Landkreis:Asylbetreuerinnen warnen vor Container-Ghetto

Der Landkreis will für etwa 50 bis 100 neu hinzukommende Flüchtlinge auf erschlossenem Grund "Module" errichten

Von Felicitas Amler

Im Landratsamt gibt es keinen Zweifel mehr: Zur Unterbringung weiterer Asylbewerber werde der Landkreis Container für 60 bis 80 Personen aufstellen müssen. Im Fachjargon liest sich das so: "Für die Bebauung mit Wohnmodulen" werden "erschlossene Grundstücke ab 900 Quadratmeter zur Pacht oder eventuell zum Kauf gesucht". So hat es der Landkreis in regionalen Zeitungen inseriert. Bisher konnten Flüchtlinge zwischen Wolfratshausen und Wackersberg dezentral in sieben Wohnungen und Pensionen untergebracht werden. Doch die weitere Wohnungssuche war erfolglos.

Sozialamtsleiter Daniel Waidelich sagt, nach seiner Einschätzung werde kein Weg daran vorbeiführen, für neu hinzukommende Flüchtlinge Container aufzustellen. Landrat Josef Niedermaier bestätigt dies. Er habe bereits "eine Brand-Mail" an alle Bürgermeister geschickt.

Wie unsicher die Perspektive ist, macht allerdings eine am selben Tag gestellte und beantwortete Frage der SZ an die Regierung von Oberbayern - welche die Asylbewerber auf die Landkreise verteilt - und das Landratsamt deutlich. Wie viele Flüchtlinge leben bereits hier? Die Regierung sagt: 178; das Landratsamt: 150. Wie viele werden es bis Jahresende sein? Die Regierung: 220; das Landratsamt: 250.

Sicher sei, sagt Waidelich: "Wenn sich ein geeignetes Grundstück findet, wird die Verwaltung eine entsprechende Nutzung planen und der Kreispolitik vorschlagen." Die "Module" müssten Schlafräume, Toiletten, Nasszellen, Küchen und Aufenthaltsräume umfassen. 30 bis 100 Asylbewerber könnten darin leben, meint der Sozialamtsleiter. "Um eine möglichst sozialverträgliche Einbettung zu ermöglichen", halte er 60 bis 80 für realistisch.

Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer, wie sie sich im Landkreis bisher an allen Adressen mit Asylsuchenden zusammengefunden haben, sind bedrückt wegen der Entwicklung. Container könnten so oder so aussehen, sagt Martina Schmid aus Geretsried: Der Temenos-Kindergarten etwa habe seine Container "recht liebevoll" gestaltet. Wenn sie dagegen an die Asylbewerber-Container im Norden Münchens denke - die seien "richtig lagermäßig". Das sei weder für die Bewohner noch für deren Umgehung auszuhalten. Es kämen viele unterschiedliche Ethnien, teils schwer traumatisierte Menschen, zusammen. Als sie erfährt, dass der Landkreis Container für 60 bis 80 Menschen ins Auge fasst, erschrickt Schmid und sagt nur: "Oh!" Sie hätte schon 15 bis 20 für "überbelegt" gehalten. Dennoch seien Container "sicher besser als eine Turnhalle".

Das findet auch Andrea Grundhuber, Integrationsbeauftragte des Tölzer Stadtrats und ebenfalls Asylbetreuerin. Sie räumt ein, die Behörden hätten sich um Wohnungen bemüht. Doch mit Containern entstünden "neue Ghettos". Sie wünsche sich, dass nicht ein Provisorium geschaffen werde, "das dann ewig steht". Stattdessen müssten nach Ansicht der Grünen-Stadträtin Lokalpolitiker bei jedem neuen Baugebiet berücksichtigen, dass es immer wieder Zuzug gebe. "Wir werden bunter und älter, das ist halt so", sagt sie.

Beide sehen auch die ehrenamtliche Hilfe für Asylsuchende an ihren Grenzen. In Geretsried kümmern sich fünf Einheimische um 14 Flüchtlinge. "Das ist eh zu wenig", sagt Schmid. Längst seien sie vom anfänglichen Versuch, es den Menschen "kuschelig" zu machen, bei einem eher "feuerwehrmäßigen" Einsatz angekommen. Es gebe auch keine Treffen mehr, sondern einen Austausch per Telefon und E-Mail. In Bad Tölz gibt es 20 Flüchtlingshelfer, die sich einmal im Monat besprechen. Sie teilen sich die Arbeit als "Familienpaten" und für den dreimal pro Woche stattfindenden Deutschunterricht. Doch auch Grundhuber sagt: "Wir bräuchten dringend mehr Helfer!"

Die Flüchtlingshelfer in Bad Tölz treffen sich jeden ersten Montag im Monat von 18.30 Uhr an im Mehrgenerationenhaus. Infos bei Andrea Grundhuber melden, Telefon 08041/99 37. Der Landkreis nimmt Wohnungsangebote für Asylsuchende unter Telefon 08041/505-194 und -178 entgegen.

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