Entscheidung in Karlsruhe:Ehegattensplitting gilt auch für Homo-Ehe

Entscheidung in Karlsruhe: Karlsruhe stellt mit der Entscheidung gleichgeschlechtliche Lebenspartner im Steuerrecht mit Eheleuten gleich

Karlsruhe stellt mit der Entscheidung gleichgeschlechtliche Lebenspartner im Steuerrecht mit Eheleuten gleich

(Foto: AFP)

Die Ungleichbehandlung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften beim Ehegattensplitting ist verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Die FDP spricht von einem "Schuss vor den Bug der Union" - denn allein CDU und CSU hatten sich zuletzt noch gegen die völlige steuerliche Gleichstellung der sogenannten Homo-Ehen gewandt.

Homosexuelle in eingetragenen Lebenspartnerschaften müssen auch vom Ehegattensplitting profitieren können. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Ungleichbehandlung von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften sei verfassungswidrig, hieß es in dem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss (Az.: 2 BvR 909/06 u. a.).

Zur Begründung hieß es, die Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Das Gericht verlangte, dass die Gesetze rückwirkend zum 1. August 2001 geändert werden. Die bestehenden Regelungen zum Ehegattensplitting für Eheleute könnten bis zu einer neuen Regelung übergangsweise auf eingetragene Lebenspartnerschaften angewandt werden, hieß es.

Karlsruhe stellte damit gleichgeschlechtliche Lebenspartner im Steuerrecht mit Eheleuten völlig gleich. Bis auf die Union hatten zuletzt alle im Bundestag vertretenen Parteien für solch eine Gleichstellung plädiert. Die FDP sprach von einem "Schuss vor den Bug der Union, die sich in dieser Frage als Blockierer erwiesen hat". Generalsekretär Patrick Döring sagte in Berlin an den Koalitionspartner gewandt: "Es ist ein Trauerspiel, dass CDU und CSU nicht von sich aus zu einer Gesetzesänderung bereit waren."

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sprach von einer Ohrfeige für die Bundesregierung. "Merkels Koalition ist eine Getriebene des Bundesverfassungsgerichts", sagte er in Berlin. "Sie will immer noch nicht wahrhaben, dass die Zeit längst reif ist für eine vollständige Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und Ehe."

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf der Union vor, sie habe ein "homophobes, diskriminierendes Weltbild". Es sei an der Zeit, die Ehe weiter zu öffnen.

Die Grünen reagierten nahezu euphorisch auf die Entscheidung. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, sprach von einem "guten Tag für Lesben und Schwule in Deutschland". Das Urteil habe klargemacht: "Gleiche Rechte, gleiche Liebe, das heißt auch gleiche Ehe."

Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr habe das Verfassungsgericht "Frau Merkel verboten, die eingetragene Lebenspartnerschaft zu diskriminieren". Die Koalition könne sich nun "nicht mehr wegdrücken", sie solle gemeinsam mit der Opposition entsprechende Gesetze auf den Weg bringen. "Ich hoffe, dass in der Union der Widerstand gegen die Gleichstellung nun endgültig zusammenbricht", sagte Beck.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast wertete den Beschluss als weitere Ohrfeige für das "verstaubte Gesellschaftsbild" der Regierung Angela Merkels (CDU). Jetzt müsse schnell ein entsprechendes Gesetz her. "Wir können gleich nächste Sitzungswoche die Diskriminierung beenden, denn der grüne Gesetzentwurf dazu liegt fertig vor."

"Nachhilfe für die Regierung"

Die Linke kritisierte die Haltung der Union, erst zu reagieren, wenn Karlsruhe sie dazu zwinge. Das sei "blamabel, unseriös", teilte Barbara Höhn, lesben- und schwulenpolitische Sprecherin der Fraktion, mit. Zugleich sprach sie von einem "Armutszeugnis für die FDP", die die steuerrechtliche Gleichstellung im Koalitionsvertrag verankert, aber nicht umgesetzt hatte. Die Linke fordert eine Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule.

Doch auch innerhalb der CDU gibt es einen Flügel, der das verlangt. Einer von ihnen, der Bundestagsabgeordnete Jens Spahn,setzt sich schon lange für die Rechte homosexueller Paare ein. Er forderte von der schwarz-gelben Regierung nun eine schnelle Reaktion auf die Entscheidung: "Wir sollten das Urteil des Verfassungsgerichts jetzt als Koalition zeitnah umsetzen, so wie es auch immer zugesagt war. Denn es ist ein tolles Signal für alle Menschen, die sich rechtlich verbindlich für eine Partnerschaft entscheiden", sagte Spahn.

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gelte für alle Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von der sexuellen Orientierung, teilte der Verband mit. Karlsruhe habe der Bundesregierung mit seiner Entscheidung wieder einmal "Nachhilfe im Verfassungsrecht" gegeben. Die Interessenvertretung forderte als Konsequenz aus der heutigen Entscheidung erneut die völlige Öffnung der Ehe.

Die Entscheidung Karlsruhes zur steuerlichen Gleichstellung der Lebenspartnerschaft war schon länger erwartet worden. Sie liegt auf einer Linie mit bisherigen Entscheidungen und Hinweisen des Gerichts zu den salopp als Homo-Ehen bezeichneten Lebenspartnerschaften. Darin hatten diese stets gleiche Rechte erhalten oder waren in ihren Forderungen darin unterstützt worden - vom Adoptionsrecht bis hin zur Grunderwerbsteuer.

Das Ehegattensplitting bewirkt, dass die Einkommensteuer für zwei Partner gemeinsam berechnet wird. Wer dabei wie viel zum Gesamteinkommen beiträgt, spielt keine Rolle. Zudem wird der Grundfreibetrag von derzeit etwas mehr als 8000 Euro, bis zu dem Einkommen gar nicht versteuert werden, auf alle Fälle doppelt gewährt, auch wenn es nur ein Einkommen gibt.

Günstig wirkt sich dieses Verfahren insbesondere für den klassischen Alleinverdiener-Haushalt aus. Verdienen beide Partner hingegen gleich viel, bringt das Splitting keine Vorteile. Deshalb erwägen Familienpolitiker, das Ehegattensplitting ganz abzuschaffen und durch ein sogenanntes Familiensplitting zu ersetzen. Dabei würden Kinder steuerlich gefördert, unabhängig vom Familienstand der Eltern.

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