Obama zu umstrittenem Urteil:"Ich hätte Trayvon Martin sein können"

President Obama delivers remarks on the Trayvon Martin case

Überraschende Stellungnahme von US-Präsident Obama im Fall Trayvon Martin.

(Foto: dpa)

Deutliche Worte des US-Präsidenten: Knapp eine Woche nach dem Prozess um den getöteten schwarzen Jugendlichen äußert sich Barack Obama zu dem Fall - und zeigt Verständnis für den Unmut über das Urteil.

Erstmals seit dem umstrittenen Freispruch im Prozess um den Tod des schwarzen Teenagers Trayvon Martin hat sich US-Präsident Barack Obama mit persönlichen Äußerungen vor der Kamera zu Wort gemeldet. "Vor 35 Jahren hätte ich Trayvon Martin sein können", sagte der erste afroamerikanische US-Präsident am Freitag in Washington. Obama zeigte Verständnis für den Unmut vieler Schwarzer über das Urteil. Zugleich mahnte der Präsident vor geplanten Demonstrationen zur Ruhe. Gewalt würde Trayvons Tod "entehren", sagte er.

Obama erinnerte daran, dass die "historische Ungleichbehandlung" im Justizsystem bei Afroamerikanern weiterhin präsent sei. Außerdem seien noch immer viele Schwarze in den USA gewohnt, wegen ihrer Hautfarbe argwöhnisch beäugt zu werden. "Es gibt sehr wenige afroamerikanische Männer, die noch nicht die Erfahrung gemacht haben, beim Einkaufen in einem Geschäft (vom Sicherheitspersonal) verfolgt zu werden." Bevor er als Politiker bekannt wurde, sei ihm das auch passiert, sagte der Präsident.

Obama erschien überraschend zu der täglichen Pressekonferenz im Weißen Haus und nahm dort erstmals seit dem Freispruch des Nachbarschaftswächters George Zimmerman am vergangenen Wochenende vor der Kamera zu dem Fall Stellung. Bislang hatte der Präsident nur eine schriftliche Erklärung herausgegeben, in der er dazu aufrief, die Entscheidung der Justiz zu akzeptieren.

Zimmerman hatte am 26. Februar 2012 den 17-jährigen Martin in der Stadt Sanford in Florida erschossen. Offenbar hielt er den unbewaffneten Teenager für einen Einbrecher. Ein Geschworenengericht glaubte seiner Version, dass der Jugendliche ihn zuerst attackiert und er in Notwehr gehandelt habe.

US-Bürger wollen für neuen Prozess demonstrieren

Der Fall hatte hohe Wellen geschlagen, weil auch Rassismus im Spiel gewesen sein soll. Außerdem warf er ein Schlaglicht auf das "Stand your Ground"-Gesetz ("Weiche nicht zurück"), das Menschen in Florida ein weitreichendes Recht zur Selbstverteidigung einräumt. Ähnliche Regelungen gelten auch in etwa 30 weiteren Bundesstaaten.

Obama forderte am Freitag eine Überprüfung der umstrittenen Gesetze. Der Präsident warf die Frage auf, ob Martin umgekehrt ebenfalls freigesprochen worden wäre, wenn er sich von Zimmerman bedroht gefühlt und diesen getötet hätte. "Und wenn die Antwort darauf nur ein bisschen unklar ist, dann scheint mir, dass wir diese Art Gesetze überdenken müssen", sagte Obama.

Mit einer landesweiten Protestwelle wollen afroamerikanische Bürgerrechtsaktivisten am Samstag auf einen neuen Prozess gegen Zimmerman dringen. Der Geistliche Al Sharpton kündigte Demonstrationen in mehr als 100 Städten in den USA an.

Das Urteil aus Florida ist endgültig, da die Staatsanwaltschaft im US-Strafrecht gegen einen Freispruch durch Geschworene keine Rechtsmittel einlegen kann. Daher hoffen die Kritiker der Entscheidung nun darauf, dass Zimmerman vor einem Bundesgericht ein neuer Prozess gemacht wird. Experten sind aber skeptisch, dass dem Nachbarschaftswächter eine Straftat nach Bundesrecht wie eine Verletzung von Bürgerrechten oder ein Hassverbrechen nachzuweisen ist.

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