Sondierungsgespräche nach der Bundestagswahl:Merkel hält sich alle Optionen offen

CDU-Generalsekretär Gröhe flirtet auffällig mit den Grünen, trotzdem wird Kanzlerin Merkel an diesem Freitag zuerst mit der SPD sprechen. Ob dann tatsächlich Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden, ist noch offen. Die Sozialdemokraten wollen sich nicht hetzen lassen - und sich möglichst teuer verkaufen.

Wie die künftige Regierung in Berlin aussehen wird, darüber gibt es auch an diesem Montag, acht Tage nach der Bundestagswahl, noch keine Klarheit. Zwar treten am Mittag die Vertreter sämtlicher im Bundestag vertretenen Parteien vor die Presse, wirklich neue Erkenntnisse ergeben sich daraus jedoch kaum (hier die Ereignisse in der Liveblog-Nachlese).

Man muss zwischen den Zeilen lesen und auf die Zwischentöne achten, um Neues zu erfahren. So sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, dass man nicht nur mit der SPD, sondern auch mit den Grünen Sondierungsgespräche führen werde. Gröhe sieht darin keinen Affront gegen die SPD, mit der die Union am Freitag als erstes reden will.

Trotzdem ist auffällig, wie sehr der CDU-General mit den Grünen flirtet. "Wir sehen mit Interesse, dass sie um ihre Neuaufstellung ringen." Die Zukunft der Partei sei unsicher, aber "es ist immerhin festzustellen, dass es bei den Grünen eine selbstkritische Betrachtung des Links-Kurses gibt", sagt Gröhe. Und dann noch ein kleiner Seitenhieb auf die Sozialdemnokraten: Von einer solchen Betrachtung sei bei der SPD "noch wenig zu spüren".

Bereitet da jemand seine Partei auf Schwarz-Grün vor? Zumindest hält sich Gröhe mit seinen Äußerungen alle Optionen offen - eine Strategie, die offenbar ganz im Sinne der Kanzlerin ist. Dazu passt auch die vergleichsweise milde Äußerung über Jürgen Trittin, den Spitzenkandidaten, der zwar intern heftig in der Kritik steht, an einem eventuellen grünen Verhandlungsteam aber dennoch beteiligt sein könnte: "Es ist zunächst die Aufgabe der Parteien zu klären, wer sie vertritt", sagt Gröhe. Das steht in Widerspruch zu CSU-Chef Horst Seehofer, der sich klar gegen Schwarz-Grün ausgesprochen hat und darauf beharrt, dass er sich mit Trittin auf gar keinen Fall an einen Tisch setzen wird.

Zwei Siebener-Teams plus CSU-Delegation

Was Gröhe allerdings ausschließt, sind parallele Koalitionsgespräche mit SPD und Grünen: "Wenn wir in Koalitionsverhandlungen einsteigen, verhandeln wir mit einer Partei." Die Union habe nie Zweifel daran gelassen, dass es geboten sei, mit beiden Parteien SPD und Grüne zu sondieren. Auch im CDU-Präsidium gibt es starke Stimmen für Gespräche mit den Grünen. Diese hatte zum Beispiel die stellvertretende Parteivorsitzende Julia Klöckner gefordert.

Die Grünen wollen sich dabei allerdings nicht gegen die SPD ausspielen lassen. Die Union dürfe nicht die "Zweispurvariante" mit SPD und Grünen wählen, "um die Preise zu drücken", sagte Parteichef Cem Özdemir nach der Sitzung des Bundesvorstandes in Berlin.

Trotz der schwarz-grünen Gedankenspiele gilt nach wie vor die große Koalition als wahrscheinlichste Option. Immerhin ist inzwischen klar, wer an den Gesprächen am Freitag teilnehmen wird. Auf Seiten der CDU sind das neben Kanzlerin Merkel und Generalsekretär Gröhe Kanzleramtschef Ronald Pofalla, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Fraktionschef Volker Kauder sowie die Ministerpräsidenten Volker Bouffier (Hessen) und Stanislaw Tillich (Sachsen). Gröhe begründet die hohe Teilnehmerzahl damit, dass auch Ländervertreter eingebunden werden sollen.

Die SPD schickt ebenfalls ein Siebener-Team in die Sondierungsgespräche. Parteichef Sigmar Gabriel, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz, der Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier, Generalsekretärin Andrea Nahles und Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig.

Hinzu kommt noch die CSU-Delegation, bestehend aus Parteichef Horst Seehofer, Generalsekretär Alexander Dobrindt, Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt und die drei bisherigen CSU-Bundesminister Hans-Peter Friedrichs, Peter Ramsauer und Ilse Aigner angehören. Aus der bayerischen Landespolitik soll noch die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm hinzugezogen werden. Insgesamt sitzen dann 21 Politiker am Verhandlungstisch.

"Das sollten wir schon solide machen"

Nach wie vor gibt es in der SPD kritische Stimmen, die davor warnen, als Juniorpartner in eine große Koalition unter der alles überstrahlenden Kanzlerin zu gehen. Klar ist: Die Sozialdemokraten wollen sich möglichst teuer verkaufen - und sich nicht hetzen lassen. "Das kann mit der endgültigen Regierungsbildung Dezember, Januar werden", sagt zum Beispiel Nahles.

Die Generalsekretärin weist damit Spekulationen zurück, mögliche Koalitionsgespräche zwischen Union und SPD sollten bis zum SPD-Bundesparteitag Mitte November in Leipzig abgeschlossen sein. "Auf jeden Fall ist es so, dass wir völlig unabhängig sind von dem Parteitag, was den Termin angeht", so Nahles. Das von der SPD vorgesehene Mitgliedervotum zur Entscheidung über einen etwaigen Koalitionsvertrag könne sowohl vor als auch nach dem Parteitag stattfinden, der aus rechtlichen Gründen nicht verschiebbar sei.

In den Sondierungsgesprächen will die SPD laut Nahles vor allem ausloten, ob eine Aufnahme von Koalitionsverhandlungen inhaltlich Sinn macht. Um Personalfragen solle es dagegen vorerst nicht gehen. Nahles rechnet für Freitag mit mehrstündigen Gesprächen: "Das sollten wir schon solide machen". Inhaltlich werde sich die SPD an den Forderungen ihres Sofortprogramms aus dem Wahlkampf orientieren, sagt Nahles. Dieses sieht unter anderem einen Mindestlohn von 8,50 Euro, einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent sowie die Abschaffung des Betreuungsgelds vor. Mit Blick auf Äußerungen führender Unionspolitiker, Steuererhöhungen kämen nicht in Frage, verweist Nahles auf Finanzminister Wolfgang Schäuble, der sich in der Frage des Spitzensteuersatzes gesprächsbereit gezeigt habe: "Ich sehe keinen Bedarf, unsere Position zu verändern."

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