"The Last of Us" auf der Playstation 3:Der letzte Mensch

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Die Natur erobert die Stadt zurück - 20 Jahre nach Ausbruch der Epidemie. (Foto: Screenshot: Sony Entertainment)

Im Playstation-Spiel "The Last of Us" kämpfen ein alter Haudegen und eine 14-Jährige in einer postapokalyptischen Welt um ihr Leben. Die Geschichte ist eine der schönsten, die je in einem Videospiel erzählt wurde - auch wenn das Spiel selbst ihr manchmal im Weg steht.

Von Matthias Huber

Ein Großteil der Menschheit ist einer ansteckenden Pilz-Infektion zum Opfer gefallen, viele von ihnen machen als Zombie-ähnliche Kreaturen Jagd auf die noch Gesunden. Diese kämpfen auch untereinander um Nahrung, Waffen, Munition. Es ist nur Platz für das Nötigste, das Nützlichste. Nur am Rucksack der 14-jährigen Ellie - einer Überlebenden, die gegen den Pilz immun ist - sind ein paar Buttons befestigt, ein Smiley, ein Atomkraft-Symbol. Am Reißverschluss baumelt ein kleines Plüschtier.

"The Last of Us", der wohl letzte großbudgetierte Exklusivtitel für Sonys Spielkonsole Playstation 3, begleitet Ellie und ihren Beschützer, den Schmuggler Joel, durch die Ruinen der Zivilisation. Joel ist ein kompromissloser Überlebenskünstler, schreckt auch vor Folter und Mord nicht zurück. "It's either them or us", sagt er dann, und mit diesen Worten bedankt er sich auch bei Ellie, als sie zum ersten Mal einen Menschen erschossen und Joel damit das Leben gerettet hat.

Das Ziel der Odyssee von Joel und Ellie ist ein Lager der Rebellengruppe, die sich "Fireflies" nennt. Dort soll Ellie untersucht und aus ihrer Immunität ein Impfstoff destilliert werden. Etwa 16 Stunden dauert die Reise für den Spieler, sie führt durch die Ruinen von Boston und die Wälder von Wyoming ins verlassene und nur noch von entlaufenen Zoo-Tieren bevölkerte Salt Lake City. 16 Stunden, in denen wir dabei zusehen, wie der anfangs widerwillige Joel Ellie als seine Tochter akzeptiert und seine Rolle als bedingungsloser Beschützer, als liebender Vater, annimmt. Und dann stellt "The Last of Us" Joel plötzlich vor eine unmögliche Entscheidung.

Joel und Ellie im Sonnenuntergang (Foto: Screenshot: Sony Entertainment)

Artefakte in Ruinen

Seine eigene Geschichte macht die Entscheidung umso schwerer: Am Handgelenk trägt Joel eine Armbanduhr. Seine Tochter, Sarah, hatte sie einst als Geburtstagsgeschenk für ihren Vater reparieren lassen. Das war vor 20 Jahren, zum Zeitpunkt des Ausbruchs der Epidemie. Sarah starb noch in dieser Nacht. Das Glas der Uhr an Joels Handgelenk ist längst zerschlagen.

Es wäre so einfach gewesen, Details wie dieses zum großen, platten Symbol aufzublasen, die Figuren immer wieder darüber sprechen zu lassen. Doch die Armbanduhr darf am Bildrand bleiben. Ein stilles Erinnerungsstück, ein Artefakt. So wie ein Foto, das Joel in einer Häuserruine entdeckt. Es zeigt eine unbekannte Familie, fröhlich lachend. Auf der Rückseite steht "forgive us".

"The Last of Us" lässt die Details Details sein, und befüllt seine Welt mit nicht zuende erzählten Geschichten. Im Titel des Spiels ist die ganze Ambivalenz der Erzählung ausgedrückt. Es war die wohl klügste Marketing-Entscheidung überhaupt, diesen Titel nicht ins Deutsche zu übersetzen und ihn so seiner mindestens Dreideutigkeit zu berauben. Wer sind diese letzten von uns? Oder wer ist dieser eine letzte Mensch, von dem im Titel die Rede ist?

"It's got everything to do with that little girl", sagt Joel einmal. Alles dreht sich um Ellie. Um diese Figur, die sich auch angesichts der brutalen, kompromisslosen Gewalt, die sie umgibt, ihre jugendliche Unbeschwertheit und Unschuld bewahrt hat. Sogar noch, als sie bereits selbst getötet hat. Ein Stück des Weges begleiten Joel und Ellie einen jungen Mann namens Henry und dessen zwölfjährigen Bruder Sam. In einem verlassenen Spielzeuggeschäft möchte Sam einen Spielzeugroboter mitnehmen, und Henry verbietet es ihm: "We only take what we need." Später, in einem unbeobachteten Moment, zieht Ellie den Roboter aus ihrem Rucksack, und steckt ihn Sam zu.

Alles dreht sich um Ellie - auch für Joel. (Foto: Screenshot: Sony Entertainment)

All das ließe sich auch an einem Roman oder einem Film beobachten. An einem Roman wie Cormac McCarthys "The Road", dessen Geist "The Last of Us" unübersehbar atmet. Oder an einem Film wie "Children of Men", dessen ähnlich kluge Geschichte ebenfalls in Auslassungen und Details mehr emotionale Wucht entfaltet als in den großen, bedeutungsschwangeren Momenten. Nur ist "The Last of Us" kein Roman oder Film, sondern ein Spiel.

Das Spiel steht zeitweilig der Geschichte im Weg

Vielleicht ist es die bedauernswerteste Entscheidung des Autors Neil Druckmann, seine Geschichte für ein Spiel herzugeben. Nicht, weil es das Medium nicht wert wäre, mit ihm tolle Geschichten zu erzählen. Sondern weil die Spielmechanik der Erzählung immer wieder im Weg steht, ihr Tempo und Timing behindert.

Joel ist rabiat und kompromisslos mit seinen Gegnern. (Foto: Screenshot: Sony Entertainment)

Spielerisch ist "The Last of Us" von den "Uncharted"-Titeln aus gleichem Haus - für beide zeichnet das Entwicklerstudio Naughty Dog verantwortlich - nicht weit entfernt. Joel erwehrt sich beachtlicher Gegnermengen mal geradeheraus mit Fäusten, Knüppeln und Messern, mal aus sicherer Deckung mit diversen Schusswaffen. Oder er schleicht durch düstere Gänge, umläuft die patrouillierenden Banditen und schaltet heimlich einen nach dem anderen aus.

Die Darstellung der Gewalt ist zwar harsch, aber keineswegs übertrieben: Wenn Joel und irgendwann sogar Ellie ihrem Gegner die Messerklinge mehrmals in den Hals rammen, dann ist das trotz aller Brutalität stets mit Augenmaß inszeniert. Ausdruck verzweifelter Wut, immer mit dem Rücken zur Wand.

"Citizen Kane" des Videospiels

Das alles ist tadellos umgesetzt und funktioniert gut. Das Gefühl für die knappen Ressourcen - Munition und abbrechende improvisierte Klingen - ist sogar sehr gut gelungen: Ständig ist der Spieler gezwungen, mit seinen Waffen zu haushalten. Und wenn es wirklich brenzlig wird, auch mal reaktionsschnell alles zu benutzen, was der Rucksack hergibt. Hauptsache Überleben. Aber es gibt viel zu viele solcher Szenen.

Joel und Ellie on the road. (Foto: Screenshot: Sony Entertainment)

Die Geschichte ist wohl eine der schönsten, die je in einem Computerspiel erzählt wurde - das amerikanische Filmmagazin Empire vermutet gar, dass "The Last of Us" als Videospiel ähnlichen Ruhm wie der Film "Citizen Kane" erlangen könnte. Aber das Spiel, in das sie eingebettet ist, wird irgendwann zur lästigen Unterbrechung. Zu ähnlich sind die Aufgaben, vor die es seine Spieler stellt - ein kleines Areal, in dem sich fünf bis fünfzehn Gegner herumtreiben, mal amoklaufende Infizierte, mal berechnend vorgehende Banditen.

Doch "The Last of Us" profitiert auch davon, ein Spiel zu sein. Es ist innerhalb der Erzählung Joels Aufgabe, Ellie zu den Rebellen zu bringen. Und der Spieler nimmt - schon aus Gewohnheit - die Aufgabe seiner Figur als die eigene an. Im Fall von "The Last of Us" ist das aber ein Irrtum. In einer Szene trifft Joel Ellie wieder, nachdem er sie in einem solchen Tumult verloren hatte. Der alte, von tiefen Falten im Gesicht gezeichnete Haudegen muss das aufgeregte Mädchen erst einmal beruhigen, sich vergewissern, dass sie unversehrt ist. Die Kamera ist einige Meter entfernt, die Perspektive ist diejenige eines neutralen Beobachters. Zum ersten Mal sehen Joel und Ellie wie Vater und Tochter aus. Und es ist Sache des Spielers, sich wie ein Vater zu fühlen.

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