Chemiewaffen-Experten in Syrien:Lebensgefährlicher Job

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UN-Waffeninspektoren kommen nach ihrem Syrien-Einsatz am 31. August 2013 am Hauptsitz der Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW) in Den Haag an. (Foto: dpa)

Das Abkommen zwischen den USA und Russland zur Vernichtung des syrischen Giftgas-Arsenals enthält einen ehrgeizigen Zeitplan. Und noch nie mussten UN-Experten überhaupt Chemiewaffen unter Kriegsbedingungen einsammeln.

Von Reymer Klüver

Eine zentrale Rolle bei der geplanten Vernichtung der syrischen Chemiewaffen wird die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (englisch abgekürzt: OPCW) spielen. Das sieht die am Samstag in Genf getroffene Vereinbarung zwischen Russland und den USA vor. Die Organisation, so hatte ihr Direktor, der türkische Diplomat Ahmet Üzümcü, bereits Anfang vergangener Woche wissen lassen, "steht bereit". Tatsächlich würde sie Neuland betreten. Denn sie hat noch nie Chemiewaffen unter Kriegsbedingungen einsammeln und beseitigen müssen.

Die Rede ist immer von UN-Inspektoren, die chemische Kampfstoffe suchen. Tatsächlich handelt es sich um Experten der OPCW. Sie waren es, die im August geschickt wurden, um den Giftgas-Angriff bei Damaskus zu untersuchen. Sie sind es nun, die nach dem Willen der USA und Russlands umgehend nach Syrien sollen. Der Vereinbarung zufolge soll Syrien ihnen das Recht einräumen, "sofort und ungehindert sämtliche Örtlichkeiten zu inspizieren". Wie das möglich sein soll mitten im Bürgerkrieg, darüber verliert die Übereinkunft kein Wort.

Ohnehin ist es ein ehrgeiziger Zeitplan - selbst ohne Kämpfe. Bis November sollen die OPCW-Inspektoren die Waffen und ihre Standorte in Syrien inventarisiert haben - zumindest die, die das Regime in Damaskus ihnen gemeldet hat. Zum selben Zeitpunkt sollen sie sicherstellen, dass die Produktionsanlagen für die Kampfstoffe zerstört sind. Im ersten Halbjahr 2014 müssten alle Bestände vernichtet sein, "wenn möglich", wie es im Genfer Abkommen heißt, "außerhalb Syriens". Tatsächlich gibt es die entsprechenden Verbrennungsöfen nur außerhalb des Landes - in den USA etwa oder in Russland.

Überwiegender Teil im Besitz Russlands und der USA

Die OPCW wurde eigens geschaffen, um die Einhaltung der UN-Chemiewaffen-Konvention zu überwachen. Sie verpflichtet alle Unterzeichner-Staaten dazu, ihre Bestände der Waffen zu zerstören. Die Konvention räumt den Vertragsstaaten im Normalfall zehn Jahre für die Vernichtung der Chemiewaffen ein. Die russisch-amerikanische Vereinbarung gewährt Syrien nicht einmal ein Jahr. Der OPCW gehören fast alle Länder an. Nur Israel und Myanmar nicht, die die Chemiewaffen-Konvention zwar unterzeichnet, aber nie ratifiziert haben, sowie Ägypten, Angola, Nordkorea, Südsudan, die sie noch nicht einmal unterschrieben haben. Und eben Syrien, das bis zur vergangenen Woche ebenfalls eine Unterschrift verweigert hatte.

Rechtlich ist die OPCW eine von den Vereinten Nationen unabhängige internationale Institution. Tatsächlich wurde die OPCW aber nur zu dem Zweck gegründet, die UN-Chemiewaffen-Konvention zu überwachen. Ihr Sitz und ihre Labors befinden sich in Den Haag. Rund 500 Menschen arbeiten dort, ein Viertel von ihnen Inspektoren. Den Jahresetat von 75 Millionen Euro bringen die Mitgliedsstaaten nach demselben Schlüssel auf, nach dem sie UN-Mitgliedsbeiträge zahlen (Deutschland trägt mithin rund sieben Prozent).

Sieben Mitgliedsstaaten haben der OPCW Chemiewaffenbestände angezeigt, der weit überwiegende Teil davon im Besitz Russlands und der USA. Nach OPCW-Angaben waren es weltweit exakt 71.196 Tonnen. Davon sind mittlerweile 57.740 Tonnen, rund 80 Prozent, unter Aufsicht der OPCW zerstört worden. Nun könnten weitere 1000 Tonnen aus Syrien hinzukommen.

© SZ vom 16.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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