Koalitionsmöglichkeiten nach der Bundestagswahl:CDU soll zu Spitzensteuersatz von 49 Prozent bereit sein

Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün? In beiden Fällen müssten Steuern erhöht werden, darauf stellt sich die CDU-Spitze ein. Aus der SPD dringen erste Forderungen, die für die Union größere Zumutungen bedeuten würden - und weniger Posten.

Angela Merkel Campaigns In Berlin

Die CDU-Spitze ist offenbar bereit, die Steuern zu erhöhen: Parteichefin Angela Merkel und Generalsekretär Hermann Gröhe einen Tag vor der Bundestagswahl.

(Foto: Getty Images)

Die CDU stellt sich darauf ein, Steuererhöhungen als Angebot an einen künftigen Koalitionspartner mitzutragen. Im Berliner Adenauer-Haus scheint man sich längst auf entsprechende Zugeständnisse einzustimmen. Wie die Bild-Zeitung unter Berufung auf Parteikreise berichtet, hat CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe bei internen Gesprächen in der Parteizentrale die Erhöhung des Spitzensteuersatzes ausdrücklich als mögliches Zugeständnis an SPD oder Grüne ins Spiel gebracht.

Auch in einem Gespräch mit Vertretern des CDU-Wirtschaftsflügels habe Gröhe erklärt, die Partei müsse sich auf einen höheren Spitzensteuersatz einstellen. Der Satz könne von derzeit 42 Prozent (plus drei Prozentpunkte sogenannter "Reichensteuer", die ab einem Einkommen von 250.000 Euro greift) auf 47 Prozent oder gar 49 Prozent steigen, zitiert das Blatt aus dem Gespräch. Im Gegenzug habe er betont, die SPD solle im Bundesrat der Abschaffung der sogenannten kalten Progression zustimmen. Sie belastet vor allem Klein- und Mittelverdiener.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte bereits am Vortag Gesprächsbereitschaft in Sachen Steuern signalisiert - und damit umgehend Widerspruch aus München geerntet. "Mit der CSU gibt es keine Steuererhöhungen", sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder. Scharfe Kritik kam inzwischen auch aus der Wirtschaft. "Wenn Herr Schäuble jetzt beidreht, ist das der Einstieg in den Wortbruch", sagte Michael Hüther, Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), der Passauer Neuen Presse.

"Auf Augenhöhe verhandeln"

In der SPD wurden inzwischen erste konkrete Bedingungen für die Bildung einer schwarz-roten Bundesregierung formuliert. "Eine große Koalition müsste auch Großes leisten, sonst hat sie keine Rechtfertigung", sagte der baden-württembergische Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD) der dpa. Kommunen und Länder müssten mehr Einnahmen bekommen - der Punkt sei nicht verhandelbar. Zudem kämpfe die SPD für eine Bürgerversicherung, die Energiewende und eine Neuausrichtung der Europapolitik. "Mindestlohn und Abschaffung des Betreuungsgeldes reichen da nicht", sagte Friedrich.

Der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, verlangte im Fall eines schwarz-roten Bündnisses die Hälfte der Ministerposten für die SPD. "Wir wollen keine große Koalition. Wir empfehlen die Grünen als Koalitionspartner", sagte Kahrs der Passauer Neuen Presse. "Wenn die Union dennoch mit uns etwas anfangen möchte, muss sie zur Kenntnis nehmen: Es geht nur mit Verhandlungen auf Augenhöhe", sagte der Bundestagsabgeordnete.

Als zentrale Forderungen nannte Kahrs die Einführung eines Mindestlohns, Maßnahmen gegen Missbrauch bei Leih- und Zeitarbeit, die Gleichstellung Homosexueller, eine Mietpreisbremse, die doppelte Staatsbürgerschaft und eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes.

SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil sagte dagegen der Neuen Osnabrücker Zeitung: "Der SPD geht es um inhaltliche Überzeugungen und nicht in erster Linie um Ministersessel."

CDU-Mann Barthle tendiert zu Schwarz-Grün

Die SPD will an diesem Freitag auf einem Parteikonvent in Berlin die Konsequenzen aus ihrem 25,7-Prozent-Ergebnis beraten. Die CDU/CSU hatte 41,5 Prozent erzielt. In der SPD gibt es erhebliche Vorbehalte gegen eine große Koalition.

Rechnerisch sind sowohl eine große Koalition als auch ein schwarz-grünes Bündnis möglich. Sowohl bei den Sozialdemokraten als auch bei den Grünen gibt es allerdings starke Vorbehalte gegen ein Bündnis mit CDU und vor allem CSU. Gerade der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer lehnt eine Zusammenarbeit mit den Grünen vehement ab.

Der Haushaltsexperte der Unionsfraktion im Bundestag, der CDU-Politiker Norbert Barthle, zeigte sich hingegen offen für eine Koalition mit den Grünen. Er rief seine Partei in den Stuttgarter Nachrichten auf, "intensiv auf die Grünen zuzugehen". Als Haushaltspolitiker komme er "mit den Grünen eindeutig besser zurecht als mit der SPD". Zwar gebe es gesellschaftspolitisch größere Schwierigkeiten als mit den Sozialdemokraten. "Aber da muss man Kompromisse finden", fügte Barthle hinzu.

Linke hat Rot-Rot-Grün noch nicht aufgegeben

Zwei grüne Landesminister aus Baden-Württemberg bekundeten im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, offen zu sein für Schwarz-Grün. "Ich erwarte, dass wir sehr ernsthafte Sondierungsgespräche mit der Union führen", sagte die grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer. Ihr Kabinettskollege Umweltminister Franz Untersteller attestierte einem schwarz-grünen Bündnis "Charme, gerade im Hinblick auf die Energiewende".

Die Linke versucht derweil, SPD und Grüne für eine Koalition zu erwärmen. Parteichefin Katja Kipping schlug einen gemeinsamen Mitgliederentscheid über ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis vor. "Die sauberste Lösung wäre, wenn alle Parteien links der Mitte gemeinsam ihre Basis befragen würden, ob sie Rot-Rot-Grün oder Merkel-Plus wollen", sagte Kipping den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Wir sind bereit zu sondieren." Rot-Rot-Grün wird bislang sowohl von Sozialdemokraten, als auch von Grünen abgelehnt.

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