Irans Präsident Rohani:Bereit für den Tanz mit dem Westen

Hassan Rohani Iran

Irans Präsident Hassan Rohani während eines Interviews mit dem iranischen Staatsfernsehen am 10. September

(Foto: AFP)

Gespräche mit dem "großen Satan", keine Atombombe, Gnade für Menschenrechtler: Irans Präsident Rohani gibt sich vor seinem Auftritt bei den Vereinten Nationen als Reformer. Experten sehen gute Chancen, dass Rohani im Atomstreit mit dem Westen Kompromisse schließen kann - er kann auf die Unterstützung des mächtigsten Mannes im Land setzen.

Von Matthias Kolb

Die Reisevorbereitungen laufen. In der kommenden Woche fliegt Irans neugewählter Präsident Hassan Rohani nach New York und der 64-Jährige arbeitet nicht nur an der Rede, die er am Dienstag vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen halten wird. Rohani sendet unentwegt Signale, die andeuten, dass er es mit seinem politischen Reformkurs ernst meint - und entsprechende Rückendeckung hat.

In einem Interview mit dem US-Sender NBC beteuerte Rohani nun, dass sein Land keine Atombombe anstrebe. "Wir wollen einfach nur eine friedliche nukleare Technologie", sagte Rohani, der über seinen englisch-sprachigen Twitter-Account ein Foto mit der Journalistin Ann Curry verbreitete.

Wenige Stunden vor der Ausstrahlung des Interviews war die prominente Menschenrechtlerin Nasrin Sotudeh aus dem Gefängnis entlassen worden. Sotudeh saß wegen ihres Engagements für Frauenrechte und ihres Kampfes gegen die Todesstrafe seit Anfang 2011 im Gefängnis, eigentlich hätte sie erst 2022 freikommen sollen. Die 50-Jährige kündigte in Teheran an, ihre Arbeit als Anwältin fortsetzen zu wollen.

Professionelle Iran-Beobachter beurteilen die Entwicklungen mit vorsichtigem Optimismus. "Sie setzen ihre Botschaften schneller in die Welt, als die internen Bremser reagieren können. Sie dominieren die öffentliche Meinung", sagt Gary Sick von der Columbia University über das Rohani-Lager. Das Ziel dieser "Blitzattacken" ist für den Iran-Experten Sick klar: Rohani will sich als "Anti-Ahmadinedschad" präsentieren. Der umstrittene Vorgänger hatte Iran international isoliert, das Land heruntergewirtschaftet und gerade seine Auftritte vor den UN für anti-israelische Tiraden genutzt.

Auch gegenüber den USA, dem "großen Satan", hat sich der Ton geändert. Rohani berichtete in dem NBC-Gespräch, dass er nach seinem Amtsantritt im August einen Brief von Obama erhalten habe. "Aus meiner Sicht ist der Ton des Briefs positiv und konstruktiv", so Rohani. "Er könnte ein subtiler und kleiner Schritt für eine sehr wichtige Zukunft sein." Obama wird ebenfalls am Dienstag in New York eine Rede halten.

Rudolph Chimelli, der die iranische Politik seit Jahrzehnten für die Süddeutsche Zeitung beobachtet, beurteilt die Lage wie folgt:

Irans Präsident Rohani steht im Zenit seiner innenpolitischen Handlungsfähigkeit. Er ist ein Mann aus dem Machtapparat und hat die Vollmacht des Geistlichen Führers Ali Chamenei, den Atomstreit mit dem Westen in den kommenden Verhandlungen beizulegen. Erste Schritte könnten schon in New York erfolgen. Ein Briefwechsel Rohanis mit US-Präsident Obama ist in konziliantem Ton gehalten, obwohl von einem Treffen der beiden noch keine Rede ist.

Chamenei hat die Revolutionsgarden, eine Kerntruppe des Widerstandes gegen eine Aussöhnung mit dem Westen, aufgefordert, auf eine politische Rolle künftig zu verzichten. "Ich bin nicht gegen diplomatische Bemühungen", sagt der Ayatollah, für den direkte Kontakte mit den USA in der Vergangenheit Ketzerei waren. Als vertrauensbildende Maßnahme haben die Iraner bereits in den letzten Wochen 40 Prozent ihres angereicherten Urans in Brennstäbe für Wissenschaft und Medizin umgewandelt. Auch der Rest der bisherigen Bestände von 240 Kilo, die auf 20 Prozent angereichert sind, werden demnach umgewandelt. "Wir sind dazu nicht verpflichtet, aber wir wollen die Besorgnisse der anderen Seite abbauen", betonte Ali Akbar Salehi, der Chef der iranischen Atombehörde. Die Kompetenz für die Atomverhandlungen, die bisher beim klerikal beherrschten Nationalen Sicherheitsrat lag, hat Rohani auf das von ihm kontrollierte Aussenministerium übergeleitet.

Auch Haleh Esfandiari, der Leiter des Nahostprogramms des Woodrow Wilson Centers in Washington, bewertet die Ereignisse vom Mittwoch sehr positiv. "Ich denke, dass Rohani in New York nicht auf die Situation von prominenten, inhaftierten Frauenrechtlerinnen angesprochen werden wollte. Gerade Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi hat sehr oft an das Schicksal von Sotudeh erinnert."

Esfandiari, der 2007 selbst inhaftiert und kurz vor der Reise Ahmadinedschads zu den UN freigelassen wurde, verweist aber auf ein für Rohani weiterhin unangenehmes Thema: Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi, die beiden Anführer der grünen Revolution 2009, befinden sich noch immer in Hausarrest. Sollten sich die Spekulationen, wonach sich Rohani für deren Freilassung einsetze, bewahrheiten, wäre dies ein sehr ermutigender Schritt.

In der New York Times nennt der Rohani nahe stehende Analyst Farshad Ghorbanpour ein weiteres wichtiges Motiv für die Charme-Offensive des neuen Präsidenten: "Wir sind an einem einzigartigen Punkt in der iranischen Geschichte. Wirtschaftliche und politische Gründe rechtfertigen Gespräche mit Amerika." Unter der Bevölkerung wächst die Sorge über die andauernde Wirtschaftskrise sowie steigende Preise - wegen der Sanktionen liegt die Inflation bei etwa 40 Prozent.

Bei all der gebotenen Skepsis scheint auch in Washington die Zuversicht zu wachsen, dass Fortschritte in den Gesprächen mit Teheran erzielt werden können. Oder wie es die Iran-Expertin Barbara Slavin vom Atlantic Council formulierte: Womöglich hat die Obama-Regierung endlich einen Tanzpartner gefunden.

Weiterführende Links:

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: