Kontrolle von Syriens Chemiewaffen:Assads langer Weg zur Abrüstung

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Eine Palästinenserin bei einer Anti-Kriegs-Demonstration im Gaza-Streifen. (Foto: AFP)

Unverhoffte Chance für die Diplomatie: Russlands Vorstoß, die Chemiewaffen des Assad-Regimes unter internationale Aufsicht zu stellen, findet immer mehr Zustimmung. Abrüstungsexperten halten diesen Weg allerdings für kompliziert. Sie betonen, dass ohne einen Waffenstillstand gar nichts geht.

Von Matthias Kolb

Barack Obama ist angetan und spricht von der Möglichkeit eines "bedeutenden Durchbruchs". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon klingt in der Causa zum ersten Mal seit langem wieder optimistisch. Frankreich will die Idee gleich zu einer UN-Resolution machen. Auch die sonst zurückhaltenden Deutschen kündigen in Gestalt ihres Außenministers Guido Westerwelle (FDP) an, sich möglicherweise "technisch und in anderer Hinsicht" zu beteiligen. Vor allem aber: Syriens Außenminister Walid al-Muallim zeigt sich offenbar kooperationsbereit.

Die russische Forderung, das Assad-Regime zur Herausgabe und Vernichtung seiner Chemiewaffen zu verpflichten, hat plötzlich neue Bewegung in die internationale Dipomatie gebracht. Lässt sich ein amerikanischer Militärschlag gegen Syrien noch abwenden? Ein gewisses Maß an Skepsis ist angebracht, denn der Abrüstungsplan, über den Obama und Putin nach Angaben des US-Präsidenten schon vor einiger Zeit beraten haben, wäre nach Meinung von Experten nicht einfach umzusetzen.

"Es muss einen Waffenstillstand geben, bevor die Chemiewaffen gesichert werden können", sagt Patricia Lewis vom Londoner Forschungsinstitut Chatham House im Gespräch mit Süddeutsche.de. Dies sei angesichts der verworrenen Lage in dem seit mehr als zwei Jahre andauernden Bürgerkrieg "nicht einfach, aber auch nicht unmöglich". Wenn sich alle beteiligten Seiten - wahrscheinlich unter internationaler Vermittlung - auf eine Waffenruhe einigen könnten, dann wäre dies auch die Chance für eine umfassende Verhandlungslösung, analysiert die Expertin für internationale Sicherheitspolitik.

"Ein erster Schritt wäre eine umfassende Erklärung der Regierung in Damaskus, welche Chemiewaffen sie besitzt und wo sich diese befinden", sagt Oliver Meier, Abrüstungsexperte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im Gespräch mit Süddeutsche.de. Diese Erklärung müsste dann von den UN-Kontrolleuren überprüft werden, bevor diese mit der Zerstörung vor Ort oder mit dem Abtransport beginnen könnten. Dies allein wäre ein bedeutender Schritt, denn bislang bestreitet das Regime in Damaskus, überhaupt Chemiewaffen zu besitzen.

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Allein die Erfassung dauert mehrere Jahre

Meier wertet es als großen Fortschritt, dass Russland nun anerkennt, dass Syrien über ein Chemiewaffenprogramm verfügt und bereit ist, sich für eine internationale Kontrolle als Lösung einzusetzen. Auch er hält es für unumgänglich, dass alle Kampfhandlungen vorübergehend eingestellt werden, bevor die Mitarbeiter der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) ihre Arbeit aufnehmen. Das Regime in Damaskus müsse erst noch zeigen, dass es bereit sei, umfassend mit der OPCW und dem Sicherheitsrat zusammenzuarbeiten: "Die Erklärung des Außenministers reicht da nicht aus." Das Beispiel Libyens zeige laut Meier, dass es "mehrere Jahre" dauere, um die Bestände chemischer Waffen zu erfassen und zu zerstören - "und dies bei voller Kooperation der Regierung".

Wenn es Machthaber Baschar al-Assad wirklich ernst meint, dann könnte Syrien zunächst der internationalen Chemiewaffen-Konvention (CWC) beitreten. 30 Tage, nachdem das entsprechende Schreiben bei den UN eingegangen ist, würde Syrien dann das 190. Mitglied der CWC werden. "Hier lassen sich sicherlich kreative Schritte finden, um diesen Prozess zu beschleunigen", erklärt der SWP-Analyst. Mit dem Beitritt zur Chemiewaffenkonvention würde der Besitz und die Verwendung von chemischen Kampfstoffen ( Syrien soll neben Sarin und Senfgas auch das Nervengas VX besitzen) verboten - und Damaskus müsste binnen 24 Stunden die in Den Haag ansässige OPCW informieren.

Die Britin Patricia Lewis regt hingegen an, nicht auf einen Beitritt Syriens zur Chemiewaffen-Konvention zu beharren: "Die Juristen sollten diese Chance nicht verzögern." Das Regime könnte die Vereinten Nationen um Kooperation bitten und dann den Prozess beginnen. Lewis, die jahrelang ein UN-Forschungsinstitut zu Abrüstungsfragen geleitet hat, glaubt auch, dass es "ziemlich schnell" gehen könnte, den größten Teil der Chemiewaffen zu sichern. "Wenn das Regime weiß, wo sich die Bestände befinden, ist nicht viel Zeit nötig." Zur Lagerung und anschließenden Zerstörung sollten die Kampfstoffe außer Landes gebracht werden.

Pufferzone um die Militärlager?

Skeptischer äußert sich der britische Waffenexperte Richard Guthrie im Guardian: "Man müsste UN-Kontrolleure nach Syrien schicken, diese dort versorgen und beschützen. Werden die C-Waffen bewegt, könnten sie auslaufen. Es hängt vom Standort ab, ob man sie an Ort und Stelle zerstören kann." Natürlich könne man eine Pufferzone um die Lager errichten, "doch diese Waffen sind wahrscheinlich in Militärstützpunkten und wird das Regime wirklich garantieren, dass in einem Umkreis von zehn Kilometern nichts passiert?"

Alle Experten weisen zudem darauf hin, dass in den Folgejahren weiter kontrolliert werden müsste, ob das komplette Arsenal an C-Waffen vernichtet und die Produktionsstätten zerstört worden sind. Das Misstrauen des Westens gegenüber Damaskus ist weiterhin groß.

In Washington denken wohl viele Beobachter wie Richard Haass, der Vorsitzende des Council on Foreign Relations: US-Präsident Barack Obama sollte die Drohung eines Militärschlags aufrecht erhalten, um herauszufinden, ob es Assad wirklich ernst meint.

Spätestens wenn eine mögliche Resolution den UN-Sicherheitsrat passiert, dürfte Assads angedeutete Kompromissbereitschaft einem ersten Test unterzogen werden.

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