Urteil des Bundesgerichtshofs:Sicherungsverwahrte bekommen Entschädigung

Sicherungsverwahrung

Straftäter, die zu lange in Sicherungsverwahrung saßen, sollen entschädigt werden.

(Foto: dpa/Roland Weihrauch)

Müssen Straftäter entschädigt werden, die zu lange in Sicherungsverwahrung saßen? Über diese Frage hat der Bundesgerichtshof verhandelt - und zugunsten der vier verurteilten Sexualstraftäter entschieden, die geklagt hatten. Das Urteil betrifft bis zu hundert ähnlich gelagerte Fälle.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass zu Unrecht Sicherungsverwahrte eine Entschädigung bekommen sollen. Der Anspruch folge direkt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, sagte der Vorsitzende Richter in der mündlichen Verhandlung. Für die Entschädigung müssen die Bundesländer aufkommen. Das Urteil betrifft etwa 80 bis 100 Fälle. Die Betroffenen haben demnach Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von etwa 500 Euro für jeden Monat unzulässiger Sicherungsverwahrung.

Geklagt hatten vier Sexualstraftäter, deren Sicherungsverwahrung nachträglich verlängert worden war. Die Männer waren zwischen 1977 und 1985 wegen schwerer Straftaten von baden-württembergischen Landgerichten zu mehrjährigen Haftstrafen und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden, heißt es in einer Mitteilung des BGH. Zur Zeit der Urteile galt noch ein Gesetz, demzufolge die Sicherungsverwahrung nicht länger als zehn Jahre dauern durfte.

1998 gab es jedoch eine Gesetzesänderung, die eine Sicherungsverwahrung über die Frist von zehn Jahren hinaus unter bestimmten Umständen zuließ. Diese Bestimmung durfte auch auf alte Fälle angewandt werden - das Landgericht Freiburg verlängerte die Sicherungsverwahrung der vier Sexualstraftäter in der Überzeugung, dass von den Männern weiterhin eine Gefahr ausgehe. Die Männer legten Beschwerde ein. Das Oberlandesgericht Karlsruhe gab ihnen im Jahr 2010 Recht und beschloss das Ende ihrer Verwahrung.

Bereits 2009 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die rückwirkende Sicherungsverwahrung für rechtswidrig erklärt. Das Bundesverfassungsgericht zog 2011 nach.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte den vier Männern Entschädigungen zwischen 49.000 und 73.000 Euro zugesprochen. Das Land Baden-Württemberg wehrte sich jedoch dagegen, für die Kosten aufkommen zu müssen. Immerhin habe das Landgericht Freiburg aufgrund der damaligen Gesetzeslage gar keine andere Entscheidung als die Verlängerung der Sicherungsverwahrung fällen können. Nach dem Urteil des BGH muss Baden-Württemberg nun zahlen.

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