IOC-Kandidatur von Thomas Bach:Stich des Scheichs

IOC-Kandidatur von Thomas Bach: Thomas Bach: In der Kritik.

Thomas Bach: In der Kritik.

(Foto: AFP)

Thomas Bach, Favorit auf den Vorsitz des Internationalen Olympischen Kommitees, gerät in Bredouille. Die IOC-Ethikkommission prüft Aussagen eines einflussreichen kuwaitischen Scheichs, der die Kandidatur Bachs öffentlich unterstützt. Das darf er eigentlich nicht.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Thomas Bach ist der Favorit. An dieser Aussage hat sich nichts geändert, seit Deutschlands mächtigster Sportfunktionär im Mai offiziell verkündet hatte, was seit Jahren erwartet worden war: seine Kandidatur für das Präsidentenamt im Internationalen Olympischen Komitee (IOC).

Am 10. September will Bach sich in Buenos Aires zum Nachfolger des Belgiers Jacques Rogge küren lassen - doch ob ihn die 103 stimmberechtigten IOC-Mitglieder tatsächlich wählen, ist nun etwas ungewisser geworden. Und das liegt ausgerechnet an jenen engen Drähten in die arabische Welt, die der frühere Olympiasieger im Fechten und jetzige Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) auf vielen Ebenen pflegte und die ihm erst in die Favoritenrolle verhalfen.

Nach SZ-Informationen soll die IOC-Ethikkommission einen Vorgang überprüfen, der auch Thomas Bach betrifft. Dabei geht es um Aussagen des einflussreichen kuwaitischen Scheichs Ahmad Al-Fahad Al-Ahmed Al-Sabah, seit 21 Jahren Mitglied des IOC und mit Blick auf die Abstimmung gemeinhin als Königsmacher bezeichnet.

In einem Beitrag der WDR-Sendung "Monitor", der am Donnerstagabend in der ARD ausgestrahlt wurde, sagte er: "Wir werden an unserer Vision, unserem Fahrplan festhalten, und wir haben eine Verabredung seit zwölf Jahren. Daher werde ich ganz offen sein: Ich bin Unterstützer von Thomas Bach. Ich bin dafür, dass Dr. Bach der nächste IOC-Präsident wird."

Den Beitrag will das IOC nun anfordern. Dass Bach und Al-Sabah ein enges Verhältnis verbindet, war kein Geheimnis; schon Ende Mai in St. Petersburg hatte sich der Scheich in einem Medienzirkel offenkundig entsprechend geäußert. Aber nun ist die besondere Nähe erstmals vor einer Kamera formuliert worden. Aufgenommen wurde das Interview nach der Bekanntgabe von Bachs Kandidatur. Auf Nachfrage der Reporter, was das konkret heiße, sagte Al-Sabah: "Ich mache alles, was helfen kann. (. . .) Warten Sie ab. Bis September."

Diese Zitate sind heikel. Denn gemäß Artikel 11 des Ethikcodes ist es Mitgliedern des IOC verboten, Präsidentschaftskandidaten öffentlich zu unterstützen. Es ist ihnen laut Code nicht erlaubt zu sagen, wen sie wählen, und erst recht nicht, aus welchen Motiven sie jemanden favorisieren.

Eine SZ-Anfrage an Bach zu Al-Sabahs Aussagen beantwortete ein DOSB-Sprecher so: "Hierbei handelt es sich um ein Interview, dass Scheich Al-Sabah unseres Wissens nach zurückgezogen hat, weil er sich vor der Aufzeichnung Ende Mai nicht über die IOC-Regeln bewusst gewesen ist. Dementsprechend werden wir ein zurückgezogenes Interview nicht kommentieren." Ein langjähriges IOC-Mitglied, das die Regeln nicht kennt? Der WDR erklärt, es sei "schlichtweg falsch" zu behaupten, Al-Sabah habe das Interview zurückgezogen.

Mit seiner TV-Aussage bestätigte Al-Sabah auch, worauf Beobachter seit Jahren hinweisen: dass Bach schon sehr lange und gezielt auf den IOC-Thron hinarbeitet. Eine Verabredung "seit zwölf Jahren", so hat das Al-Sabah gesagt - vor zwölf Jahren gab der Spanier Juan Antonio Samaranch den IOC-Chefposten nach 21 Amtsjahren an Rogge ab. Bach selbst hatte langfristige Ambitionen oft verneint. Beispielsweise erklärte er 2006 in Turin nach seiner Wahl in den IOC-Vorstand: "Bei mir hat nie Planung dahintergestanden."

Al-Sabah bündelt extreme Machtfülle

Es ist nicht das erste Mal, dass Al-Sabah Teile der olympischen Familie mit seinem Verhalten irritiert. Der frühere kuwaitische Minister tritt anders auf als die meisten IOC-Mitglieder; der 50-Jährige präsentiert sich als Lebemann, er bildet nicht nur seiner gelockten Haare wegen einen Kontrast zur gewöhnlich eher biederen Funktionärsriege.

Doch in seiner Person bündelt sich eine extreme Machtfülle. Al-Sabah ist unter anderem Chef der Vereinigung aller nationalen olympischen Komitees (Anoc) sowie aller Olympiakomitees Asiens. Sein jüngster Coup: die Wahl des Österreichers Marius Vizer zum Chef von SportAccord, der Vereinigung aller Sportfachverbände.

Als Vizer aber gleich in seiner Antrittsrede vorschlug, eine Art Super-WM aller in SportAccord gebündelten Verbände an einem einzigen Ort zu veranstalten, empörte das manche IOC-Mitglieder. Sie fürchten eine Art Gegen-Olympia. Das färbte auf Al-Sabah ab. Und in der Folge womöglich sogar auf Bach - wiewohl der sich beeilte, diesen Plänen eine Absage zu erteilen. Aber auch dieser Vorgang und die folgende Aufregung beschrieb eines: Wie wichtig dieser Al-Sabah in der Sportwelt geworden ist.

Zudem betrifft Bach eine weitere Debatte, die mit seinen Beziehungen in die arabische Welt zu tun hat. Seit 2006 ist er Präsident einer Vereinigung namens Ghorfa. Diese hält sich zugute, etwas für die deutsch-arabischen Handelsbeziehungen zu tun, ihr Slogan heißt: "Ihre Brücke in den arabischen Markt." Zu ihren Angeboten gehört die sogenannte Vorlegalisierung für einige arabische Botschaften: Unternehmen, die in arabische Staaten exportieren, lassen sich bei der Ghorfa gegen Gebühr und per Stempel bescheinigen, dass mit ihren Waren alles seine Richtigkeit hat.

Das ist legal, aber aus mehreren Gründen umstritten. In einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Kleine Anfrage einer Grünen-Abgeordneten aus dem Juni hieß es: "Die zusätzliche kostenpflichtige Vorlegalisierung ist ein Handelshemmnis." Vertreter verschiedener Bundesministerien würden die Problematik rund um die Vorlegalisierung regelmäßig gegenüber Vertretern der Ghorfa ansprechen.

Heikel ist dieser Ablauf, weil sich aus der Gesetzeslage in einigen arabischen Ländern ergibt, dass eine Legalisierung nur möglich ist, wenn die eingeführten Waren nicht aus Israel stammen; manche Kritiker sprechen daher von einem "Anti-Israel-Stempel". Zum anderen, so berichtete es "Monitor" erstmals, legalisiere die Ghorfa alles - also auch Rüstungsgüter und Waffen.

Ein Sprecher von Bach verwies auf SZ-Nachfrage zu dem Punkt auf eine allgemeine Erklärung der Ghorfa. Die Ghorfa selbst teilte auf Anfrage mit: "Grundsätzlich müssen alle Handelsdokumente legalisiert werden, dort wo der jeweilige Importstaat das vorschreibt. Dies ist grundsätzlich unabhängig von der Art des Produkts."

Das ist eine schwierige Gemengelage. Charlotte Knobloch, über viele Jahre Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat Bach zuletzt öffentlich unterstützt. Bezüglich dessen Engagement bei der Ghorfa fordert sie jetzt aber Konsequenzen.

Sie sei überzeugt, dass Bach seine verantwortungsbewusste Haltung auch bei der Ghorfa umsetze, doch sie fügt an: "Dazu gehört zweifelsohne, dass er alles in seiner Macht stehende unternimmt, um schnellstmögliche Entscheidungen der Ghorfa zu erwirken, die den Boykott israelischer Waren beenden und eine engere Kooperation mit Israel ermöglichen." Knobloch findet: "Hier hat Thomas Bach als Korrektiv in dieser Organisation eine zentrale Rolle." Diese Rolle hat Bach aber bereits seit 2006 inne.

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