Verwandtenaffäre im Landtag:Abgeordnete wurden kaum kontrolliert

Landtag, Bayern - Plenum

Die Ausgaben der bayerischen Landtagsabgeordneten sollen kaum überprüft worden sein. 

(Foto: dpa)

Belege? Fehlanzeige. Von den Rechnungsprüfern im Landtag ist zu hören, dass die Verwaltung die Abgeordneten kaum kontrolliert hat. Offenbar fragte nicht einmal jemand nach, wenn ein Abgeordneter mehrere Digitalkameras abrechnete.

Von Mike Szymanski

Im Landtag macht sich Abschiedsstimmung breit. Abgeordnete zählen die Tage herunter bis zum Ende der Legislaturperiode. Nächste Woche kommen noch einmal alle Parlamentarier zusammen. Die einen wirken traurig dabei, die anderen können es kaum erwarten. Im Landtagsamt selbst, der Verwaltung, zeichnet sich auch ein Ende ab. Ein Finale, aber die Aussicht darauf bereitet eher Unbehagen.

Seit Wochen sind die Prüfer des Bayerischen Obersten Rechnungshofes (ORH) im Haus, ein eher ungewöhnlicher Vorgang. Die Verwandtenaffäre bayerischer Abgeordneter hatte sie veranlasst, sich die Bücher vorlegen zu lassen. Zuletzt hatten 17 Parlamentarier Frauen und Kinder bei sich angestellt, obwohl diese Praxis nach einer Gesetzesänderung im Jahr 2000 eigentlich hätte auslaufen sollen.

"Wir werden gründlich prüfen", hatte ORH-Präsident Heinz Fischer-Heidlberger alle im Landtag wissen lassen, als die Prüfer Mitte Mai ihre Arbeit aufnahmen. Es ist eine brisante Aufgabe in einer schwierigen Zeit.

Für den Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim steht ja schon fest, dass Bayerns Abgeordnete "Selbstbediener" sind, diesen Titel hatte er seinem Buch gegeben, das die Abgeordnetenbezüge aufdröselt. Aber was sagen die Rechnungsprüfer?

Offiziell verlautet nichts. Die Prüfer sind verschwiegen, dennoch wird auf den Landtagsfluren viel geredet. Was bei diesen Gelegenheiten zu vernehmen ist, bietet Anlass zu Sorge: Nahezu ohne jede Kontrolle habe das Landtagsamt Jahr für Jahr Millionenbeträge an die Abgeordneten ausgereicht, dazu gehören Zahlungen für die Diäten, aber eben auch großzügig bemessene Pauschalen, um Mitarbeiter zu beschäftigten, Büroausstattung anzuschaffen und all jene Kosten zu begleichen, die sonst so im Zusammenhang mit der Abgeordnetentätigkeit anfallen.

Mehrere Digitalkameras auf einmal abgerechnet

Erschrocken sollen die Prüfer vor allem über das sein, was sie kaum vorgefunden haben: Belege. Detailinformationen über die Verwendung des Geldes, Vertragsdokumente. Es herrschte offenbar ein blindes Vertrauen der Verwaltung in die Abgeordneten.

Das zeigt sich schon am Fall des früheren Haushaltsausschussvorsitzenden Georg Winter (CSU), der seine minderjährigen Söhne auf Staatskosten beschäftigt hatte. Im Landtagsamt war das niemandem aufgefallen. Die Prüfer seien im Zuge ihrer Untersuchung auf etliche weitere Fälle gestoßen, die ihrer Meinung nach mindestens Anlass gegeben hätten, beim Abgeordneten nachzufragen und weitere Auskünfte einzuholen.

Ein Beispiel sei die sogenannten Pauschale für IT-Technik. 12.500 Euro können Abgeordnete gegen Nachweis etwa für Computer, Software und Handys jede Legislaturperiode ausgegeben, wobei ein Eigenanteil von 15 Prozent zu zahlen ist. Viel Geld, auch nach Meinung langjähriger Abgeordneter. Die Prüfer seien beispielsweise stutzig geworden, wenn mehrere Digitalkameras auf einmal abgerechnet wurden. Alles in allem hätten sie den Eindruck gewonnen, dass Kontrolle durch die Verwaltung nicht wirklich erwünscht gewesen sei.

Interessant wird sein, wie sich der ORH mit dem Vorwurf auseinandersetzt, dass die Verwandtenbeschäftigung bereits vom Jahr 2004 an unzulässig gewesen sei. Damals war nämlich ein Passus, der als Übergangsregelung zu verstehen war, aus dem Gesetz verschwunden. "Redaktionelles Versehen", heißt es dazu im Landtag, die Verwandtenbeschäftigung sei trotzdem weiter erlaubt gewesen.

Sollten die Rechnungsprüfer das anders sehen, müssten sie konsequenterweise die Rückzahlung dieser Gehälter von den Abgeordneten verlangen - und das würde richtig teuer . Allein dieser Diskussionspunkt zeigt schon, welch eine politische Sprengkraft der Bericht haben wird. Für die Prüfer steht fest: Die Ergebnisse müssen vor der Landtagswahl auf den Tisch. Alles andere sei "nicht akzeptabel", verlautet aus ORH-Kreisen. Womöglich werde man sich noch im Juli mit Landtagspräsidenton Barbara Stamm zusammensetzen.

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