Militärische Unterstützung für Syriens Rebellen:Obamas gefährliches Spiel

US-Präsident Obama zeigt sich entschlossen, die Wende im syrischen Bürgerkrieg durch Hilfen für die Rebellen herbeizuführen. Doch die Bewaffnung der Assad-Gegner in dem zerbrochenen Land birgt hohe Risiken. Die Hilfen aus dem Westen könnten schon bald den Konflikt zwischen den Religionsgruppen weiter anheizen.

Von Johannes Kuhn

Mehr als 9000 Kilometer voneinander entfernt liegen die Orte, an denen das Schicksal Syriens am Donnerstag womöglich eine Wende nahm. Kurz nachdem die US-Regierung in Washington erklärt hatte, die syrischen Rebellen künftig stärker militärisch zu unterstützen, meldete sich der gewöhnlich gut informierte syrische Journalist Rami Jarrah zu Wort. Die Grenzposten zwischen der Türkei und Syrien, berichtete er via Twitter, seien gerade für den regulären Grenzverkehr geschlossen worden, um einer französisch-saudischen Waffenlieferung an die Rebellen den Weg zu bahnen.

Vorausgesetzt, Jarrahs Informationen stimmen, zeichnet sich ein deutliches Bild ab: Eine Koalition der Willigen ist bereit, die schwächelnden Gegner Assads wieder aufzurichten. Der blutige Bürgerkrieg, bei dem inzwischen UN-Schätzungen zufolge mehr als 93.000 Menschen ums Leben gekommen sind, hatte sich in den vergangenen Wochen erneut zugespitzt - zu Ungunsten der Assad-Gegner.

Regierungstruppen eroberten mit Unterstützung der Hisbollah strategisch wichtige Orte im syrisch-libanesischen Grenzgebiet. Mit den schwersten Angriffen seit Monaten versucht die Armee gerade, Sakhour wieder einzunehmen, einen von Rebellen besetzten Teil der komplett verwüsteten Stadt Aleppo.

Obamas "rote Linie"

Offiziell erklären sich die USA zu verstärkter Hilfe bereit, weil sie den Einsatz des Nervengifts Sarin durch die syrische Regierung inzwischen als erwiesen ansehen. Damit schließt sich Washington der Meinung Frankreichs und Großbritannien an. Die beiden Nationen gelten als Unterstützer einer Bewaffnung der Rebellen. Ein hochrangiger russischer Abgeordneter bezeichnete die Chemiewaffen-Vorwürfe der US-Regierung dagegen als Lüge. "Die Daten wurden an derselben Stelle fabriziert wie die Lügen über die Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins." Ein Berater von Präsident Wladimir Putin erklärte, die Hinweise seien "nicht überzeugend." Moskau gilt neben Iran als wichtigster Verbündeter Assads und soll die Beweise, die sich offenbar auf die Auswertung zweier Rebellen-Blutproben stützen, für eine eigene Einschätzung erhalten. Eine unabhängige Untersuchung durch die Vereinten Nationen gab es bislang noch nicht.

Obama hatte die Verwendung von Chemiewaffen mehrmals als "rote Linie" bezeichnet, mit deren Überschreitung sich sein "Kalkül ändern" werde. Doch ein ungenannter Mitarbeiter des Weißen Hauses erklärte der US-Seite Politico: "Hätten wir so auch ohne Beweise entschieden? Wahrscheinlich."

In den vergangenen Wochen hatten vor allem Sicherheitspolitiker wie der US-Senator John McCain Obama immer wieder aufgefordert, seinen Worten von der roten Linie Taten folgen zu lassen. Am Mittwoch hatte sich auch noch Ex-Präsident Bill Clinton eingeschaltet. Dem Töten in Syrien weiter zuzusehen sei "ein Fehler", erklärte er.

Militärische Unterstützung für Syriens Rebellen: Soldaten der syrischen Regierungstruppen stehen auf dem militärischen Flugplatz von Dabaa, nördlich der Stadt Kusair, die in der vergangenen Woche aus der Hand der Rebellen zurückerobert wurde

Soldaten der syrischen Regierungstruppen stehen auf dem militärischen Flugplatz von Dabaa, nördlich der Stadt Kusair, die in der vergangenen Woche aus der Hand der Rebellen zurückerobert wurde

(Foto: AFP)

Ein Ex-General als Bindeglied

Seine Ehefrau Hillary gehörte während ihrer Zeit als Außenministerin ebenfalls zu den Verfechtern einer Bewaffnung der Rebellen. Als schließlich auch noch ihr Amtsnachfolger John Kerry und Obamas neue Sicherheitsberaterin Susan Rice Medienberichten zufolge intern zu der Einschätzung kamen, dass das Assad-Regime die Rebellen gerade entscheidend schwäche, entschied sich Obama zum Eingreifen.

Wie die US-Unterstützung konkret aussehen wird, konnte Vize-Sicherheitsberater Ben Rhodes den Washingtoner Journalisten nicht erklären. Man wolle den Rebellen "militärische Hilfe" zukommen lassen, sagte er in einer Telefonkonferenz. Auch eine Flugverbotszone sei möglich, aber - so legen seine Worte nahe - unwahrscheinlich. Hierfür wäre auch eine UN-Resolution notwendig. Das Wall Street Journal hatte unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, man erwäge, von der jordanischen Grenze aus eine etwa 40 Kilometer ins Land reichende Flugverbotszone einzurichten. Damit würde man den Rebellen im Süden zur Seite springen und eine mögliche Einnahme der Hauptstadt Damaskus erleichtern.

Islamisten unter den Rebellen

In den vergangenen Tagen hatten Oppositionsgruppen erneut Panzer- und Flugabwehrraketen gefordert, um sich der Assad-Offensive erwehren zu können. Die New York Times berichtet, dass zunächst Handfeuerwaffen und Munition, später möglicherweise Geschütze zur Panzerabwehr geliefert werden könnten. Flugabwehrwaffen schließe man aus, da diese in den falschen Händen zum Abschuss amerikanischer Jets genutzt werden könnten. Der Geheimdienst CIA soll zudem für das Training der Rebellen sorgen - entsprechende Camps existieren bereits seit Längerem in Jordanien.

Skeptiker befürchten allerdings, dass die Waffen schnell in die Hände radikaler Kräfte gelangen könnten. Längst ist der Konflikt in Syrien einer zwischen der sunnitischen Mehrheit auf der einen und den Alawiten, denen die Assad-Dynastie angehört, und ihnen nahestehenden Religionsgruppen auf der anderen Seite geworden. Der anerkannte Syrien-Blogger Eliot Higgins erklärte bereits ernüchtert: "Ich würde mich nicht wundern, wenn ich in ein paar Monaten über die Verwendung westlicher Waffen in konfessionsgebundenen Attacken schreiben muss."

Weil die syrische Opposition inzwischen zu einem Teil aus Islamisten besteht, hat sich die US-Regierung einen Verbindungspartner für die Verteilung der Waffen gesucht. Selim Idriss ist ein übergelaufener General des Assad-Regimes, der seit Ende 2012 das von der Türkei, den Golfstaaten und dem Westen unterstützte oppositionelle Exil-Militärkommando führt. Anders als die Rebellenführer vor Ort kann er allerdings keine eigenen Truppen hinter sich versammeln.

Die Bewaffnung könnte dazu führen, dass sich die geplante Syrien-Konferenz in Genf weiter verschiebt. Erst bei einer veränderten militärischen Lage, so die Washingtoner Kalkulation der New York Times zufolge, würde das Assad-Regime Gesprächsbereitschaft zeigen.

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