Doping-Bericht des französischen Senats:Doktorspiele bei der Tour

Erik Zabel und Jan Ullrich

Jan Ullrich und sein Teamkollege Eric Zabel im Jahr 2004.

(Foto: Gero Breloer/dpa)

Der Report zu Nachkontrollen von Doping-Proben der Tour de France 1998 bringt erwartungsgemäß Namen wie Ullrich oder Pantani hervor - sowie einen, bei dem nicht einmal das Geständnis stimmte: Erik Zabel.

Von Andreas Burkert

Vor einem Monat, bei der deutschen Straßenradmeisterschaft in Wangen im Allgäu, hat sich Erik Zabel rührend darum gekümmert, dass sein Sohn Rick an der Strecke mit Proviant versorgt wurde. Rick Zabel ist jetzt 19, für nächstes Jahr hat er bereits einen Profivertrag unterschrieben. Zabel senior erzählte in Wangen außerdem, dass er erstmals seit Ewigkeiten nicht bei der Tour de France anwesend sein werde. Zabel, 43, war seit 1994 jeden Juli in Frankreich, bis 2008 als Tour-Teilnehmer und danach als Betreuer. Zurzeit ist der einstige Profi Sportchef beim dubiosen Team Katjuscha aus Russland, "aber wir haben für die Tour keinen Sprinter", sagte er in Wangen zum Verzicht auf das jährliche Frankreich-Abenteuer.

Abgesehen davon, dass Katjuscha bei der 100. Tour durchaus einen Sprinter dabei hatte (den Norweger Alexander Kristoff), ahnt man jetzt, weshalb Erik Zabel diesmal Frankreich mied. Denn dort ist er jetzt nicht nur als Dopingsünder enttarnt worden. Sondern zugleich als jemand, der doppelt gelogen hat. Vielleicht sogar bei Rick.

Sechs Jahre ist es jetzt her, dass Erik Zabel unter Tränen das zugab, was nicht mehr zu vermeiden gewesen war angesichts der Enthüllungen des einstigen Team-Telekom-Pflegers Jef D'hont: Ja, auch er habe früher Dopingmittel genommen. Vor und in der ersten Woche der Tour 1996 habe er "Epo getestet". Er konnte sich sogar noch an den Preis der Kur erinnern: 258 D-Mark. Dann habe er aber das Mittel wegen Unverträglichkeit abgesetzt.

Er schluchzte dabei im Live-Programm des Fernsehens und fügte hinzu, wegen seines Sohnes Rick erzähle er das alles: "Wenn ich erwarte, dass er ehrlich und geradeaus ist, kann ich ihn halt nicht weiter anlügen."

Seit Mittwoch ist offenkundig, dass Zabel selbst bei seinem vermeintlichen Geständnis die Wahrheit arg reduzierte. Denn der Berliner, der bei der Tour sechsmal das Grüne Trikot gewann - bis heute ein Rekord -, wird im Report einer französischen Senats-Kommission als einer derjenigen genannt, deren Dopingproben in moderneren Nachtests positiv auf Epo gewesen sind - in Proben aus dem Jahr der Skandal-Tour 1998. Zabel zählt zur Prominenz auf der Sünderliste, an deren Spitze erwartungsgemäß der 2004 an einer Überdosis Drogen gestorbene Gesamtsieger Marco Pantani und der zweitplatzierte Jan Ullrich (zweimal positiv) stehen.

Weitere Etappensieger wie der einstige italienische Sprintkönig Mario Cipollini, der französische Publikumsfavorit Jacky Durand, der heutige Belkin-Sportchef Jeroen Blijlevens (der erst kürzlich in Holland einer Kommission schriftlich gab, niemals gedopt zu haben) und auch der bisher alle Dopinganschuldigungen zurückweisende Ullrich-Zimmerkollege Jens Heppner (Gera) wurden in den 2004 erfolgten Re-Analysen überführt. Gleiches gilt für den spanischen Vuelta-Sieger und Weltmeister von 1998, Abraham Olano, Laurent Jalabert (Frankreich) und den Amerikaner Kevin Livingston (der im Fall Armstrong nicht kooperiert hatte).

Neben den insgesamt 18 Fahrern, die in Paris positiv getestet wurden, führt der Senat zwölf Fahrer als des Dopings "verdächtig"; darunter werden der zuletzt bei der Tour 2013 aktive Australier Stuart O'Grady und der Sohn des fünfmaligen Toursiegers Eddy Merckx geführt, Axel Merckx.

Lückenlos vom Dopingbetrug begleitet

Seit Ende Februar hatte der französische Senat mehr als 80 Anhörungen von Fahrern und Betreuern unter Eid vorgenommen. Die Kommission wollte sich nach dem Sturz des früheren Tour-Regenten Lance Armstrong ein Bild von den Verhältnissen machen, die um die Jahrtausendwende bei der nationalen Rundfahrt herrschten. Die Nachtests von der Tour 1998, die unter skandalösen Umständen stattfand , hatte 2004 die französische Anti-Doping-Agentur veranlasst. Ursprünglich war von mehr als 50 positiven Fahrern die Rede gewesen.

Besonders desavouierend sind die Befunde nun also für Zabel - und Ullrich, 39. Der bereits als Kunde des Dopingarztes Fuentes gesperrte Rostocker hat sich ja bisher nicht zu den Jahren rund um den Toursieg 1997 geäußert; dessen Rechtmäßigkeit steht nun ebenfalls mehr als in Zweifel. Ullrichs 1995 gestartete und 2007 unter dem Druck der Enthüllungen beendete Karriere darf als lückenlos vom Dopingbetrug begleitet angesehen werden.

Ob die Recherchen in Frankreich noch sportrechtliche oder juristische Folgen nach sich ziehen, ist ungewiss. "Wir sind nicht die Polizei", sagte ein Kommissionssprecher. Der Radweltverband UCI, aber auch nationale Verbände wie der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) hatten zudem die Einlassungen von Zabel und vieler anderer Zeugen im Frühjahr 2007 nicht zum Anlass einer Aufarbeitung genommen - von Sanktionen ganz zu schweigen. BDR-Präsident Rudolf Scharping, der während der Ullrich-Zabel-Ära als Fan im Telekom-Wagen und Magenta-Dress dabei war, äußerte denn auch am Mittwoch gewohnt zupackend, der Report aus Frankreich habe "für die Gegenwart und die Zukunft des Radsports keine Bedeutung".

Der Pariser Ausschuss wiederum präsentierte 60 Vorschläge zur Verbesserung des Kampfes gegen Doping in Frankreich. Ziel des Untersuchungsberichts sei es, den Kampf gegen Doping in der Heimat der Tour zu verbessern. Zum kritisch beäugten 2013-Sieger vom vergangenen Sonntag, dem Briten Christopher Froome, hieß es, aktuelle Verdächtigungen gegen ihn seien "ungerechtfertigt, aber wer weiß, ob sie das in zwei, drei Jahren auch noch sind?"

Grundsätzlich sei die Kommission übrigens auf "die unglaubliche Unfähigkeit von Autoritäten gestoßen, miteinander zu kooperieren: bei der Polizei und der Sport-Gerichtsbarkeit". Kommissionspräsident Jean-François Humbert betonte außerdem, dass es in dem viele hundert Seiten dicken Report nicht nur um Radsport gehe.

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