltelefone mit, die aus ihm einen Multimillionär machte. Mitte der 90er Jahre zog es ihn zurück in die Politik, 1996 wurde er in den Senat gewählt.

Als Hagel 2008 aus dem Senat ausschied, lag er mit seiner Partei so über Kreuz, dass er bei der Präsidentschaftswahl nicht McCain, sondern Obama unterstützte. Die beiden hatten in ihrer gemeinsamen Zeit im Außenausschuss des Senats ein enges Verhältnis aufgebaut.

Hagel stünde als Verteidigungsminister vor der Herausforderung, unter Spardruck die schlagkräftigste Armee der Welt neu auszurichten. Der Politiker aus Nebraska sei ein "amerikanischer Patriot" und "ein Führer, den unsere Soldaten verdienen", lobte ihn Obama bei der Vorstellung Anfang Januar. Das Weiße Haus war zuversichtlich, dass der Senat grünes Licht für die Nominierung gibt. Weil dafür aber 60 Stimmen nötig sind, braucht Obama neben seinen Demokraten auch die Unterstützung von einer Handvoll republikanischer Senatoren.

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