ARD-Wahlarena mit SPD-Kanzlerkandidat:Steinbrück veranschaulicht das Parteiprogramm

Wahlarena

Steinbrück stellt sich den potenziellen Wählern in der ARD.

(Foto: dpa)

75 Minuten, Auge in Auge mit potenziellen Wählern. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück stellt sich in der ARD den Bürgern. Er muss seine Steuerpläne gegen Kritik von Unternehmern verteidigen, kann aber auch seine Wahlkampfbotschaften zum Thema Gerechtigkeit unterbringen. Und er schafft es geschickt, sich aus der Frage nach den möglichen Koalitionen nach der Wahl herauszuwinden.

Nicht gerade die ideale Zielgruppe. Es sind, jedenfalls ist das das Gefühl, ziemlich viele Unternehmer im Publikum bei der ARD-Wahlarena mit Peer Steinbrück, jener Sendung, bei der sich der SPD-Kanzlerkandidat potenziellen Wählern stellen und sie überzeugen muss. Moderator Jörg Schönenborn betont ausdrücklich, dass das Publikum repräsentativ ist, und tatsächlich, später kommen noch eine junge Erstwählerin und ein um das Klima besorgter junger Mann zu Wort. Es geht viel ums Geld, um Steuern, Renten, Schulden, wie schon im TV-Duell mit Angela Merkel. Das wichtigste außenpolitische Thema, der Syrienkrieg, kommt allerdings gar nicht vor. Doch Steinbrück wirkt souverän, schafft es, nach anfänglichen Schwierigkeiten, seine Botschaften unterzubringen. Er rattert ein paar Zahlen herunter, wirkt gut im Thema, ihm gelingt es aber, sich nicht in Details zu verlieren, sondern sein Programm mit Beispielen zu veranschaulichen.

  • Die erste Frage kommt von einem Herrn vom Niederrhein. Er arbeitet im Außendienst, fährt viel auf der Autobahn. Okay, jetzt kommt die Pkw-Maut, denkt der Zuschauer. Aber weit gefehlt, der Herr sorgt sich darum, dass es immer mehr Falschfahrer gibt. Was Steinbrück da zu tun gedenke? "Sie überraschen mich mit ihrer Frage", sagt der SPD-Mann. Mehr als Hinweisschilder an den Autobahnauffahrten könne man kaum tun. Er sei aber bereit, Pilotprojekte, die es in dieser Richtung gebe, zu prüfen und weiterzuentwickeln.
  • Dann kommt Steinbrücks Hauptthema: Gerechtigkeit. Ein Patentanwalt aus Köln, der sich selbst zu den Besserverdienenden zählt, fragt nach den Steuerplänen der SPD und ob man nicht vor allem diejenigen besteuern müsse, die noch mehr als Patentanwälte verdienen. Steinbrück kontert damit, dass er nur die obersten fünf Prozent der Einkommensbezieher stärker heranziehen wolle. Aber er leiert dann auch viele gestanzte Wahlkampfphrasen runter: Stärker das Wir, weniger Ellenbogen, vier große Aufgaben, Bildung, Infrastruktur, Kommunen, Schuldenabbau undsoweiter. Das wirkt zu gestanzt.
  • Es kommt dann besser für Steinbrück: Ein Beamter fragt danach, was Steinbrück zur Eindämmung der prekären Arbeitsverhältnisse tun wolle. Noch einmal kann der SPD-Mann seine Wahlkampf-Botschaften bringen. Aber er begründet sie jetzt besser, läuft durch den Raum, entfernt sich ein bisschen von seinem Rednerpult und bringt ein Beispiel aus einer Druckerei, wo die Leiharbeiter andere Kleidung tragen müssen als die Festangestellten. Das sitzt.
  • Jetzt wird es brenzlig für den SPD-Kanzlerkandidaten. Die Frage: "Wenn Sie nur zwei Möglichkeiten hätten, wofür würden Sie sich entscheiden? Für eine große Koalition oder für eine rot-rot-grüne Koalition?" Steinbrück antwortet nicht richtig auf die Frage. Mit den Linken wolle er nicht koalieren, weil sie eigentlich aus drei Parteien bestünden, nicht verlässlich seien und zur großen Koalition habe er sich ja schon geäußert. Im Übrigen zeige die jetzt herbeigeredete Sehnsucht für die große Koalition doch, dass Schwarz-Gelb so gut nicht gearbeitet haben könne. Noch ein Punkt für Steinbrück.
  • Eine Dame will dann von Steinbrück wissen, warum er sich das alles antue. "Sehen Sie mich doch an", sagt der SPD-Kandidat. Was sich anhört, wie eine launige Frage nach Steinbrücks privaten Ambitionen, leitet über zur Frage der Rente mit 67. Die verteidigt Steinbrück, weil es heutzutage eher darum gehe, den Fachkräftemangel abzumildern und ältere Menschen für den Arbeitsmarkt zu gewinnen.
  • Ein Arzt fragt nach der Bürgerversicherung, die die SPD plant. Es geht unter anderem um die Honorare der Mediziner und Steinbrück wehrt sich gegen das "Horrorgemälde", das die politische Konkurrrenz vom SPD-Konzept zeichne. Die Bürgerversicherung sei keine "Gleichmacherei".
  • Es sind potenzielle Wähler, die sich hier finden und unter den potenziellen Wählern sind auch Nichtwähler. Einer meldet sich jetzt, sagt, dass sich die Parteien kaum voneinander unterscheiden. Lohnuntergrenze, das Konzept der Union, und der Mindestlohn der SPD seien weitgehend dasselbe. Das kann Steinbrück gut parieren. Eine Lohnuntergrenze, die Arbeitgeber und Gewerkschaften festlegen, könne auch deutlich unter den von der SPD angepeilten 8,50 Euro liegen. Zuvor kritisiert er noch die Haltung des Mannes: "Sie haben nicht nur ein Wahlrecht, sondern auch eine Wahlpflicht".
  • "Sind Sie bereit ein Pfand zu geben, wenn Sie ihre Wahlversprechen nicht einhalten", will ein Herr wissen. Steinbrück sinniert kurz, welches Pfand das sein könnte. Der Ehering scheide aus, da wäre seine Frau wohl zu sauer. Außerdem trete er ja mit einem Programm an, von dem er glaube, dass es keine unerfüllbaren Wünsche enthalte. Moderator Andreas Cichowicz (NDR) hat dann eine Idee, was Steinbrück tun könne, wenn er sein Wort breche. Er solle dem Herrn ein kühles Pils zapfen. "Das ist die leichteste Übung", sagt Steinbrück. Okay, jetzt wird es ihm ein bisschen zu leicht gemacht.
  • Steinbrück und die Frauen, das galt dagegen immer als schwieriges Thema. Eine Hebamme weist jetzt auf die hohen Kosten der Haftpflichtversicherungen für diesen Berufsstand hin. Steinbrück antwortet, dass dieses Problem schon häufiger an ihn herangetragen wurde. Er sagt, dass das in der Tat ein erhebliches Problem für viele Frauen darstelle, weist auch darauf hin, dass es gelegentlich auch männliche Hebammen gibt. Eine Lösung habe er "aus der Hüfte" nicht, aber eine Regierung unter seiner Führung werde sich dessen annehmen.
  • Zum Schluss geht es um Bildung. Wie man es schaffen könne, Hauptschüler, die sich aufgegeben hätten, wieder ins Bildungssystem zurückzuholen? "Kein Kind zurücklassen", sagt Steinbrück und bringt dann sich selbst als Beispiel. Er sei in der Mittelstufe zweimal sitzengeblieben und habe auch eine zweite Chance bekommen. Politische Botschaften mit der eigenen Biografie und anschaulichen Beispielen zu verbinden, das gelingt Steinbrück auch hier wieder.
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