Debatte um Finanztransaktionssteuer:Steinbrück wirft Merkel skandalöses Verhalten vor

Steinbrück auf Wahlkampfreise

SPD-Kanzlerkandidat auf Wahlkampfreise: Peer Steinbrück am Hafen in Wismar

(Foto: dpa)

Sie sorge für "volle Taschen bei den Spekulanten" und betreibe eine "Hinhaltetaktik": SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück greift in der "Süddeutschen Zeitung" die Wirtschaftspolitik von Kanzlerin Merkel an. Seine Kritik: Eine europaweite Finanztransaktionssteuer, wie sie die SPD fordert und von der Regierung versprochen wurde, lässt weiter auf sich warten.

Von Susanne Höll und Claus Hulverscheidt

In der Debatte über die Einführung einer Umsatzsteuer auf Finanzgeschäfte hat SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück Kanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf angegriffen. "Es ist ein Skandal, dass Schwarz-Gelb die Finanztransaktionsteuer weiter verzögert", sagte Steinbrück der Süddeutschen Zeitung. "Mit ihrer Hinhaltetaktik macht sich die Bundesregierung lieb Kind bei den Banken und verhindert, dass diese endlich für ihre Verfehlungen zur Kasse gebeten werden. Das sorgt für volle Taschen bei den Spekulanten, während den Staaten in Europa das Geld fehlt, um die Jugendlichen von der Straße weg in eine Beschäftigung zu bringen."

Hintergrund der Kritik ist, dass sich die Einführung der neuen Abgabe immer weiter verzögert und die Liste der Ausnahmeregelungen bei den Verhandlungen in Brüssel immer länger wird. Die SPD will mit der Steuer die Banken in Europa an den Kosten der von ihnen verursachten Finanz- und Wirtschaftskrise beteiligen und reine Spekulationsgeschäfte auf den Finanzmärkten unattraktiver machen.

Initiative wird zerpflückt

Als die schwarz-gelbe Koalition bei der Bundestagsabstimmung über die Errichtung des Euro-Rettungsfonds ESM im vergangenen Jahr eine Zweidrittelmehrheit benötigte und deshalb auf Stimmen aus der Opposition angewiesen war, waren ihr SPD und Grüne nur unter der Bedingung zur Seite gesprungen, dass Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für die Einführung einer Finanztransaktionsteuer in möglichst vielen EU-Staaten sorgen. Zwar ergriffen Deutschland, Frankreich und neun weitere Länder wenig später tatsächlich die Initiative und forderten einen konkreten Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission an. Seit deren Konzept aber auf dem Tisch liegt, wird es nach Angaben von Verhandlungsteilnehmern systematisch zerpflückt.

Schuld daran sind zum einen die beteiligten Regierungen, die trotz des grundsätzlichen Bekenntnisses zu der Steuer ihre sehr unterschiedlich strukturierten jeweiligen Finanzbranchen schonen wollen. Zum anderen bemühen sich die Banken hinter den Kulissen auch selber intensiv um möglichst weitreichende Ausnahmeregelungen. Durch die gezielte Veröffentlichung wohlmeinender Gutachten und Studien befeuert die Branche zudem die Sorge vieler Menschen, dass es am Ende die Kleinsparer sein könnten, an denen die Steuer hängenbleibt.

Zehn Milliarden für Deutschland

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll der Handel mit Aktien, Anleihen und Fondsanteilen künftig mit 0,1 Prozent besteuert werden. Auf sogenannte Derivate, also Absicherungsgeschäfte und Finanzwetten, würden 0,01 Prozent fällig. Im Jahr könnten so bis zu 35 Milliarden Euro zusammenkommen, zehn Milliarden davon flössen nach Deutschland. Steuerkommissar Algirdas Semeta hat aber bereits durchblicken lassen, dass die Steuersätze in einigen Bereichen auch geringer ausfallen könnten. Wertpapierpensionsgeschäfte, bei denen sich Banken untereinander Geld leihen, sowie Verkäufe von Staatsanleihen könnten sogar vollständig ausgenommen werden. Käme es dazu, würde das Steueraufkommen auf einen einstelligen Milliardenbetrag zusammenschmelzen. Auch geht man in der Bundesregierung mittlerweile davon aus, dass die Steuer frühestens 2015, wahrscheinlich sogar erst 2016 eingeführt werden kann.

Steinbrück kündigte an, er werde nach einem Wahlsieg Druck machen, dass die Steuer eingeführt wird. "Wir werden Merkels Politik im Herbst ändern", sagte er.

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