Nutzlose Datenüberwachung durch den BND:Frust beim Filtern

Die Überwachung der internationalen E-Mail-Ströme gleicht einem riesigen Datenstaubsauger: Was den Suchkriterien entspricht, wird eingesaugt. Millionen von Mails und SMS las der Bundesnachrichtendienst im Jahr 2011 heimlich mit - meist aber umsonst.

Von Tanjev Schultz

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat im Jahr 2011 fast 2,9 Millionen E-Mails, SMS und Datenverbindungen überprüft. Das geht aus einem aktuellen Bericht an das Parlamentarische Kontrollgremium hervor. Die Zahl ist seit 2010 deutlich gesunken: Damals erfasste der Filter des Geheimdiensts noch mehr als 37 Millionen Datenverbindungen. Der E-Mail-Verkehr innerhalb Deutschlands ist dem Kontrollbericht zufolge nicht betroffen. Die hohe Zahl im Jahr 2010 war nach BND-Angaben ein Ausreißer aufgrund einer weltweiten Welle von Spam-Mails.

Der Geheimdienst filtert automatisch einen Teil der internationalen Datenströme. Er nutzt dafür mehr als 15.000 Suchbegriffe zu den Bereichen Terrorismus, Waffen- und Menschenhandel. Die sogenannte "strategische Kontrolle" erfolgt automatisiert, nur ein Bruchteil der E-Mails wird von Geheimdienst-Beamten ausführlich ausgewertet. Das Filtersystem soll, wie ein Regierungssprecher am Freitag erläuterte, nach der Spam-Welle des Jahres 2010 optimiert worden sein. Damals hatten sich nur 213 von den mehr als 37 Millionen überprüften Kommunikationen als "nachrichtendienstlich relevant" erwiesen.

Die Ausbeute war auch 2011 nicht allzu groß, das Gesamtvolumen dafür aber deutlich geringer: Als "nachrichtendienstlich relevant" wurden laut Kontrollbericht 290 der fast 2,9 Millionen E-Mails und Datenverbindungen eingestuft. Die Linkspartei kritisierte das Vorgehen des BND als unverhältnismäßig und als eine Missachtung von Freiheitsrechten.

Die strategische Überwachung internationaler E-Mail-Ströme gleicht einem großen Datenstaubsauger. Er saugt ein, was den Suchkriterien entspricht. Nach welchen Begriffen der Geheimdienst das Internet durchforstet, ist geheim. Überwiegend handelt es sich offenbar um Fachausdrücke aus der Militär- und Waffentechnik sowie um Bezeichnungen und den Jargon terroristischer Gruppierungen.

Zusätzlich zur strategischen Kontrolle durch den BND, der im Ausland operiert, können die deutschen Geheimdienste die Telefone und den Schriftverkehr verdächtiger Einzelpersonen auch im Inland überwachen. Sie müssen sich dies jeweils von der sogenannten G-10-Kommission genehmigen lassen. Ihr gehören Experten und Parlamentarier an, die zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Die G-10-Kommission leitet ihren Namen vom Artikel 10 des Grundgesetzes ab, in dem das Post- und Fernmeldegeheimnis als Grundrecht verankert ist. Im Jahr 2011 genehmigte die G-10-Kommission den Geheimdiensten 156 Abhörmaßnahmen. Das waren 19 mehr als im Jahr zuvor. Als "Hauptbetroffene" galten im ersten Halbjahr 396 Personen, im zweiten Halbjahr 344 Personen. Das sind jeweils etwas weniger als im Vorjahr.

Bei Abhörmaßnahmen gibt es außerdem "Nebenbetroffene", das können beispielsweise die Partner der verdächtigen Personen sein, wenn sie die selben Telefonanschlüsse nutzen. Die Anzahl der "Nebenbetroffenen" lag 2011 zwischen 432 im ersten und 382 im zweiten Halbjahr.

Die meisten Abhörmaßnahmen beantragte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Der Militärische Abschirmdienst - der Nachrichtendienst der Bundeswehr - stellte 2011 keinen einzigen Antrag auf eine Post- und Telefon-Überwachung einzelner Personen, der BND im ersten Halbjahr nur zwölf, im zweiten 13. Dem Bericht des Kontrollgremiums zufolge galten die Anträge von BND und BfV vor allem mutmaßlichen Extremisten und Spionen.

Von dem Bericht nicht erfasst sind Abhörmaßnahmen der Landesämter für Verfassungsschutz sowie der Polizei. Zudem können sich Bundesbürger nie ganz sicher sein, ob nicht etwa ein ausländischer Geheimdienst bei Telefonaten mithört oder bei E-Mails mitliest.

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