Ökologie:Ist die Hummel weg, leidet die Pflanze

Lesezeit: 2 min

Bestimmte Hummelarten bestäuben vor allem bestimmte Pflanzen (Foto: Reuters)

Viele Blumen sind auf Hummeln als Bestäuber angewiesen - aber nicht auf irgendwelche Hummeln, sondern eine bestimmte Art. Wie eng die Beziehung ist, zeigt sich, wenn die Insekten ausbleiben.

Von Katrin Blawat

Wenn eine Paarbeziehung endet, hört der Verlassene alles andere lieber als den Trostversuch, es gebe ja noch andere potenzielle Partner. Der Partner fehlt, und die anderen Kandidaten können einem erst mal gestohlen bleiben. Egal, wie attraktiv sie sind.

Allein unter dem Fortpflanzungsaspekt betrachtet, ist diese Haltung nicht sehr hilfreich. Trotzdem findet man sie nicht nur in menschlichen, sondern auch in weit weniger emotionalen Beziehungsgeflechten. Zum Beispiel in denen zwischen Hummel und Pflanze, wie Berry Brosi und Heather Briggs vom Rocky Mountain Biological Laboratory in Crested Butte (Colorado) zeigen ( PNAS, online).

Die weltweit zahlreichen Hummelarten gehören zu den wichtigsten Bestäubern. Die Fortpflanzung und damit das Überleben vieler Pflanzenarten hängen von ihnen ab. Unter anderem in den USA werden Hummelkolonien daher kommerziell zur Bestäubung von Nutzpflanzen gehandelt. In freier Natur ist die Beziehung zwischen Insekt und Gewächs nicht weniger eng - und vor allem: alles andere als beliebig.

Das zeigte sich eindrücklich in den Freilandexperimenten von Brosi und Briggs. In verschiedenen Parzellen, alle in den Rocky Mountains in Colorado gelegen, entfernten die Forscher kurzzeitig jeweils eine von insgesamt elf verschiedenen Hummelspezies. Die Tiere wurden mit Netzen gefangen und nach dem Versuch wieder in ihr jeweiliges Areal entlassen.

Doch das Fehlen einer Art hatte Folgen für die Pflanzen. Diese produzierten ein Drittel weniger Samen als die Gewächse in Kontrollarealen, in denen die Hummelpopulationen nicht manipuliert wurden. Die reine Anzahl der Hummeln habe dabei keine Rolle gespielt, betonen die Forscher. In den Kontrollarealen befanden sich zum Teil weniger Tiere als auf den Versuchsflächen.

Vielmehr erklären die Forscher ihre Ergebnisse mit Begriffen aus der Beziehungsforschung. "Viele Bestäuber zeigen eine Art floraler Treue", sagt Brosi. "Sie konzentrieren sich auf eine Pflanzenart, solange diese blüht. Dann wechseln sie ein paar Wochen später zur nächsten Spezies, die dann in voller Blüte steht. Man könnte die Hummeln als serielle Monogamisten bezeichnen."

Immer nur einen einzigen Partner haben, diesen aber regelmäßig wechseln - zumindest für manche Insekten und Pflanzen scheint das der richtige Weg zu sein. Er bringt vor allem den Pflanzen Vorteile, denn fortpflanzen können sie sich nur, wenn die Hummel Pollen zwischen den Gewächsen einer Art überträgt.

Entfernten die Forscher jedoch eine Hummelspezies aus einer Parzelle, gaben die verbliebenen Insekten ihre florale Treue teilweise auf. Sie wurden - in Bezug auf die Blumen - promisk. Der verminderte Wettbewerb unter den Insektenspezies habe dieses Verhalten ausgelöst, vermuten die Forscher.

Ihre Studie widerspricht Berechnungen, denen zufolge es Pflanzen wenig ausmache, wenn eine ihrer Bestäuberspezies plötzlich ausbleibt. Könnten dann nicht andere, noch vorhandene Insekten den Job übernehmen? Theoretisch schon. In der Praxis aber bestätigen die Hummeln und Blumen: Beziehungen sind oft komplizierter, als es für Außenstehende aussieht.

© SZ vom 23.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: