Erdgas-Vorkommen vor Zyperns Küste:Aphrodite unter dem Meeresboden

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Sie sollen Zypern den Weg aus der Schuldenfalle ebnen: Die Erdgas- und Ölreserven im Mittelmeer, auch vor der Küste der Insel, sind höchst begehrt. Doch ihre Ausbeutung ist teuer und riskant. Und oft ist auch nicht klar, wem diese Rohstoffe überhaupt gehören.

Von Silvia Liebrich

Es ist ein wertvoller Schatz, den der krisengeschüttelte Inselstaat Zypern da vorweisen kann. Vor der Küste wird ein großes Erdgasvorkommen mit dem verheißungsvollen Namen Aphrodite vermutet. Es könnte dem Land Milliardeneinkünfte bescheren. So viel steht fest. Doch bis dieses Vorkommen angezapft ist, dürften noch Jahre vergehen. Optimistische Prognosen gehen vom Jahr 2017 aus, aber vermutlich wird es später werden. Die Hoffnung, dass die Erdgasreserven Zypern den Weg aus der Schuldenfalle ebnen könnten, haben sich zuletzt als trügerisch erwiesen. Der Versuch, die Gasfelder an Russland zu verpfänden, um an neue Kredite zu kommen, ist gescheitert.

Das ändert jedoch nichts daran, dass der begehrte Energierohstoff in Zukunft die leere Staatskasse Zyperns wieder auffüllen könnte. 100 Milliarden Kubikmeter Gas vermuten Experten im Aphrodite-Feld, das 150 Kilometer vor der Südküste liegt. Eine Menge, die ausreichen würde, um den gesamten Gasverbrauch Deutschlands etwa für ein Jahr zu decken.

Andere Länder im südöstlichen Mittelmeerraum, allen voran Israel - aber auch Libanon und Griechenland - hoffen inzwischen ebenfalls auf einen Rohstoffboom. Im Gegensatz zu Ägypten, Libyen und Tunesien, die schon seit Jahrzehnten Gas fördern, konnten sie bis vor Kurzem keine nennenswerten Reserven vorweisen.

Als um die Jahrtausendwende das Tamar-Gasfeld vor den Küsten Israels entdeckt wurde, waren selbst Experten überrascht. "Das war so nicht zu erwarten", sagt Jürgen Messner, Geologe bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Weitere Funde in der Region folgten.

Zwangzigmal so viel Gas, wie Europa jährlich verbraucht

"Im südöstlichen Mittelmeerraum könnte es in den nächsten Jahren durchaus zu einem regionalen Erdgasboom kommen", sagt Messner, dämpft aber zugleich allzu große Erwartungen: "Was bisher in der gesamten Region gefunden wurde, bewegt sich in einer Größenordnung, die etwa einem Drittel der Weltjahresförderung von Erdgas entspricht - und nicht mehr." Der Geologe glaubt aber, dass damit noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. "Es könnte mehr werden", sagt Messner. Die Suche wird deshalb weitergehen.

Vor allem das Levantinische Becken könnte größeres Potenzial für Erdgasfirmen bergen. Gemeint ist damit eine 83.000 Quadratkilometer große Region im östlichen Mittelmeer, die sich vom Norden Libanons bis zum südlichen Teil der Küste Israels erstreckt. Hier wurden zuletzt einige große Vorkommen entdeckt. Die amerikanische Behörde United States Geological Survey (USGS) schätzt, dass im Levantinischen Becken und in der Region des Nil-Deltas noch Ölreserven von bis zu 3,5 Milliarden Barrel sowie Gasvorräte von 9,5 Billionen Kubikmetern lagern könnten. Das wäre zwanzigmal so viel Gas, wie Europa derzeit jährlich verbraucht. Diese Schätzungen sind allerdings mit Vorsicht zu bewerten. Nachgewiesen sind diese Reserven noch nicht.

Türkei bezeichnete Bohrungen als "Provokation"

Unterdessen hat der Verteilungskampf um die letzten fossilen Energiereserven im Mittelmeer begonnen. Häufig ist nicht eindeutig geklärt, welchem Land die Schätze unter dem Meeresboden gehören; politische Konflikte sind deshalb zu erwarten. Als Zypern im Herbst 2011 eine Bohrinsel vor der Küste aufbauen ließ, war dies Anlass für neue Spannungen im Dauerkonflikt mit der Türkei. Die dortige Regierung bezeichnete die Bohrungen als "Provokation" und ließ Kriegsschiffe auslaufen.

Zypern ist seit 1974 geteilt. Nordzypern gehört zur Türkei, der griechische Süden als selbständiger Staat zur EU. Das Problem: Die territorialen Grenzen in vorgelagerten Küstengebieten der Mittelmeerländer waren in der Vergangenheit nur unzureichend definiert. Erst 2006 haben zum Beispiel Ägypten und Zypern ihre angrenzenden Gewässer aufgeteilt. An anderer Stelle wird weiter gestritten.

Fest steht dagegen, dass die Gasvorräte im Mittelmeer nicht leicht zu fördern sind. Die meisten Vorkommen liegen in der Tiefsee, teilweise 1500 Meter unter dem Meeresspiegel. Um an den Rohstoff heranzukommen, müssen die Bohrer bis zu 7000 Meter in den Untergrund getrieben werden. Das kostet Geld. So viel Geld, dass sich die Ausbeutung mancher Felder bei den derzeitigen Weltmarktpreisen nicht lohnt. Das gibt auch BGR-Mann Messner zu bedenken: "Um die Größe von Vorkommen genauer zu bestimmen, sind weitere Explorationen notwendig."

© SZ vom 03.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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