Landtagswahl in Bayern:Nach der Wahl ist vor der Wahl

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Dem Wahlkampf in Bayern sitzt bereits die Bundestagswahl eine Woche später im Nacken. (Foto: AFP)

Ein Sieg kann auch eine Niederlage sein: Wenn Bayern wählt, hat das Folgen für die Bundestagswahl eine Woche später. Bei der FDP steht's mal wieder Spitz auf Knopf. Die Union bangt um ihren Partner. Die SPD ist ganz bescheiden. Und die Grünen? Setzen auf die Trendwende. Mit welchen Unwägbarkeiten die Strategen aller Parteien rechnen

Von Nico Fried, Christoph Hickmann und Robert Roßmann, Berlin

Von der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, die 1954 Weltmeister wurde, geht die Legende, dass sie ihr Vorrundenspiel gegen Ungarn absichtlich verloren habe, um den möglichen Endspielgegner in Sicherheit zu wiegen. 8:3 für Ungarn hieß es am 20. Juni 1954 in Basel, nachdem Trainer Sepp Herberger eine Reservemannschaft aufgeboten hatte. Am 4. Juli dann schlug die deutsche Mannschaft um Fritz Walter und Helmut Rahn die Ungarn bekanntlich mit 3:2. Und so ähnlich stellt sich das die FDP auch vor.

In der Politik verliert natürlich keine Partei absichtlich. Außerdem schießen in der Politik selten die Akteure die Tore (und wenn doch, dann sind es oft Eigentore), sondern die Wähler bestimmen über Erfolg und Niederlage. Und doch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Liberalen im Bund über eine Niederlage der Parteifreunde in Bayern zwar traurig, aber doch nicht so traurig wären.

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Am 15. September wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Was erwartet die Bürger in der Wahlkabine? Was sind die Unterschiede zur Bundestagswahl? Und was hat es mit den Volksentscheiden auf sich? Ein Überblick.

Sollte die bayerische FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, so das Kalkül, dann könnte dies eine Woche später viele Wähler zu einer Trotzreaktion zugunsten der FDP im Bund motivieren. Das liberale Erfolgsduo hieße dann Philipp Rösler und Rainer Brüderle. Die beiden könnten, wie schon die Parteifreunde in Niedersachsen, davon profitieren, dass Unions-Wähler ihre Stimmen splitten: Erststimme für den konservativen Wahlkreiskandidaten, Zweitstimme für die FDP.

Aber ob das wirklich alles so kommt, weiß natürlich niemand.

Die Union leidet an einem Mobilisierungsdefizit

Dass in Parteien derart taktisch gedacht wird, zeigt freilich auch das Gegenbeispiel der Union. Ein klarer Sieg für die CSU und für Horst Seehofer könnte in der nächsten Woche dazu führen, dass viele potenzielle Unions-Wähler die Wiese schon für gemäht hielten und lieber zu Hause blieben, als ins Wahllokal zu spazieren. Die Union leidet ja bereits jetzt an einem Mobilisierungsdefizit.

Einige in der Partei befürchten schon, Angela Merkel könnte es diesmal mit der berühmten asymmetrischen Demobilisierung zu weit getrieben und damit auch die eigenen Wähler eingelullt haben. Denn wegen der guten Ausgangslage für die Union halten viele Anhänger die Wiederwahl Merkels schon jetzt für sicher. Dabei kommt es auf das Abschneiden von Schwarz-Gelb insgesamt an. Und wegen der schwachbrüstigen Liberalen ist die Mehrheit von Union und FDP noch mehr als fraglich.

Der Bundes-CDU wäre deshalb ein gutes, aber nicht sensationelles Ergebnis der CSU am liebsten - gleichzeitig sollte die FDP den Wiedereinzug in den Landtag mit sechs, sieben Prozent schaffen. Dann wäre aus Sicht des Adenauer-Hauses die Leihstimmen-Gefahr am kleinsten.

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Wichtigstes Ziel der SPD: die absolute Mehrheit der CSU verhindern

Die SPD hat ihre Ziele in Bayern dagegen recht bescheiden gesetzt. Wichtigstes Wahlziel auch aus Bundessicht ist zweifellos, eine absolute Mehrheit der CSU zu verhindern. Das könnte die SPD als Signal deuten, dass die Bäume der Union entgegen den Umfragen eben doch nicht in den Himmel wachsen.

Ein Ergebnis von gut 20 Prozent könnten die Sozialdemokraten, weil sie von arg weit unten kommen, sogar als Zugewinn darstellen. Als Rückenwind für die Bundestagswahl könnte man es trotzdem nicht gerade bezeichnen, allenfalls als zartes Lüftchen, von dem sich nicht genau sagen lässt, ob es von vorne bläst oder doch von hinten. Und so hoffen sie in der Bayern-SPD insgeheim, dass es sich am Sonntag so mit den Umfragen verhält wie 2008. Damals sagten die Auguren der CSU 47 bis 50 Prozent voraus - bekommen hat sie dann aber nur 43,4.

Sollten die Sozialdemokraten freilich einen historischen Absturz erleben und noch unter dem Ergebnis von 2008 (18,6 Prozent) landen, müsste die SPD auf ein anderes Erklärungsmuster zurückgreifen, um die Wahlkämpfer im Bund nicht vollends deprimiert zurückzulassen. Die SPD würde dann wohl darauf hinweisen, dass die Bürger bei unterschiedlichen Wahlen aus sehr unterschiedlichen Motiven heraus ihre Entscheidung treffen.

Bei Oberbürgermeister- und Landratswahlen war die Bayern-SPD in den vergangenen Jahren trotz ihrer schlechten Lage im Freistaat durchaus erfolgreich. Warum sollte das bei einer Bundestagswahl nicht auch so sein? Das Lieblingsbeispiel für die Sozialdemokraten ist das Wahljahr 1998, als ihre Spitzenkandidatin Renate Schmidt am 13. September gegen Edmund Stoiber noch Stimmenverluste hinnehmen musste - und zwei Wochen später im Bund Gerhard Schröder dennoch neuer Bundeskanzler wurde.

Die Grünen sind in die Defensive geraten

Für die Grünen hat die Landtagswahl inzwischen eine Bedeutung, mit der sie selbst nicht gerechnet hatten. Die Partei braucht eine Wende oder zumindest ein Ende des Abwärtstrends. Lange hatte es so ausgesehen, als könne ihr die Debatte um die Steuererhöhungspläne ebenso wenig etwas anhaben wie die Erregung über einen Veggie-Day oder die Berichte über pädophile Umtriebe in der Anfangszeit der Partei. Dann aber ging es doch runter, und zwar nicht zu knapp. Spitzenkandidat Jürgen Trittin ist in die Defensive geraten.

Sollte sich das Bayern-Ergebnis nicht wenigstens als Stabilisierung interpretieren lassen, hätte aber nicht nur er ein Problem, sondern die gesamte Partei. Sie hätte dann schwarz auf weiß, dass etwas schiefläuft. Sollte das Ergebnis aber im weiteren Sinn erfreulich ausfallen, könnten die Grünen erleichtert verkünden, Umfragen seien eben Schall und Rauch.

Eine Unsicherheit, die alle etablierten Parteien umtreibt, wird die Bayern-Wahl aber nicht aufheben können. Die AfD tritt im Freistaat nicht an. Deshalb wird man erst am 22. September wissen, ob die Euro-Kritiker wirklich nur von drei Prozent der Deutschen unterstützt werden, wie es die Umfragen bisher vorhersagen.

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© SZ vom 14.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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