Plagiatsaffäre:Die gebremste Verteidigung des Norbert Lammert

Bundestagspräsident Lammert versucht in seiner Plagiatsaffäre die Taktik der Transparenz und der leisen Widerworte. Das lässt ihm einige Rückzugspositionen offen, falls sich die Vorwürfe erhärten sollten. Lammert hat also wenigstens noch nichts falsch gemacht, was ihn von einigen Kollegen abhebt.

Von Roland Preuß und Ronen Steinke

Politiker können viel falsch machen in Plagiatsaffären: Sie können Wissenschaftler provozieren wie Karl-Theodor zu Guttenberg, der abfällig von fehlenden Fußnoten in seiner Dissertation sprach, sie können auf stumm schalten, so wie es die FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin und auch die frühere Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) versucht haben. Die Debatte führten dann andere fort - was beiden Politikerinnen geschadet hat.

Norbert Lammert versucht in seiner Plagiatsaffäre nun die Taktik der gebremsten Verteidigung und der leisen Widerworte. Auf seiner Internetseite bekräftigte er Dienstagabend, er habe seine Doktorarbeit "nach bestem Wissen und Gewissen verfasst" und sei "von ihrer wissenschaftlichen Qualität überzeugt".

Das lässt ihm einige Rückzugspositionen offen. Der Bundestagspräsident kann sich so immer noch für mögliche schwere Fehler und sogar unsauber übernommene Passagen fremder Autoren entschuldigen, ohne sich selbst zu widersprechen. Denn seine Worte bedeuten ja lediglich, dass er nicht bewusst getäuscht und die Dissertation tatsächlich Neues zutage gefördert hat. Er bestreitet nicht ausdrücklich, abgeschrieben zu haben.

Anforderungen an wissenschaftliches Arbeiten haben sich nicht geändert

Eine dramatische öffentliche Abbitte wäre also denkbar, falls sich die Vorwürfe erhärten sollten. Zudem hat er die zuständige Universität Bochum sofort um Prüfung der Vorwürfe gebeten und seine Arbeit ins Internet gestellt. Das signalisiert Transparenz, auch wenn die Uni wohl auf jeden Fall geprüft und die Dissertation sowieso ihren Weg ins Netz gefunden hätte. Lammert hat also wenigstens noch nichts falsch gemacht.

Die Gelehrten streiten sich

Der CDU-Politiker hat seine Arbeit vor fast 40 Jahren geschrieben, in einem inzwischen fast ausgestorbenen Milieu. Es waren die Siebzigerjahre im roten Ruhrgebiet, bei den abendlichen Treffen der lokalen Bürgerinitiativen und Aktionskomitees ging es heiß her, auf den Sitzungen des CDU-Ortsverbands hingegen: frustrierende Leere. Warum?, fragte Lammert, damals Ende zwanzig, strebsam, jung verheiratet. In seiner politikwissenschaftlichen Dissertation suchte er eine Antwort.

Die Organisation der Partei auf lokaler Ebene müsse demokratischer werden, sich mehr öffnen: Das ist die zentrale These der Dissertation, die Lammert im Oktober 1974 an der Uni Bochum vorlegte. Die CDU sei auf lokaler Ebene zu hierarchisch. Lammert illustriert das anhand seines eigenen CDU-Kreisverbandes - dies "ergab sich weitgehend aus den forschungspraktischen Vorteilen, die durch die Mitgliedschaft des Verfassers in Führungsgremien dieses Kreisverbandes gegeben waren", wie er schreibt. Anders gesagt: Der Jungpolitiker Lammert untersuchte da auch, wie seine eigene politische Arbeit erfolgreicher werden kann.

Was sich in 40 Jahren nicht geändert hat, sind die Anforderungen an sauberes wissenschaftliches Arbeiten. Schon damals war klar: Zitate und Thesen müssen sauber belegt, fremdes Gedankengut gekennzeichnet werden. Wie das im Fall Lammert anzuwenden ist, darüber streiten nun Wissenschaftler. Der Politikprofessor Hans-Otto Mühleisen, bei dem sich Lammert unredlich bedient haben soll, kommt nach Prüfung der Vorwürfe zu einem eindeutigen Ergebnis: "Das ist eine seriöse Dissertation, die üblichen Standards entspricht - und auch den damaligen Arbeitsmethoden mit Zettelkasten", sagte Mühleisen. "Ich fühle mich ausreichend zitiert." Der österreichische Plagiatsexperte Stefan Weber stufte die Arbeit dagegen als Plagiat ein.

Der anonyme Enthüller der Plagiatsvorwürfe wies den Vorwurf des Politologen Wolfgang Jäger zurück, nicht seriös gearbeitet zu haben. Er habe nie behauptet, dass Lammert einen Literaturnachweis erfunden habe, sondern dass es den von ihm in der Dissertation angeführten Titel in dieser Form nicht gebe und Lammert diese Literaturangabe von Jäger "ohne Prüfung abgeschrieben hat". Auf seinem Forum hatte er zuvor von einem "Phantomwerk" geschrieben, wodurch der Eindruck entstand, das Buch existiere gar nicht. Tatsächlich existiert das Buch jedoch, allerdings mit einem anderen Titel.

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