Wissen über Afrika:Im Märchenland

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80 Prozent der Südafrikaner gehen zu einem Heiler statt zu einem ausgebildeten Arzt? Eine Internetplattform will mit falschen Fakten und Zahlen zu Afrika aufräumen. "Africa Check" legt Wert darauf, unabhängig zu sein.

Von Michael Bitala

Auch wenn George W. Bush Afrika mal als "wunderschönes Land" gepriesen hat, so wissen doch die meisten Menschen, dass es sich dabei um einen Kontinent handelt. Nur: Wie viele Staaten gibt es denn auf diesem Erdteil? Wer in Archiven und Nachschlagewerken recherchiert, stößt auf drei Zahlen: 54, 55, 57. Fest steht: Die Afrikanische Union (AU) hat 54 Mitglieder. Aber es auch gibt noch Marokko, das nicht zur AU gehört, aber zu den Vereinten Nationen, und die Demokratische Arabische Republik Sahara, die Mitglied der AU ist, aber nicht der UN. Und was macht man eigentlich mit Somaliland, das weder zur AU noch zur UN gehört und international nicht anerkannt ist, aber längst als unabhängiger Staat funktioniert?

Wenn schon eine so einfache Frage nicht eindeutig zu beantworten ist, wie schwierig ist es dann, all die Zahlen über Afrika zu überprüfen, die seit Jahren durch die Medien geistern? Die Zahl der Kriegsopfer in der Demokratischen Republik Kongo? Zwischen drei und fünf Millionen. Die Zahl der HIV-Infizierten? Irgendwas zwischen 20 und 30 Millionen. Die Anteil der Südafrikaner, der regelmäßig einen traditionellen Heiler aufsucht? 80 Prozent. Das haben zumindest die BBC und das South African Medical Journal berichtet.

Stimmt aber nicht, heißt es jetzt auf der neu eröffneten Internetplattform Africa Check (www.africacheck.org). Sie wird von einer Reihe afrikanischer Journalisten betrieben, die Wert darauf legen, unabhängig zu sein und "Fakten von Fiktionen zu trennen". Ihre Hauptpartner sind die AFP-Foundation und die Journalismus-Abteilung der Witwatersrand-Universität in Johannesburg. Und wer ihre Berichte liest, erfährt nicht nur viel Neues über diesen Kontinent, sondern kann sich auch amüsieren.

Fünf Bier pro Woche

Zunächst einmal: Gerade mal 0,1 Prozent der Südafrikaner haben in einer offiziellen Haushaltsbefragung der Regierung 2011 angegeben, einen traditionellen Heiler zu konsultieren, von 80 Prozent kann also keine Rede sein. Die meisten gehen im Krankheitsfall - wie Europäer und Amerikaner auch - in private oder öffentliche Kliniken oder besuchen ausgebildete Ärzte.

Ähnlich werden Sätze von Politikern, Künstlern oder Journalisten auseinandergenommen, die öffentlich behaupten, ein Kraut könne Aids heilen, weiße Südafrikaner stürben wie die Fliegen oder die Arbeitslosenquote in einer südafrikanischen Provinz sei massiv zurückgegangen.

Besonders amüsant ist ein Text über das Magazin Time zu lesen, das unlängst schrieb, in Afrika gebe es ein gravierendes Alkoholproblem. Besonders schlimm sei es in Kenia, Südafrika und Nigeria. Die Autorin bezog sich dabei auf Zahlen der Weltgesundheitsorganisation. Die Africa-Check-Journalisten haben diese Zahlen nun überprüft und schreiben, dass sie falsch interpretiert wurden. In den meisten Ländern Afrikas trinken oft mehr als 80 Prozent der Menschen gar keinen Alkohol und die angeblich besorgniserregenden Alkoholmengen (fünf Bier pro Woche) in Nigeria oder Südafrika liegen noch hinter den Durchschnittszahlen für Europa.

Das Interessante an Africa Check ist, dass es sich dabei zwar erst um eine kleine Gruppe von Journalisten handelt, die öffentlich Behauptetes in Afrika überprüfen möchte. Aber sie schließt damit an eine Bewegung an, die in der jüngsten Vergangenheit weltweit immer stärker wird. Auch in den USA und Europa nimmt die Zahl der unabhängigen Faktenchecker zu.

Für Afrika ist dies eine Bereicherung. Zum einen, um den eigenen Politikern, Prominenten, Wissenschaftlern oder Journalisten auf die Finger zu schauen. Zum anderen, um der Welt zu zeigen, welcher Unsinn immer wieder über Afrika geschrieben wird. Afrika, der besoffene Kontinent? Na dann mal.

© SZ vom 25.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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