Comeback der CSU unter Seehofer:Ausgerechnet er

Horst Seehofer, CSU, Landtagswahl Bayern

Horst Seehofer vor der Landtagswahl: Absturz oder Krönung?

(Foto: dpa)

Vor vier Jahren lag die CSU am Boden, ein Machtwechsel schien zum Greifen nah, Parteichef Horst Seehofer war angezählt. Wenige Tage vor der Landtagswahl prophezeien Umfragen nun: Für die CSU könnte es sogar wieder zur absoluten Mehrheit reichen. Wie ist dieses spektakuläre Comeback gelungen? Und was hat Seehofer damit zu tun?

Von Sebastian Gierke

Die "Trist-Sozialen" titelten die Zeitungen 2008, als die CSU bei der Landtagswahl nach einem halben Jahrhundert die absolute Mehrheit verloren hatte. Die CSU hatte, so schien es, Bairisch verlernt. Weißblaue Welten lagen in Schutt und Asche, der Nimbus der uneinnehmbaren CSU-Bastion: dahin.

Tiefer, so dachte man, könnte die CSU gar nicht mehr fallen. Doch dann kam Horst Seehofer. Er, der auf keinem Wahlzettel stand, wurde am 27. Oktober 2008 nicht nur als Ministerpräsident Bayerns vereidigt. Er wurde zum Retter der CSU auserkoren - aus Mangel an Alternativen. Und es ging für die CSU weiter bergab. Bei der Bundestagswahl ein Jahr später, im Jahr 2009, holte Seehofer in Bayern desaströse 42,5 Prozent. Zum Vergleich: 1998 hatte Theo Waigel den CSU-Vorsitz niedergelegt, weil unter seiner Führung die CSU bei der Bundestagswahl nur bei 47,7 Prozent gelandet war.

Auch Seehofer wackelte jetzt. Der Unmut war gewaltig, in der Partei rumorte es. Seehofer war jetzt schlicht schuld an allem. Seine Parteikollegen, die er nicht selten per SMS dirigiert, klagten über seinen autoritären Führungsstil, seine Unberechenbarkeit, seine falsche Wahlkampfstrategie und seinen Populismus, der dazu führte, dass die CSU in den Augen der Bürger die unglaubwürdigste Partei Deutschlands war. Hätte es in der CSU einen präsentablen Nachfolger gegeben, einen, der einen Putsch gegen Seehofer hätte anführen könne, Seehofer wäre wohl die längste Zeit mit den wichtigsten Ämtern, die die CSU zu vergeben hat, betraut gewesen.

Der Tiefpunkt? Keineswegs. Als die Landesbankaffäre 2010 hochkochte, war die Partei in einer Umfrage bei 41 Prozent angelangt. Damit war auch die Wirtschaftskompetenz der Partei in Frage gestellt, einer der letzten Trümpfe, die ihr noch verblieben waren. Sogar über Werte von unter 40 Prozent war im Vorfeld der Umfrage spekuliert worden. Unvorstellbar. Damit wäre die CSU, die seit jeher auf ihre Sonderrolle im deutschen Parteiensystem pocht, plötzlich nicht mehr als ein stinknormaler CDU-Landesverband gewesen. Ein "Krisperl" unter den Parteien.

Immer häufiger wurde die Frage nach der Daseinsberechtigung der CSU gestellt. Denn nur wenn sie allmächtig in Bayern ist, hat die Partei auch Macht in Berlin. Doch was, wenn die Mehrheit der Menschen in Bayern diese Partei nicht mehr wählt?

Die Mission des Retters Seehofer schien jedenfalls grandios gescheitert. Er war von der Wucht der eigenen Anstrengung aus der Kurve getragen worden. Es schien denkbar, dass Seehofer in die Annalen der CSU als der Vorsitzende eingeht, der die Partei in die Opposition geführt hat. Im Sommer 2011 lag ein Bündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern knapp in Führung. Der Machtwechsel schien möglich.

Doch dann kam Seehofer. In dieser scheinbar aussichtslosen Lage gelang ihm die Wende. Wenige Tage vor der Landtagswahl stehen die Chancen gut, dass die CSU die absolute Mehrheit zurückerobert. Das wäre vor dem Hintergrund der vergangenen fünf Jahre, ein Triumph, vergleichbar nur mit 2003, als Edmund Stoiber die Zweidrittelmehrheit holte. Die panische Angst der CSU ist Selbstbewusstsein gewichen. Wie hat Seehofer das geschafft? Was hat er getan?

Im Detail:

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Na gut. Keine Aufzählung. 15, zehn oder auch nur fünf Punkte, die erklären, wie Seehofer die CSU gerettet hat? Schwierig. Leichter wäre es da, Spiegelstriche mit vermeintlichen Fehlern zu füllen: Da war neben dem BayernLB-Debakel noch ein Interview, in dem sich Seehofer als leicht xenophober Bauernfänger inzenierte, ein Drohanruf beim ZDF, die "Schmutzelei"-Vorwürfe des Parteichefs gegen Markus Söder, heimliche Umfragen, Attacken auf Journalisten und nicht zuletzt die Verwandtenaffäre. Trotzdem steht Seehofer gut da. Was also ist das Geheimnis? Inhaltlich hat Seehofer kaum etwas vorzuweisen.

Stopp. Genau das ist es: Seehofer hat keine Politik für Bayern gemacht, sondern Politik für seine Partei. Die hat er ein wenig modernisiert, ihr ein frischeres Gesicht gegeben, angepasst an eine veränderte Welt, veränderte Gesellschaftsstrukturen. Führungspositionen wurden mit Frauen besetzt, Jüngere gefördert. Seehofer hat sich als talentierter Kosmetiker erwiesen, als einer, der die tiefen Risse im Antlitz der Partei gründlich zugespachtelt hat.

Mit der Faust in der Tasche

Alle möglichen Angriffsflächen hat Seehofer beseitigt, Bayern und die CSU zur problemfreien Zone erklärt. Die Studiengebühren (erzwungenermaßen), die Diskussion um die Einführung des G8 oder den ebenso umstrittenen Donau-Ausbau. Verkaufsverbot von Alkohol an Tankstellen? War da was? Oder Rauchverbot?

Außerdem gelang es dem Ministerpräsidenten einige schmerzhafte Wunden, aufgerissen durch Edmund Stoibers Sparpolitik, zu überschminken. Vor allem durch etwas mehr Personal für Polizei, Justiz, Schulen und Hochschulen. Verheilt sind die Wunden allerdings noch nicht.

Dass immer genüg Spachtelmasse da ist, dafür sorgt die gute wirtschaftliche Situation Bayerns. Reformen? Eigene, neue Ideen? Sind da doch gar nicht nötig! Inhaltlich bleibt von der Legislaturperiode eigentlich nur das Betreuungsgeld. Und die Versprechungen aus dem Wahlkampf. Pkw-Maut, Mütterrente, Abschaffung des Länderfinanzausgleichs, schuldenfreier Haushalt bis 2030.

Geholfen dabei hat dem Arbeiter-Sohn aus Ingolstadt, der bei seinen Schönheitsreparaturen nicht nur auf Zustimmung in den eigenen Reihen gestoßen ist, dass sich selbst in der Krise keiner gefunden hat, der ihn hätte herausfordern können. "Baron" Guttenberg, was die Wendigkeit und Anpassungsfähigkeit angeht Seehofer wohl sogar überlegen, den hat er als Einzigen als wirklich gefährlich eingestuft - bis er sich selbst aus dem noch gar nicht gestarteten Rennen herausplagiiert hat.

Seehofer gelange es so, sich seine Partei zu unterwerfen, seine Minister disziplinierte er durch öffentlichen Spott oder, wenn es sein musste, übermäßiges Lob. Wenn noch einer gemurrt hat, dann zu Hause unter der Bettdecke. Öffentlich hat lange keiner aus der CSU mehr gegen Seehofer aufgemuckt. Selbst die "Schmutzelei"-Vorwürfe hat Finanzminister Markus Söder ertragen - mit der Faust in der Tasche. Das Ergebnis: Seehofer wird immer noch nicht geliebt in der Partei, aber er wird respektiert. Seehofer hat der Partei ihren Stolz wiedergegeben.

In Berlin und den anderen Bundesländern ist die CDU schon beunruhigt ob des neuen, Franz-Josef-Strauß-haften Selbstbewusstseins. Nicht nur mit der ständigen Forderung nach einer Pkw-Maut, die die Kanzlerin nicht will und die, in welcher Ausgestaltung auch immer, europapolitisch kaum durchsetzbar sein wird, macht Seehofer deutlich: Nach dieser Wahl hat er große Pläne, inhaltlich und personell - nicht nur in Bayern.

Doch möglicherweise verteilt hier einer das Fell des Bären zu früh. Dass es am Sonntag für die absolute Mehrheit reicht, ist keineswegs sicher. Und auch wenn die CSU gut abschneidet, wird sich Seehofer die Frage gefallen lassen müssen, wie viel von dem Erfolg der Beliebtheit der Kanzlerin zu verdanken ist. Wie viel der neuen Stärke von der Kanzlerin geliehen ist.

Und klar ist auch: Sollte die wirtschaftliche Situation sich in den kommenden Jahren verschlechtern, beginnt der Seehofer-Putz schneller zu bröckeln, als irgendjemand neuen in die Löcher spachteln kann.

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