US-Sparprogramm:Es tut weh

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Barack Obama mit einer Schar von Feuerwehrleuten und Polizisten. Während des Auftritts vergangene Woche beklagte er, dass ausgerechnet Amerikas Nothelfer zu den ersten Spar-Opfern zählen würden..

(Foto: AFP)

Zwangsurlaub für Luftwaffen-Piloten, entlassene Lehrer und keine Mietzuschüsse mehr für die Ärmsten: Ab März wird Amerika hart sparen müssen. Die Hoffnung, dass sich Präsident und Kongress noch auf einen Etat-Kompromiss einigen, schwindet.

Von Christian Wernicke, Washington

Amerika droht Gefahr. Das sagen alle. Die Generäle bangen um die nationale Sicherheit, Sozialverbände fürchten um Menschenleben, Wissenschaftler warnen vor Engpässen bei der Versorgung mit Fleisch und Eiern. Präsident Barack Obama beklagt, die Nation werde "harte, schädliche Einschnitte" durchleiden. Und John Boehner, der oberste Republikaner in Washington, lamentiert, was da zukomme auf sein Volk sei "hässlich und gefährlich".

Nein, niemand in Washington will das. Und doch - es wird wohl so kommen. Von März an wird Amerika im Innern darben - und sich draußen als Weltmacht schwächen.

Das Verteidigungsministerium muss demnächst über 800 000 Zivilangestellte 22 Wochen lang jeweils einen Tag in unbezahlten Zwangsurlaub schicken. Für vier Fünftel aller Armeesoldaten fällt von März an das nötige Training aus. Von Mai an dürfte zwei von drei Piloten der Luftwaffe mangels Flugübung die Einsatzbereitschaft fehlen. Die Navy warnt, im Persischen Golf werde demnächst nur noch einer statt bisher zwei Flugzeugträgern kreisen.

Auch daheim wird gespart. Per Stellenstopp, Überstundenverbot und blauen Briefen. Mit Folgen überall: 2100 weniger Lebensmittelkontrollen bedeuten weniger Rindfleisch, Hühnerbrust und Eier im Supermarktregal. 125 000 Amerikanern droht - ohne Mietzuschuss - ein Leben auf der Straße, 600 000 Mütter und Kinder müssen ohne Lebensmittelhilfe auskommen. 14 000 Lehrer erwartet die Entlassung.

Uncle Sam muss sparen. Seit zwanzig Monaten steht das fest. Damals, im August 2011, drohte Amerika die Staatspleite. Um die Zahlungsunfähigkeit der Nation abzuwenden, einigten sich Präsident Obama und seine republikanischen Widersacher auf ein Gesetz, das eigentlich niemand wollte: Von 2013 an würden alle nicht-obligatorischen Bundesausgaben in einem Zeitraum von neun Jahren um 1,2 Billionen Dollar gekappt.

Vergiftetes Polit-Klima

Diese Haushaltspolitik per Rasenmäher war seinerzeit als Abschreckung gemeint. Präsident und Kongress wollten sich selbst Beine machen - einhellig beteuerten Demokraten wie Republikaner seinerzeit, man werde bis 2013 die drohende Axt durch ein feines Skalpell ersetzen und per zeitiger Reform "klüger sparen".

Nur, im vergifteten Polit-Klima der Hauptstadt scheiterten seither sämtliche Versuche, einen besseren Kompromiss zu finden. In nur sechs Tagen, von 0 Uhr am Freitag kommender Woche an, beginnt der Rotstift automatisch und wie ein Roboter zu wüten. Washington ist nicht klug geworden, also muss Amerika nun "dumm sparen".

Die erste Tranche mutet minimal an. Um 85 Milliarden, also nur 2,3 Prozent des insgesamt 3,6 Billionen schwereren Haushalts, werden die Ausgaben bis Ende September gekürzt. Weil jedoch gesetzlich vorgeschriebene Großposten wie Sold oder Renten vom Sparzwang verschont bleiben, werden andere Programme umso drastischer getroffen. Das Pentagon sieht seine frei verfügbaren Mittel um immerhin 16 Prozent, also 55 Milliarden Dollar, beschnitten.

Zahlreiche Zivilbehörden müssen ihre frei verfügbaren Etats um neun Prozent abschmelzen. Das tut weh. Das unabhängige Congressional Budget Office (CBO) prophezeit, Amerikas Gesamtwirtschaft werde deshalb bis Jahresende um 0,6 Prozent Prozentpunkte langsamer wachsen und 750 000 Jobs verlieren. Andere Prognosen warnen gar vor bis zu zwei Millionen verlorenen Arbeitsplätzen.

Schuldzuweisungen statt Lösungen

Deshalb vergeht derzeit kein Tag, an dem Präsident Obama nicht leidenschaftlich an den Kongress appelliert, den lauernden Schaden doch noch vom Lande abzuwenden. Zu Wochenbeginn stand das Staatsoberhaupt im Weißen Haus vor einer Schar von Feuerwehrleuten und Polizisten und beklagte, ausgerechnet Amerikas Nothelfer würden zu den ersten Spar-Opfern zählen. Das Parlament solle sich, wenn es nächste Woche aus den Ferien nach Washington zurückkehrt, schleunigst auf einen besseren Not-Etat verständigen.

Obama will, um die automatischen Robo-Kürzungen zu verhindern, lieber gezielt Subventionen für Farmer und Rancher beschneiden, Vergünstigungen für die Ölindustrie kassieren sowie Amerikas Reichen allerlei Steuerrabatte streichen. Seine Verbündeten, die Demokraten im Kongress, schlagen sogar vor, sämtliche Millionäre kurzfristig mit einer Mindeststeuer von 30 Prozent zu belegen und so die Haushaltslöcher zu stopfen.

Der Opposition geht es nicht um einen besseren Sparkompromiss

Zwar weiß der Präsident sehr wohl, dass die Republikaner dies niemals mittragen werden. Aber damit jedermann merkt, wer seiner Meinung nach die Schuld trägt an dem Schlamassel, formuliert Obama seine Forderungen besonders drastisch: "Die Republikaner stehen vor einer einfachen Wahl", sprach Obama. "Sind sie bereit zum Kompromiss? Oder wollen sie lieber Hunderttausende Jobs und unsere gesamte Volkswirtschaft gefährden, nur um die Sonderinteressen und Steuerschlupflöcher zu beschützen, von denen nur die reichsten Amerikaner und größten Konzerne profitieren?"

Die Antwort der Opposition ließ nicht lange auf sich warten. Auch die Republikaner machen mit jeder Erklärung deutlich, dass es ihnen längst nicht mehr um einen neuen, besseren Sparkompromiss geht - sondern nur darum, dem Mann im Weißen Haus die Verantwortung für die Sparwelle in die Schuhe zu schieben.

Statt Feuerwehr und Polizei sehen die Republikaner Amerikas Soldaten als Geiseln von Obamas Budgetpolitik. "Es ist gewissenlos, unsere Männer und Frauen in Uniform als Verhandlungsmasse zu benutzen, um Steuererhöhungen durchzusetzen", wetterte diese Woche die konservative Abgeordnete Martha Roby. Wie die meisten ihrer Parteifreunde verlangt sie, das Pentagon von allen Kürzungen zu verschonen und stattdessen nur bei Sozial- und Förderprogrammen zuzulangen. Sie weiß sehr wohl, dass das für Obama tabu ist.

So schwindet die Hoffnung, Washingtons Budgetexperten könne binnen sechs Tagen noch ein rettender Kompromiss gelingen. Stattdessen rüsten sich beide Lager für die nächste Schlacht: Bis 27. März muss der Kongress ein neues Gesetz zur Fortschreibung des alten Haushalts beschließen, das sämtliche Zahlungen der Regierung ermächtigt. Gelingt auch das nicht, müssen Washington und alle Bundesbehörden im Land ganz schließen.

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